VORSORGEAUSGLEICHUNG IN DER SCHEIDUNG: GESETZESÄNDERUNG TRITT PER 01.01.2017 IN KRAFT
lic. iur. Martin Kuhn, Rechtsanwalt und Fachanwalt SAV Familienrecht
Die vom Parlament bereits am 19. Juni 2015 genehmigten Gesetzesänderungen zum Vorsorgeausgleich treten gemäss Mitteilung vom 10. Juni 2016 zusammen mit entsprechenden Verordnungsänderungen in Kraft.
Mit der neuen Rechtslage werden diverse Mängel und Lücken des bisherigen Ausgleichungssystems behoben.
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I. GRUNDSATZ: HÄLFTIGE TEILUNG DER EHELICH GESPARTEN PENSIONSKASSENGUTHABEN
An der seit dem Jahr 2000 geltenden Rechtslage, wonach grundsätzlich alle während der Ehe erworbenen Austrittsleistungen (Guthaben) der 2. Säule hälftig zu teilen und somit vollumfänglich auszugleichen sind, ändert sich nichts. Neu wird der Ausgleichungsanspruch allerdings nicht mehr per Scheidungsurteil sondern per Einleitung der Scheidungsverfahrens berechnet. Damit entfällt einer der Gründe, das Scheidungsverfahren zu verzögern, nämlich um noch möglichst lange am Pensionskassensparen des anderen Ehegatten beteiligt zu sein.
Zu beachten gilt es, dass das neue Recht auch auf sämtliche bei kantonalen Gerichten hängigen Scheidungsverfahren anzuwenden ist, was gegebenenfalls erhebliche Konsequenzen haben kann: Es ist durchaus denkbar, dass die nichterwerbstätige Ehegattin eines bestens vorsorgeversicherten „Bankers“ wegen dieser Übergangsregelung und eines bereits mehrere Jahre laufenden erstinstanzlichen Scheidungsverfahrens mehrere zehntausend Franken (oder mehr) an Ausgleichungsguthaben verliert, sofern es ihr nicht gelingt, die kantonalen Verfahren noch im laufenden Jahr abzuschliessen.
II. TEILUNG AUCH NACH EINTRITT DES VORSORGEFALLS
Bis anhin war eine Ausgleichung mittels Teilung dann nicht mehr möglich, wenn beim einen Ehegatten der Vorsorgefall (Alter oder Pensionierung) bereits eingetreten war. Dies konnte für den berechtigten Ehegatten, dem in solchen Fällen nur eine Entschädigung nach Art. 124 ZGB zustand, erhebliche Nachteile haben.
Neu wird die Teilung auch dann vollzogen, wenn der eine Ehegatte (oder beide) bereits pensioniert oder invalid ist. Die Berechnung des Ausgleichungsguthabens erfolgt diesfalls auf einer hypothetischen Austrittsleistung oder es wird die vorhandene Rente des einen Ehegatten geteilt und in eine hälftige lebenslange Rente für den berechtigten Ehegatten umgerechnet.
III. MELDEPFLICHT
Sämtliche Vorsorge- und Freizügigkeitseinrichtungen sind verpflichtet, der Zentralstelle 2. Säule periodisch alle Inhaber von Vorsorgeguthaben zu melden. Die Scheidungsgerichte können und werden dort abfragen, ob allenfalls weitere Vorsorgeguthaben vorhanden sind, die im Verfahren nicht offengelegt wurden oder dem Berechtigten selber gar nicht mehr bekannt sind. Zukünftig soll so garantiert sein, dass auch wirklich alle zweite Säule Guthaben in die Ausgleichung einbezogen werden.
IV. SCHUTZKLAUSELN
Mit weiteren Gesetzesänderungen wird gewährleistet, dass während bestehender Ehe kein Vorsorgeguthaben ohne das Wissen des Ehegatten ausgezahlt wird (verschärftes Zustimmungserfordernis). Festgelegt wird auch, dass das zu übertragende PK-Guthaben zumindest teilweise aus dem obligatorischen Bereich stammen muss, was dem Berechtigten Nachteile (schlechtere Verzinsung und Umwandlungssatz, etc.) erspart.
V. BEZUG DES ERWORBENEN AUSTRITTSGUTHABENS ALS RENTE
Bis anhin musste das Austrittsguthaben eines Ehegatten, der selber keiner beruflichen Vorsorgeeinrichtung angeschlossen war, an eine Freizügigkeitseinrichtung gehen, bei welcher bekanntlich keine Auszahlung in Rentenform verlangt werden konnte. Neu kann in solchen Fällen die Übertragung an die Auffangeinrichtung BVG und später (per Pensionierung) die Umwandlung und Auszahlung in Form einer Rente verlangt werden.
VI. ÜBERGANGSREGELUNG FÜR BEREITS GESCHIEDENE
Personen, die bereits geschieden sind und nur eine angemessene Entschädigung gemäss Art. 124 ZGB zugesprochen erhalten haben, verlieren diese sehr oft in Rentenform zugesprochene Entschädigung beim Tod des geschiedenen Ehegatten. Dies gänzlich oder zumindest teilweise, sind doch regelmässig die Hinterlassenenrenten tiefer als die Entschädigungsleistungen.
Solche benachteiligten Geschiedenen können innert einer Übergangsfrist bis 31. Dezember 2017 – unter bestimmten Voraussetzungen – beim Scheidungsgericht beantragen, eine solche Entschädigungsrente nach Art. 124 ZGB in eine neue lebenslange Vorsorgerente umwandeln zu lassen. Nicht profitieren von dieser Möglichkeit können diejenigen Ehegatten, bei welchen die Ausgleichung durch Teilung nach Art. 122 ZGB erfolgt ist. Hier ist das Scheidungsurteil definitiv.
VII. FAZIT
Die per 1. Januar 2017 in Kraft tretenden Änderungen beseitigen erhebliche Nachteile und dürften den Effekt haben, dass allein vorsorgerechtlich begründete strittige und langwierige Scheidungsverfahren verhindert werden können. Erfreulich ist sicher auch, dass die Regelungsfreiheit der Parteien erhöht wird, was den konkreten Umständen angemessene und damit in aller Regel bessere einverständliche Lösungen (Scheidungskonventionen) ermöglicht. Bis alle sich mit dem neuen Recht stellenden Fragen und Unklarheiten höchstrichterlich geklärt sind, dürfte es allerdings einige Zeit dauern.
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16. Juni 2016 / lic. iur. Martin Kuhn