DIE ERRUNGENSCHAFTSBETEILIGUNG
Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher, Rechtsanwältin und Fachanwältin SAV Familienrecht
Im Falle einer Eheschliessung besteht die Möglichkeit, eine Gütergemeinschaft oder eine Gütertrennung zu vereinbaren. Für beides bedarf es des Abschlusses eines Ehevertrages. Die Errungenschaftsbeteiligung dagegen, welche als sogenannter ordentlicher Güterstand der meist verbreitete Güterstand ist, bedarf keiner besonderen Vereinbarung und gilt mit Eheschliessung von Gesetzes wegen. Im Folgenden werden die Grundzüge der Errungenschaftsbeteiligung behandelt und deren rechtliche Folgen erörtert:
I. DIE ERRUNGENSCHAFTSBETEILIGUNG IM ALLGEMEINEN
Sofern die Ehegatten nichts anderes vereinbart haben, gilt von Gesetzes wegen der ordentliche Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung. Dies bedeutet, dass sämtliche während der Ehe angehäuften Vermögenswerte im Falle einer Aufhebung der Errungenschaftsgemeinschaft je hälftig geteilt werden. Dieses Vorgehen soll dem Umstand Rechnung tragen, dass zumeist mit der Geburt eines Kindes von den Ehegatten unterschiedliche Aufgaben wahrgenommen werden, mithin ein Ehegatte sich gegebenenfalls mehrheitlich unentgeltlich um die Belange der Kinder kümmert. In dieser Zeit sind seine Einkommens- und Ansparungsmöglichkeiten geringer als die des nach wie vor erwerbstätigen Ehegatten, womit der die Kinder betreuende Ehegatte finanziell schlechter steht. Um beide Ehegatten finanziell gleichzustellen, ist im Falle einer Beendigung des ordentlichen Güterstandes ein Ausgleich vorgesehen, wobei derjenige Ehegatte mit einem geringeren oder gar keinem Einkommen profitiert. Die in der Ehe erworbenen Vermögenswerte werden gleich unter den Ehegatten verteilt, um eine Gleichbehandlung beider Ehegatten trotz unterschiedlicher Rollenteilung zu gewährleisten. Aus dieser Berechnung ausgeklammert werden Eigengüter, mithin Schenkungen eines Ehegatten oder auch voreheliches Vermögen, da nur das in der Ehe erwirtschaftete Vermögen einer Teilung zugänglich ist. Keine Auswirkungen hat die Errungenschaftsbeteiligung bei der Haftung der Ehegatten. So haftet nach wie vor jeder Ehegatte für seine eigenen Verbindlichkeiten, sofern der andere Ehegatte der eingegangenen Verbindlichkeit nicht zustimmt oder aber es sich um Ausgaben des täglichen Bedarfs handelt.
Grundsätzlich besteht die Vermutung, dass in der Ehe erworbene Vermögenswerte in die Errungenschaft fallen, mithin im Falle einer Auflösung des Güterstandes zwischen den Ehegatten je hälftig zu teilen sind. Folglich obliegt es dem Ehegatten nachzuweisen, wenn ein von ihm beanspruchter Vermögenswert nicht der Errungenschaft, sondern dem Eigengut unterfällt und damit einer Teilung entzogen ist. Grundsätzlich nicht in die Errungenschaft fallen Gegenstände des persönlichen Gebrauchs oder sogenannte Ersatzanschaffungen für Eigengut. Bei der Ersatzanschaffung geht es nicht um einen Zweck-, sondern um Wertersatz, womit für die Zuordnung des neu erworbenen Gegenstandes auf die Herkunft der dafür aufgewendeten Mittel abzustellen ist. So gehört ein Lottogewinn zur Errungenschaft, wenn das Los mit Errungenschaftsmitteln erworben wurde. Ein alter Schreibtisch hingegen, der vor etlichen Jahren mit Errungenschaftsmitteln finanziert wurde und nun durch einen neuen Schreibtisch ersetzt wird, fällt ins Eigengut, wenn der Schreibtisch mit Eigengutsmitteln bezahlt wird.
II. VERTRAGLICHE MÖGLICHKEITEN
Im Ehegüterrecht besteht der Grundsatz der Unveränderlichkeit der Gütermassen. Das heisst, dass dem Eigengut unterfallende Vermögenswerte niemals in die Masse der Errungenschaft fallen. Diese starre Regelung kann gemäss Art. 199 ZGB ehevertraglich korrigiert werden. Das Gesetz sieht vor, dass bestehende Vermögenswerte der Errungenschaft, die für die Ausübung eines Berufes oder den Betrieb eines Gewerbes bestimmt sind, übereinstimmend von den Ehegatten zu Eigengut erklärt werden können. Auch steht es den Ehegatten frei, ehevertraglich zu vereinbaren, dass Erträge aus dem Eigengut nicht in die Errungenschaft fallen.
