EINKÄUFE IN DIE 2. SÄULE MIT NACHFOLGENDEM KAPITALBEZUG: STEUERLICHE ABZUGSBERECHTIGUNG VON BAGATELLEINKAUFSBETRÄGEN?
Tamara Tormen, dipl. Steuerexpertin
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Das Bundesgericht hat im Urteil vom 12. März 2010 (2C_658/2009) erstmals zur steuerlichen Tragweite von Art. 79b Abs. 3 BVG Stellung genommen. Teilweise wurden Einkäufe in die 2. Säule mit nachfolgendem Kapitalbezug je nach Kanton steuerlich unterschiedlich behandelt. Basierend auf diesem Bundesgerichtentscheid passen die Kantone die Veranlagungspraxis an. Unter anderem wurde am 5. Februar 2015 vom Kantonalen Steueramt Zürich eine Praxismitteilung veröffentlicht, welche auch auf die Abzugsberechtigung von geringfügigen Einkäufsbeträgen eingeht.
Dieser Newsletter geht ansatzweise auf den Bundesgerichtsentscheid und auf dessen Folgen ein.
I. GENERELLE AUSGANGSLAGE UND GESETZESGRUNDLAGEN
Für die Festlegung des steuerbaren Einkommens können im Normalfall Einkäufe in die 2. Säule einkommenssteuermindernd berücksichtigt werden (Art. 33 Abs. 1 Bst. d DBG, Art. 9 Abs. 2 Bst. d StHG). Bei Kapitalbezügen des Vorsorgeguthabens der 2. Säule kommt i.d.R. ein reduzierter Steuersatz zur Anwendung. Durch Einkäufe in die 2. Säule mit nachfolgendem Kapitalbezug lässt sich die Gesamtsteuerbelastung reduzieren. Dies führte in der Vergangenheit dazu, dass steuerplanerisch kurz vor einem Kapitalbezug Einkäufe in die 2. Säule geleistet wurden.
Unter dem Aspekt der „Steuerumgehung“ akzeptierten die Kantone solche Vorgänge nicht. Dabei gab es unterschiedliche Handhabungen.
Um Missbräuche in der 2. Säule einzudämmen, wurden im Rahmen der 1. BVG-Revision diverse Normen ins BVG aufgenommen. Unter anderem wurde in Art. 79b Abs. 3 BVG zum Verhältnis von Einkauf und Kapitalbezug folgende Bestimmung verankert:
„Wurden Einkäufe getätigt, so dürfen die daraus resultierenden Leistungen innerhalb der nächsten drei Jahren nicht in Kapitalform aus der Vorsorge zurückgezogen werden.“
II. UMSETZUNG DER GESETZESGRUNDLAGE VOR DEM BUNDESGERICHTSENTSCHEID
Vor dem Bundesgerichtsentscheid vom 12. März 2010 war unklar, wie diese neue Gesetzesbestimmung auszulegen war. Das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) hat in der Folge diverse Praxismitteilungen veröffentlicht und dargelegt, wie das BSV diese Norm auslegt. Umstritten war, inwieweit die vorgenannte Bestimmung auch direkt für die Frage der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Einkäufen massgebend sein sollte.
III. BUNDESGERICHTSENTSCHEID VOM 12.03.2010 (2C_658/2009)
Zusammenfassende Darstellung des Sachverhalts gemäss Bundesgerichtsentscheid:
Der Beschwerdeführer leistete Einkäufe in die Pensionskasse seiner Arbeitgeberin, und zwar:
2004 CHF 20‘000
2005 CHF 30‘000
2006 CHF 30‘000
Im Juli 2007 zahlte die Kasse eine Kapitalleistung von CHF 432‘884 aus und zudem wurde eine monatliche Rente von CHF 460 aus dem restlichen Alterskapital von CHF 83‘636 finanziert. Die zuständige Steuerbehörde verweigerte die Abzugsberechtigung der Pensionskasseneinkäufe vom steuerbaren Einkommen.
Die Schweizerische Steuerkonferenz (Vereinigung der Schweizer Steuerbehörden) liess den Bundesgerichtsentscheid analysieren und fasst den Bundesgerichtsentscheid wie folgt zusammen:
– Der Entscheid beschlägt nicht die (vorsorgerechtliche) Frage, ob nach einem Einkauf ein Kapitalbezug möglich ist, sondern nur die (steuerrechtliche) Frage, ob Einkäufe vom steuerbaren Einkommen abgezogen werden können.– Die Mitteilungen des BSV zur Auslegung von Art. 79b Abs. 3 BVG sind für die steuerrechtliche Frage nicht verbindlich.
– Gestützt auf Art. 79b Abs. 3 BVG (im steuerrechtlichen Rahmen) ist die Abzugsberechtigung von Einzahlungen immer dann zu verweigern, soweit innerhalb der Sperrfrist von drei Jahren seit dem Einkauf eine Kapitalauszahlung erfolgt.
IV. SCHLUSSFOLGERUNGEN UND UMSETZUNGEN / EINSCHÄTZUNGSMITTEILUNG DES KANTONALEN STEUERAMTS ZÜRICH VOM 05.02.2015
Aus dem Bundesgerichtsentscheid lassen sich folgende Schlussfolgerungen gestützt auf die Analyse der Schweizerischen Steuerkonferenz ziehen:
– Die Steuerbehörden müssen nicht mehr das Vorliegen einer Steuerumgehung nachweisen. Als Grundlage für die Verweigerung des Abzugs von Einkäufen in die 2. Säule gilt Art. 79b Abs. 3 BVG.
