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DER UNTERHALT UND SEINE TÜCKEN

Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher, Rechtsanwältin und Fachanwältin SAV Familienrecht

Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher, Fachanwältin SAV Familienrecht bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

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I. ALLGEMEINES

Mit einer Trennung von Ehegatten sind deren rechtliche Folgen zu regeln und damit unter anderem die Belange der Kinder, das Güterrecht und der Unterhalt. Insbesondere die Höhe des zu zahlenden Unterhalts bietet Anlass zur Diskussion, weshalb nicht selten das Gericht hierüber zu befinden hat. Gerade in letzter Zeit hat das Bundesgericht seine Vorgaben für die Berechnung von Unterhalt konkretisiert, worauf in dem folgenden Artikel eingegangen wird:      

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A) KINDERUNTERHALT

Beim Unterhalt ist der Kinderunterhalt vom Ehegattenunterhalt zu unterscheiden. Der Kinderunterhalt setzt sich aus einem sogenannten Bar- und einem Betreuungsunterhalt zusammen, wobei der Barunterhalt die tatsächlichen Kosten des Kindes deckt. Der Betreuungsunterhalt soll einen Ausgleich dafür schaffen, dass einer der Ehegatten einer Erwerbstätigkeit nur im reduzierten Pensum nachgeht, um die Betreuung gemeinsamer Kinder sicherzustellen. Der Kinderunterhalt ist ungeachtet der Volljährigkeit eines Kindes bis zum Abschluss einer angemessenen Erstausbildung geschuldet. Mit der Volljährigkeit ist allerdings zumindest aus juristischer Sicht eine Betreuung des Kindes nicht mehr geschuldet, weshalb die Eltern ab dann im Verhältnis ihrer finanziellen Möglichkeiten für den Unterhalt des Kindes gemeinsam aufzukommen haben.

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B) EHEGATTENUNTERHALT

Des Weiteren schuldet ein Ehegatte dem anderen Unterhalt, sofern der unterhaltsberechtigte Ehegatte nicht in der Lage ist, für seinen eigenen gebührenden Bedarf aufzukommen. Zu berücksichtigen sind hierbei die trennungsbedingten Mehrkosten, welche durch die Gründung eines zweiten Haushalts anfallen. Allerdings wird Unterhalt nur bis zur Grenze der eigenen Leistungsfähigkeit geschuldet. Einen Eingriff in das Existenzminium muss der Unterhaltsschuldner nicht hinnehmen.

Der unterhaltsberechtigte Ehegatte hingegen hat für das Manko und damit seinen durch Unterhalt nicht gedeckten Bedarf selbst aufzukommen. Ist es dem unterhaltsberechtigten Ehegatten nicht möglich, dieses Manko durch ein eigenes Einkommen zu decken, wird er Sozialhilfe beziehen müssen. Diese ist anders als der Unterhalt eine Art Vorschussleistung der zuständigen Gemeinde, welche später im Falle ausreichend erzielter Einkünfte bzw. vorhandenen Vermögens zurückbezahlt werden muss.

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II. METHODE DER UNTERHALTSBERECHNUNG

Der Unterhalt errechnet sich gemäss der jüngsten bundesgerichtlicher Rechtsprechung nach der sogenannten 2-stufigen Methode, im Rahmen derer der Bedarf der Parteien konkret ermittelt und allfällige Überschüsse auf die Familienmitglieder verteilt werden. Ist also der Barbedarf der Ehegatten und der Kinder gedeckt und verbleibt hiernach ein Einkommen, wird dieses als Überschuss auf die vorhandenen Familienmitglieder nach grossen und kleinen Köpfen verteilt. Die Kinder können lediglich die Hälfte des den Eltern zustehenden Überschusses für sich beanspruchen (sogenannte kleine Köpfe).

Möglich ist eine Berechnung des persönlichen Unterhalts auch nach der sogenannten konkreten Methode. Hierbei hat der fordernde Ehegatte seine Bedarfspositionen darzulegen und – sofern diese bestritten werden – zu beweisen, ohne dass ein allfälliger Überschuss verteilt wird. Die Höhe des Unterhalts ist dann auf den ausgewiesenen Bedarf begrenzt.