III. VERFÜGUNG ÜBER VERMÖGENSWERTE
Üblicherweise nutzt jeder Ehegatte sein eigenes Vermögen und ist auch für dessen Verwaltung zuständig, Verfügungsbeschränkungen bestehen grundsätzlich nicht. Ausnahmen bestehen lediglich bei der Nutzung einer ehelichen Wohnung, welche zum Schutz der Familie nur mit ausdrücklicher Zustimmung des anderen Ehegatten gekündigt werden kann. Auch kann das Gericht auf Antrag Massnahmen festlegen, die einer Verfügungsbeschränkung gleichkommen, soweit dies die Sicherung der wirtschaftlichen Grundlagen der Familie erfordert (Art. 178 ZGB). So können Grundbuchsperren über das Gericht verfügt werden, wenn zu befürchten steht, dass ein Ehegatte im Hinblick auf die bevorstehende Scheidung die Liegenschaft veräussert. Befindet sich ein Gegenstand im Miteigentum beider Ehegatten, können die Ehegatten nur mit Zustimmung des jeweils anderen über diesen Gegenstand verfügen, sofern nichts anderes vereinbart ist.
IV. SCHULDEN
Schulden sind nach ihrem Entstehungszeitpunkt zu unterscheiden: Sind die Schulden vor dem Abschluss der Ehe entstanden, belasten sie immer das Eigengut und damit das voreheliche Vermögen des jeweils betroffenen Ehegatten. Sind die Schulden während der Ehe entstanden, handelt es sich immer dann um gemeinsame Schulden, wenn diese den Unterhalt der Familie betreffen, womit die Schulden der Errungenschaft zugewiesen werden.
V. BEENDIGUNG DES GÜTERSTANDES
Der Güterstand kann sowohl durch eine Scheidung, den Tod eines Ehegatten oder die vertragliche Begründung eines neuen Güterstandes (Gütergemeinschaft oder Gütertrennung) enden. Folge ist die güterrechtliche Auseinandersetzung, im Rahmen derer die in der Ehe erwirtschafteten Güter je hälftig zu teilen sind. Wie bereits erwähnt, werden persönliche Schenkungen an einen der Ehegatten und voreheliche Vermögenswerte von der Auseinandersetzung ausgeklammert. In der Regel unproblematisch ist die Aufteilung von Kontoguthaben, die per Stichtag und damit im Falle einer Scheidung per Einreichung Scheidung hälftig auf die Ehegatten verteilt werden. Weitaus schwieriger ist die Auseinandersetzung bei Vermischung von vorehelichen Ansparungen mit in der Ehe erwirtschafteten Einkommen. In derartigen Fällen lässt sich nur schwer nachweisen, dass ein Teil der Guthaben aus vorehelichen Mitteln stammt, womit die Vermutung greift, dass vorhandenes Vermögen als Errungenschaft gilt.
Problematisch sind
des Weiteren Auseinandersetzungen von in der Ehe zu je hälftigem Miteigentum
erworbenen Liegenschaften. Dies deshalb, da allfällige Mehrwerte proportional
zur Investition der Ehegatten aufzuteilen sind. Wird eine eheliche Liegenschaft
demzufolge mehrheitlich von einem Ehegatten aus vorehelichen Mittel finanziert
und leistet beispielsweise der andere Ehegatte keinen Beitrag, fällt dem
vorfinanzierenden Ehegatten auch ein allfälliger Mehrwert im proportionalen
Umfang seiner Beteiligung zu. Auch hier ist zu beweisen, dass die Finanzierung
der Liegenschaft aus Eigengutsmitteln erfolgt ist, was eine vollumfängliche
Dokumentation der Geldflüsse im Bestreitensfall des anderen Ehegatten erfordert.
Unproblematisch ist die Auseinandersetzung der Liegenschaften dann, wenn beide
Parteien im gleichen Umfang zur Finanzierung beigetragen haben, da in diesen
Fällen eine hälftige Aufteilung des Gewinns erfolgt.
Massgeblicher Wert
für die güterrechtliche Auseinandersetzung ist der Verkehrswert und damit der
aktuelle Marktwert des Vermögensgegenstandes. Geteilt wird grundsätzlich der
Nettoverkehrswert und damit der Verkehrswert nach Abzug aller Schulden.
Demzufolge sind laufende Gebühren, Abgaben und Steuerlasten sowie
Handänderungskosten und ähnliches vom Gewinn in Abzug zu bringen. Werden
Vermögenswerte nicht veräussert, gilt dies grundsätzlich auch für latente, nur
schätzungsweise festzustellende Lasten (wie z.B. latente Steuern auf einem
Säule 3a-Konto), was teils in Vergessenheit gerät.
Nach Ermittlung sämtlicher Aktiven und Passiven steht jedem Ehegatte die Hälfte des Vorschlags des anderen zu, wobei die gegenseitigen Forderungen zu verrechnen sind. Auszugleichen ist damit die Hälfte jener Differenz, welche sich daraus ergibt, dass der kleine Vorschlag vom grösseren abgezogen wird. Die so vorgesehene gesetzliche Vorgehensweise ist deshalb vonnöten, weil ein sogenannter Rückschlag und damit ein Passivum eines Ehegatten bei der Errungenschaftsbeteiligung unbeachtlich bleibt, mithin der andere Ehegatte niemals mehr abzugeben hat als die Hälfte seines Vorschlags.
3. Juni 2020 / Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher, Rechtsanwältin und Fachanwältin SAV Familienrecht