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FAHRVERBOT IM AUSLAND – FÜHRERAUSWEISENTZUG IN DER SCHWEIZ?

lic. iur. Stephan Hinz, Rechtsanwalt, und Sandra Berner, MLaw

lic. iur. Stephan Hinz, Mediator SAV und Rechtsanwalt bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

Grundsätzlich gilt, dass eine Verkehrswiderhandlung im Ausland auch in der Schweiz zu einer Administrativmassnahme führen kann, sofern im Ausland ein Fahrverbot verfügt und an die Schweiz mitgeteilt wurde und die Widerhandlung nach schweizerischem Recht als mittelschwer oder schwer zu qualifizieren ist. Es handelt sich somit um gröbere Verkehrsverstösse und nicht um kleinere Regelverletzungen wie geringfügige Geschwindigkeitsüberschreitungen oder Falschparkieren, welche üblicherweise mit Busse geahndet werden. Gemäss Gesetz sind bei der Festlegung der Entzugsdauer des schweizerischen Führerausweises die Auswirkungen des ausländischen Fahrverbots auf die betroffene Person angemessen zu berücksichtigen. Es stellt sich die Frage, worauf es im Einzelnen ankommt. In einem kürzlich erschienen Urteil (1C_538/2014 vom 9. Juni 2015) hat sich das Bundesgericht mit dieser Frage eingehend auseinandergesetzt.

I. RECHTLICHE GRUNDLAGE

Begeht eine Person mit schweizerischem Wohnsitz im Ausland ein Strassenverkehrsdelikt, kann der Tatortstaat allein mit Wirkung auf das eigene Staatsgebiet eine Administrativmassnahme verhängen. Den schweizerischen Führerausweis als solchen kann er nicht entziehen. Die Wirkung der im Ausland verfügten Administrativmassnahme ist daher beschränkt. Deshalb sieht das Strassenverkehrsgesetz (SVG) unter bestimmten Voraussetzungen den Entzug des schweizerischen Führerausweises durch die schweizerische Behörde vor.

Gemäss Art. 16cbis Abs. 1 SVG wird nach einer Widerhandlung im Ausland der Führerausweis in der Schweiz entzogen, wenn im Ausland ein Fahrverbot verfügt wurde und die Widerhandlung als mittelschwer oder schwer zu qualifizieren ist. Bei der Festlegung der Entzugsdauer sind die Auswirkungen des ausländischen Fahrverbots auf die betroffene Person angemessen zu berücksichtigen, wobei die Mindestentzugsdauer unterschritten werden darf. Die Entzugsdauer darf bei Personen, die im Administrativmassnahmenregister nicht verzeichnet sind, also bei Ersttätern, die am Begehungsort im Ausland verfügte Dauer des Fahrverbots nicht überschreiten (Art. 16cbis Abs. 2 SVG). Bei Rückfalltätern darf die schweizerische Behörde die Dauer des ausländischen Fahrverbots überschreiten.

Die schweizerische Behörde darf somit bei Ersttätern keine strengere Wertung vornehmen als die ausländische. Dass sie gegebenenfalls nach schweizerischem Recht ein längeres Fahrverbot als gerechtfertigt angesehen hätte, spielt keine Rolle.

Zweck dieser Bestimmung ist die Vermeidung der Doppelbestrafung. Die im Ausland und in der Schweiz ausgesprochenen Sanktionen müssen in ihrer Gesamtheit schuldangemessen sein (BGE 128 II 133 E. 3b/bb). Daher sind bei der Festlegung der Entzugsdauer die Auswirkungen des ausländischen Fahrverbots auf die betroffene Person angemessen zu berücksichtigen. Mit dem Wort „angemessen“ wird dem Umstand Rechnung getragen, dass das ausländische Fahrverbot die betroffene Person unterschiedlich stark oder gar nicht treffen kann. So gibt es Fahrzeugführer, die im ausländischen Begehungsort öfters unterwegs sind, sei es aus privaten oder beruflichen Gründen, weshalb sie das dortige Fahrverbot erheblich belastet. Umgekehrt gibt es Fahrzeugführer, die selten im ausländischen Begehungsort unterwegs sind, weshalb sie das ihnen dort auferlegte Fahrverbot kaum oder überhaupt nicht trifft. Massgeblich sind somit die Umstände des Einzelfalles.

II. BUNDESGERICHTSURTEIL 1C_538/2014 VOM 9. JUNI 2015

Anfangs Juni 2015 hat sich das Bundesgericht mit einem Autofahrer aus dem Kanton Zug befasst. Dieser hatte auf einer deutschen Autobahn zweimal die Höchstgeschwindigkeit deutlich überschritten, weswegen er mit einem zweimonatigen Fahrverbot in Deutschland belegt wurde. Kurz darauf entzog ihm das Strassenverkehrsamt des Kantons Zug wegen des Fehlverhaltens in Deutschland den schweizerischen Führerausweis ebenfalls für 2 Monate.

Der Betroffene erachtete diese Entzugsdauer für zu lange, da er in Deutschland viel unterwegs sei und ihn das deutsche Fahrverbot daher bereits hart treffe.

Mit Urteil 1C_538/2014 vom 9. Juni 2015 hat das Bundesgericht ihm Recht gegeben. Das Bundesgericht hielt fest, dass mit dem deutschen Fahrverbot von 2 Monaten der Unrechtsgehalt der begangenen Verkehrsregelverletzung abgegolten sei. Die aufzuerlegende Sanktion dürfe somit 2 Monate nicht übersteigen. Massgeblich sei insoweit das gesamte Sanktionenpaket. Da das deutsche Fahrverbot den Fahrzeugführer belastet habe, führe ein schweizerischer Führerausweisentzug von ebenfalls 2 Monaten dazu, dass der Fahrzeugführer gesamthaft eine Sanktion zu tragen hätte, die 2 Monate übersteige. Dies verletze das Übermassverbot. Die Dauer des schweizerischen Führerausweisentzuges sei so festzulegen, dass der Fahrzeugführer unter Berücksichtigung der Belastung, die der Vollzug des deutschen Fahrverbots für ihn dargestellt habe, eine Sanktion zu tragen habe, die gesamthaft 2 Monaten entspreche. Wenn die ausländischen Behörden eine Verkehrsregelverletzung anders werten und insbesondere Geschwindigkeitsüberschreitungen milder ahnden, haben die schweizerischen Behörden das hinzunehmen. Es komme lediglich auf den Unrechtsgehalt am Begehungsort an. Das Bundesgericht erachtete somit eine Reduktion des schweizerischen Führerausweisentzugs auf einen Monat als angemessen.

III. SCHLUSSFOLGERUNG

Mit dieser neuen Rechtsprechung hat das Bundesgericht der bisherigen Praxis Grenzen gesetzt. Neu ist in jedem Fall eine Einzelfallbetrachtung durch die schweizerischen Behörden unabdingbar. Die schweizerischen Behörden sind gehalten, mit der ausländischen und schweizerischen Massnahme ein Gesamtpaket zu bilden, welches der Schuld angemessen ist. Dabei hat ausser Betracht zu bleiben, ob das ausgesprochene ausländische Fahrverbot nach schweizerischen Massstäben zu tief ausgefallen ist.

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10. September 2015 / lic. iur. Stephan Hinz

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