Sinnvoll ist die Anwendung der konkreten Methode in überdurchschnittlichen finanziellen Verhältnissen, im Rahmen derer die Einnahmen die Ausgaben der Ehegatten massiv übersteigen. In derartig günstigen finanziellen Verhältnissen lässt das erzielte Einkommen keine Rückschlüsse auf den Lebensstandard der Ehegatten zu, weshalb Überschüsse nicht verteilt werden dürfen. Dies deshalb, da mit Unterhalt nicht gespart werden soll, weshalb Überschüsse nur dann zu verteilen sind, wenn dies die Beibehaltung des ehelichen Lebensstandards erfordert.

Da bei durchschnittlichen Einkommensverhältnissen mit der Verteilung des Überschusses in der Regel der in der Ehe gelebte Lebensstandard für beide Ehegatten beibehalten wird, hat das Bundesgericht mit seiner im Februar 2021 veröffentlichen Rechtsprechung schweizweit die 2-stufige Methode für verbindlich anwendbar erklärt. Diese Berechnungsmethode gilt sowohl für in Trennung lebende Ehegatten als auch für den nachehelichen Unterhalt. Unterschiede bestehen beim nachehelichen Unterhalt im Wesentlichen darin, dass letzterer gegebenenfalls auch einen Vorsorgeunterhalt umfasst. Des Weiteren endet mit der Scheidung die bis dahin bestehende eheliche Solidarität (clean break), womit die Erwerbsobliegenheit des unterhaltsbegehrenden Ehegatten steigt, die sich am Alter der gemeinsamen noch zu betreuenden Kinder orientiert.

Ob, wie lange und wie viel Unterhalt verlangt werden kann, stellt einen Einzelfallentscheid dar. Dem Gericht kommt bei seiner Beurteilung ein weites Ermessen zu, weshalb die Unterhaltshöhe von Fall zu Fall stark variieren kann.

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A) ERWERBSOBLIEGENHEIT

Da die Erwerbsobliegenheit des die Kinder betreuenden Elternteils mit deren Alter steigt, werden zumeist mehrere Phasen berechnet, welche dem Alter des Kindes gerecht werden (Schulstufenmodell). So besteht eine Erwerbsobliegenheit im Umfang von 50% für den das gemeinsame Kind betreuenden Ehegatten frühestens mit Eintritt des Kindes in den Kindergarten. Dieses Pensum ist mit dem Übertritt des jüngsten Kindes in die Oberstufe, zumeist wenn es 12-jährig wird, auf 80% aufzustocken.  Mit dem 16. Geburtstag des Kindes wird dem betreuenden Elternteil eine Vollzeittätigkeit zugemutet. Liegen die Einkommensverhältnisse des betreuenden Elternteils unter den jeweils geforderten Pensen, wird analog zum massgeblichen Schulstufenmodell ein hypothetisches Einkommen ermittelt und für die Unterhaltsberechnung herangezogen.

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B) PLAFONIERUNG UNTERHALTSHÖHE

Bei der Ermittlung des Unterhalts greift das Gericht zumeist auf eigene interne Berechnungstabellen zurück, mit welchen anhand des Einkommens und der Bedarfspositionen der Parteien ein Trennungs- und Scheidungsunterhalt errechnet wird.

Unberücksichtigt lassen die von den Gerichten herangezogenen Berechnungstabellen allerdings den Umstand, dass die Unterhaltsansprüche auf den zuletzt gemeinsam gelebten Lebensstandard zu begrenzen sind und damit auf die Lebensführung vor der Trennung.

