ANERKENNUNG AUSLÄNDISCHER SCHEIDUNGSURTEILE
Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher, Rechtsanwältin und Fachanwältin SAV Familienrecht
Vorsicht ist geboten, wenn Scheidungen im Ausland ausgesprochen werden, da hier ggf. Gründe vorliegen, die einer Anerkennung im Inland entgegenstehen. Die Folge ist, dass die Scheidung nur in demjenigen Land gilt, in welchem sie beantragt wurde. Dies führt dazu, dass Ehegatten, welche beispielsweise in der Türkei rechtskräftig geschieden wurden, in der Schweiz als noch verheiratet gelten. Denn anerkannt werden im Ausland vorgenommene Scheidungen nur, wenn das mit der Scheidung befasste Gericht zuständig war und der im Ausland ergangene Entscheid endgültig ist, mithin keine Rechtsmittel mehr eingelegt werden können, Art. 25 IPRG. Eine Anerkennung wird darüber hinaus verweigert, wenn es an einer ordnungsgemässen Vorladung fehlt, wobei für die Zustellung von behördlichen Schriftstücken bestimmte Zustellvoraussetzungen erfüllt sein müssen. Dieser Umstand ermöglicht es, sich einem im Ausland anhängigen Verfahren zu entziehen, was Unklarheiten mit sich bringt.
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I. ANERKENNUNG VON AUSLÄNDISCHEN URTEILEN
Anerkannt werden ausländische Urteile, wenn diese die Vorraussetzungen der Art. 25 ff. IPRG erfüllen. Das IPRG setzt hierbei zum einen voraus, dass ein im Ausland zuständiges Gericht einen rechtskräftigen Entscheid erlassen hat. Zum anderen kann eine Anerkennung des so erlassenen Entscheides nur erfolgen, wenn nicht gegen den ordre public und damit die grundlegenden Wertvorstellungen der Schweiz verstossen wird. Um das rechtliche Gehör zu gewährleisten, muss für die beklagte Partei die Möglichkeit bestehen, am Verfahren teilzunehmen, was bestimmte Zustellvorschriften gewährleisten sollen.
Entzieht sich ein Beklagter dem Prozess, indem er behauptet, vom laufenden Verfahren nichts gewusst zu haben, liegt es am Kläger, das Gegenteil zu beweisen. Dies wird ihm nur gelingen, wenn er nachzuweisen vermag, dass die beklagte Partei entweder nach dem Recht an ihrem Wohnsitz oder nach dem Recht an ihrem gewöhnlichen Aufenthaltsort gehörig geladen wurde. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn sich der/die Beklagte vorbehaltlos auf das Verfahren eingelassen hat. Wird ein Scheidungsverfahren im Ausland geführt, müssen – sofern der bzw. die Beklagte in der Schweiz Wohnsitz hat – vorgegebene Zustellungsvorraussetzungen eingehalten worden sein. Zwingend zu beachten ist hierbei das Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und aussergerichtlicher Schriftstücke im Ausland. Sofern das betreffende Land diesem Abkommen beigetreten ist, müssen Urkunden gemäss diesem Übereinkommen an sogenannte Zustellungsbehörden adressiert werden. Ausländische Schriftstücke und Rechtshilfeersuchen können subsidiär auch an das Bundesamt für Justiz übermittelt werden. Dieses leitet das Ersuchen an die kantonalen Zentralbehörden weiter. Welche Behörde national für die Zustellung zuständig ist, richtet sich nach dem Anliegen der ausländischen Behörde. Je nach Verfügung sind unterschiedliche Zustellbehörden zuständig, was die Gefahr der falschen Zustellung birgt. Die unmittelbare Zustellung einer ausländischen Urkunde durch die Post ist damit unzulässig, womit es an einer ordnungsgemässen Zustellung fehlt.
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II. MISSBRAUCH DES ZUSTELLERFORDERNISSES
Grundsätzlich gilt, dass ein im Ausland ergangener Entscheid dann nicht anerkannt werden kann, wenn Urkunden nicht über die hierfür vorgesehenen Zustellungsbehörden zugestellt wurden. Allerdings fraglich ist, wie es sich auswirkt, wenn sich in Kenntnis eines im Ausland anhängigen Verfahrens die beklagte Partei dem Verfahren bewusst entzieht. In dem Vertrauen darauf, dass Post über die zuständigen Behörden zugestellt werden muss, kann sich die Person einem Verfahren bei erfolgter Zustellung per Post problemlos entziehen; dies insbesondere dann, wenn ein im Ausland entscheidendes Gericht von einer Zustellung an die hierfür vorgesehene Behörde z.B. deshalb abgesehen hat, da es aus seiner Sicht und nach seinen eigenen örtlichen Regeln bereits korrekt zugestellt hat.
In derartigen Fällen ist sinnvollerweise danach zu unterscheiden, ob dem Beklagten ein Vorsatz zu unterstellen ist, sich dem Verfahren zu entziehen, was dann anzunehmen ist, wenn die betroffene Person nachweislich von dem laufenden Verfahren Kenntnis erlangt hat, sich auf dieses allerdings nicht einlässt, um hieraus Vorteile für sich zu ziehen. In einem derartigen Fall würden die Normen der Zustellung, welche das rechtliche Gehör gewährleisten sollen, missbraucht, weshalb ein derartiges Verhalten nicht gebilligt werden kann. Denn das Erfordernis einer formal korrekten Zustellung ist dann fraglich, wenn es einer Person problemlos möglich ist, sich am Verfahren zu beteiligen.
Dies gilt umso mehr, als für im Inland lebende Prozessbeteiligte eine sogenannte Zustellfiktion von Urkunden gilt (7 Tage nach erfolgter Zustellung), sofern sie in Kenntnis eines laufendes Verfahrens Schriftstücke nicht annehmen. Folglich stehen inländische Bürger, welche die Annahme der Post verweigern, schlechter, als Bürger, welche auf die fehlende ordnungsgemässe Zustellung über eine Zustellungsbehörde hinweisen und von einer Beteiligung am Verfahren bewusst absehen.
Einem Missbrauch der für das Ausland teils komplizierten Zustellungsvorraussetzungen ist durch eine Einzelfallbetrachtung Rechnung zu tragen. Zwar liegen Entscheide darüber vor, dass mangels Kenntnis eines Beklagten und einer nicht erfolgten ordnungsgemässen Zustellung eine Anerkennung eines ausländischen Scheidungsurteils nicht möglich ist. Allerdings fehlt es an der gerichtlichen Beurteilung eines Falles, wonach trotz fehlender korrekter Zustellung Kenntnis über das im Ausland anhängige Verfahren besteht, weshalb in diesem Punkt Unklarheit herrscht.
Wer ein im Ausland anhängiges Verfahren trotz bestehender Kenntnis hierüber ignoriert und sich auf eine fehlerhafte Zustellung beruft, trägt das Risiko, die nicht ordnungsgemäss erfolgte Zustellung gleichwohl gegen sich gelten lassen zu müssen.
30. September 2021 / Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher, Rechtsanwältin und Fachanwältin SAV Familienrecht
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