– Für die Abzugsberechtigung gilt einzig die Einhaltung der Dreijahresfrist. D.h. es ist unerheblich, wie sich der Sachverhalt gestaltet.
– Das Bundesgericht hat sich zur Frage, ob für die Einhaltung der Dreijahresfrist bei mehreren Vorsorgeeinrichtungen oder Vorsorgeplänen eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen ist, nicht ausdrücklich geäussert.
Das Bundesgericht führte jedoch aus, dass nur der steuerliche Aspekt zu beurteilen ist, was eine Gesamtbetrachtung nahe legt. Für die steuerlichen Auswirkungen spielt es nämlich keine Rolle, ob der Einkauf und der Kapitalbezug in denselben bzw. aus demselben Vorsorgeplan oder in dieselbe bzw. aus derselben Vorsorgeeinrichtung erfolgen oder nicht.
– Das Bundesgericht hat ausdrücklich offen gelassen, ob ein Kapitalbezug zulässig sei oder nicht. D.h. das Bundesgerichtsurteil führt nicht dazu, dass ein Kapitalbezug innerhalb der Dreijahresfrist ausgeschlossen ist. Solange die vorsorgerechtlichen Vorgaben erfüllt sind, dürfen Vorsorgeeinrichtungen somit auch innerhalb der Dreijahresfrist Kapitalleistungen ausrichten.
Die Steuerbehörden haben aufgrund des Bundesgerichtsentscheids ihre Praxismitteilungen geprüft und i.d.R. angepasst.
Die Schweizerische Steuerkonferenz hielt in ihrer Analyse fest, dass das Bundesgericht mit seiner Formulierung Spielraum lasse, Einkäufe von geringem Umfang unberücksichtigt zu lassen.
Das Kantonale Steueramt Zürich hat in seiner Mitteilung vom 5. Februar 2015 als Hinweis zu seiner Einschätzungspraxis veröffentlicht, dass das vorerwähnte Bundesgerichtsurteil nach Massgabe der Analyse der Schweizerischen Steuerkonferenz umgesetzt wird. Folgende Präzisierung wurde vorgenommen:
„Aus veranlagungsökonomischen Gründen und damit die Möglichkeit von jährlichen periodischen Einkäufen steuerlich nicht eingeschränkt wird, wird bis zu einem Einkaufsbetrag von Fr. 12’000 pro Jahr auf eine Aufrechnung verzichtet. Es handelt sich dabei nicht um einen Freibetrag: Ist der Einkaufsbetrag in einem Jahr grösser als Fr. 12‘000 und wird innerhalb der nächsten drei Jahre eine Leistung in Kapitalform bezogen, wird der ganze Einkaufsbetrag aufgerechnet (soweit die Kapitalleistung den Einkaufsbetrag übersteigt) und die Kapitalleistung um den aufgerechneten Einkaufsbetrag reduziert besteuert.“
Das Kantonale Steueramt Zürich ist mit der Veröffentlichung dieser Praxis – soweit uns bekannt ist – der erste Kanton, welcher eine konkrete Betragsgrenze für die Abzugsanerkennung von geringfügigen Einkaufsbeiträgen offiziell veröffentlichte.
V. FAZIT
Bei Einkäufen in die 2. Säule mit nachfolgendem Kapitalbezug ist steuerrechtlich Folgendes zu beachten:
– Die Dreijahresfrist nach Art. 79b Abs. 3 BVG gilt auch für die steuerrechtliche Beurteilung. D.h. sämtliche Einkäufe mit Kapitalbezug innerhalb der Dreijahresfrist werden steuerlich nicht akzeptiert bzw. die Abzugsberechtigung verweigert. Die Gründe für einen allenfalls ungeplanten vorzeitigen Kapitalbezug sind nicht relevant. Für die Einhaltung der Dreijahresfrist ist eine Gesamtbetrachtung pro steuerpflichtige Person vorzunehmen.
– Falls die Steuerveranlagung der Steuerperiode, in welcher ein Einkauf in die 2. Säule als Abzug geltend gemacht wurde, bereits definitiv ist, wird eine nachträgliche Korrektur im Nachsteuerverfahren vorgenommen. Sollte der Einkaufsbetrag nicht als Abzug akzeptiert werden, wird der aufgerechnete Betrag bei der Besteuerung der nachfolgenden Kapitalzahlung steuermindernd angerechnet.
– Das Bundesgericht lässt im vorerwähnten Entscheid Spielraum, Einkäufe in geringem Umfang unberücksichtigt zu lassen. Das Kantonale Steueramt Zürich hat nun festgelegt, wie hoch die Grenze ist, damit noch von einem geringfügigen Einkaufsbetrag gesprochen werden kann: Max. CHF 12‘000 pro Jahr. Inwieweit andere Kantone geringfügige Einkaufsbeträge zur Reduktion des steuerbaren Einkommens akzeptieren, ist ungewiss, weil (bis jetzt) keine offiziellen Beitragsgrenzen publiziert wurden.
Falls Einkäufe in die 2. Säule als Optimierungsinstrument für die Reduktion der Steuerbelastung geplant sind, sollte man die Dreijahresfrist beachten und evtl. innerhalb der Dreijahresfrist nur entsprechend geringfügige Einkäufe vornehmen.
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23. März 2015 / Tamara Tormen, dipl. Steuerexpertin