Unter Zugrundelegung des im Zeitpunkt der Trennung zuletzt erzielten Einkommens der Ehegatten ist demzufolge zu prüfen, was die Familie im Jahr vor der Trennung verbraucht hat (Referenzperiode). Übersteigen die nach der Unterhaltsberechnung ermittelten Forderungen die zum Zeitpunkt der Trennung benötigten Mittel, können weder Frau noch Kinder einen darüberhinausgehenden Betrag für sich beanspruchen (Plafonierung des Unterhalts). Insbesondere aufgrund einer nach der Trennung aufgestockten oder neu ausgeübten Erwerbstätigkeit kann sich der ermittelte Überschuss massiv erhöhen, weshalb dieser nicht einfach nach den üblichen Teilungsgrundsätzen auf die Familienmitglieder aufgeteilt werden kann. Vielmehr bedarf es hier einer zweiten Rechnung, mit welcher in Anwendung der 2-stufigen konkreten Methode der Überschuss während des Zusammenlebens ermittelt wird, wobei hierfür auf das Jahr vor der Trennung abgestellt wird. Die Obergrenze des nachehelichen Unterhalts entspricht somit dem familienrechtlichen Existenzminimum bei Getrenntleben zuzüglich des betragsmässig unveränderten Anteils am früheren gemeinsamen Überschuss.

Das familienrechtliche Existenzminimum, mithin der Verbrauchsunterhalt der Familie, ist dann schwer zu ermitteln, wenn die Trennung bereits vor mehreren Jahren vollzogen wurde. In derartigen Fällen hat sich aufgrund der vollzogenen Trennung nicht nur der Bedarf der Parteien massiv geändert, sondern gegebenenfalls auch das noch während der Trennung erzielte Einkommen.

Entscheidend ist darauf abzustellen, dass Einkommenssteigerungen des Unterhaltspflichtigen, welche gegebenenfalls auf einen Karrieresprung nach erfolgter Trennung zurückzuführen sind, keine Berücksichtigung finden, sofern der Bedarf des berechtigten Ehegatten voll gedeckt ist, mithin kein Manko verbleibt. Ausschlaggebend für die Unterhaltsberechnung ist demzufolge nicht das zum Zeitpunkt der Scheidung erzielte Einkommen des Unterhaltspflichtigen, sondern das während der Trennung erzielte Einkommen. Für die Ermittlung des zuletzt gemeinsam gelebten Lebensstandards muss demzufolge vollumfänglich auf die vor der Trennung bestehende finanzielle Situation der Familie abgestellt werden. Anhaltspunkte hierfür ergeben sich aus der Steuererklärung, welcher sich unter anderem die Krankenkassenbeiträge, die Berufsauslagen und der Zins für Wohneigentum entnehmen lässt.

Unter Berücksichtigung der anerkannten Grundbeträge und damit demjenigen für Ehegatten während des Zusammenlebens von   CHF 1’700.00, für Kinder bis zu 10 Jahren von CHF 400.00 und hiernach CHF 600.00, lässt sich der gemeinsam gelebte Lebensstandard beziffern. Diesem Betrag werden sämtliche Einnahmen der Familie zum Zeitpunkt der Trennung gegenübergestellt und damit die Einnahmen beider Ehegatten (inklusive Kinderzulage). Ergibt sich hieraus eine Differenz, wäre diese um eine allfällige Sparquote zu bereinigen, welche nachweislich im Jahr vor der Trennung erzielt worden sein muss.

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C) SPARQUOTE

Zur Sparquote gehören sämtliche Ansparungen, wie freiwillige Einzahlung in die 2. und die 3. Säule.  Zum Teil werden hierzu auch Ausgaben gezählt, welche nicht dem alltäglichen Bedarf zuzuordnen sind, wie beispielsweise der Kauf eines neuen PWs und Amortisationszahlungen. Verbleibt nach Abzug dieser für das Jahr vor der Trennung nachweislich erzielten Sparquote ein Überschuss, ist dieser Überschuss auf die Anzahl der Familienmitglieder zu verteilen. Übersteigen die nach der 2-stufigen Berechnungsmethode ermittelten Unterhaltsansprüche bzw. die zur Verfügung stehenden Mittel auf Seiten des unterhaltsansprechenden Ehegatten und der Kinder diese Plafonierungsgrenze, ist der Unterhalt entsprechend zu kürzen. Bei den Kindern kommt zudem eine Kürzung hoher Überschussanteile auch aus erzieherischen Gründen in Frage.


26. Januar 2022 / Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher, Rechtsanwältin und Fachanwältin SAV Familienrecht

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