BONUS ODER GRATIFIKATION – WIE SICH ARBEITGEBER VOR BONUSFORDERUNGEN SCHÜTZEN KÖNNEN
MLaw Kim Wysshaar, Rechtsanwältin
Das Bundesgericht musste sich kürzlich erneut mit der Frage befassen, ob eine konkrete Bonusvereinbarung Lohnbestandteil oder eine freiwillige Gratifikation darstellt (Urteil des BGer 4A_169/2021 vom 18. Januar 2022). Bonusvereinbarungen bilden immer wieder Thema gerichtlicher Prozesse, da die einzelnen Vertragsbestimmungen oft unklar formuliert sind und Arbeitgeber sich trotz Intention einer freiwilligen Sondervergütung dazu verpflichten, einen Bonus als Lohnbestandteil auszubezahlen. Dies vor dem Hintergrund, dass die Abgrenzung zwischen Bonus als variabler Lohnbestandteil und freiwilliger Sondervergütung für den Arbeitgeber oft schwierig und die Rechtsprechung hierzu zahlreich ist. Nachfolgend soll deshalb kurz zusammengefasst aufgezeigt werden, wie zwischen Bonus als Lohnbestandteil und freiwilliger Gratifikation unterschieden wird, welche Konsequenzen sich je nach Qualifikation der vereinbarten Bonusklausel für den Arbeitgeber ergeben können und worauf Arbeitgeber bei der vertraglichen Formulierung achten sollten.
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I. VARIABLER LOHNBESTANDTEIL ODER GRATIFIKATION?
Das Bundesgericht hatte sich in seinem Urteil 4A_169/2021 vom 18. Januar 2022 mit der Frage zu befassen, ob es sich beim vereinbarten Bonus gestützt auf die Vertragsklausel «Variable Pay: 20% of annual base salary, pro rata temporis (Payment in March of the following year, based on achievement of the agreed business and individual objectives)” um einen Lohnbestandteil oder um eine freiwillige Sondervergütung im Sinne einer Gratifikation handelt.
Ein Bonus im Sinne einer Gratifikation bzw. einer freiwilligen Sondervergütung liegt nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung vor, wenn der Bonus an sich bzw. dessen Höhe mindestens in einem gewissen Mass vom Ermessen des Arbeitgebers abhängt. Zudem darf dem Bonus im Verhältnis zum Lohn nur eine zweitrangige Bedeutung zukommen und nicht das eigentliche Entgelt für die Arbeitsleitung darstellen. Ob ein Bonus vom Ermessen des Arbeitgebers abhängt, ist sodann durch Auslegung der konkreten Vertragsklausel zu bestimmen. Wird beispielsweise vertraglich festgehalten, dass der Arbeitnehmer Anspruch auf einen jährlichen Bonus von CHF 20’000.00 hat, stellt dieser Betrag einen fixen Lohnbestandteil dar. Denn die Höhe des Bonus liegt nicht mehr im Ermessen des Arbeitgebers. Das Gleiche gilt, wenn der Bonus zwar zahlenmässig nicht fest vereinbart wurde, aber objektiv bestimmbar ist. Auch in diesem Fall, ist die Höhe des Bonus nicht mehr vom Ermessen des Arbeitgebers abhängig. Wird die Auszahlung eines Bonus vertraglich beispielsweise vom Erreichen eines bestimmten Umsatzes oder Gewinns oder von persönlichen Zielen, die objektiv messbar sind, abhängig gemacht, ist die Höhe des Bonus objektiv bestimmbar und der vereinbarte Bonus stellt einen Lohnbestandteil dar. Entsprechend kam das Bundesgericht in seinem Urteil 4A_169/2021 vom 18. Januar 2022 zum Schluss, dass der vertraglich mit obgenannter Klausel vereinbarte Bonus Lohnbestandteil darstelle. Dies mit der Begründung, dass dem Arbeitgeber bei der Kalkulation des konkreten Bonus zwar ein Ermessen zustand, dies jedoch zu wenig ausgeprägt sei, um von einer freiwilligen Gratifikation auszugehen. Ein Ermessen des Arbeitgebers wird nach ständiger Rechtsprechung somit nur bejaht, wenn die Ausrichtung des Bonus von einer subjektiven Einschätzung der persönlichen Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber abhängig gemacht wird und diese subjektive Einschätzung allfällig zusätzliche objektive Kriterien, wie das Erreichen eines bestimmten Umsatzes, überwiegt.
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II. UNTERSCHIEDLICHE RECHTSFOLGEN
Aus der Unterscheidung zwischen Bonus als Lohnbestandteil und Bonus als Gratifikation ergeben sich unterschiedliche Rechtsfolgen. Da ein Bonus, welcher als Lohn qualifiziert wird, unbedingt geschuldet ist, ist dieser auch auszurichten, wenn sich der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Ausrichtung in einem gekündigten Verhältnis befindet. Scheidet der Arbeitnehmer vor Ablauf einer Bonusperiode aus dem Unternehmen aus, hat er dennoch Anspruch auf einen Anteil (pro rata) am vertraglich vereinbarten Bonus. Dies gilt auch, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer während der Kündigungsfrist von seiner Arbeitsleistung freistellt, oder wenn der Arbeitnehmer aus persönlichen Gründen, wie Krankheit, an der Arbeitsleistung verhindert ist und der Arbeitgeber zur Lohnfortzahlung verpflichtet ist.
Wird ein vertraglich festgelegter Bonus hingegen als Gratifikation qualifiziert, hat der Arbeitnehmer lediglich Anspruch auf Ausrichtung des Bonus, wenn dies verabredet wurde (Art. 322d Abs. 2 OR). Hierfür ist eine über-einstimmende Willenserklärung der Parteien erforderlich, welche sich üblicherweise aus Vertrag ergibt, jedoch auch stillschweigend erfolgen kann. Das Bundesgericht geht von einem stillschweigenden Anspruch auf Auszahlung einer Gratifikation aus, wenn diese während mindestens dreier Jahre ununterbrochen und vorbehaltlos ausbezahlt wurde. Will der Arbeitgeber verhindern, dass der Arbeitnehmer einen stillschweigenden Anspruch auf Ausrichtung eines Bonus erwirkt, muss er den Arbeitnehmer jeweils explizit darauf hinweisen, dass die Ausrichtung freiwillig erfolgt. Ein solcher Freiwilligkeitsvorbehalt könnte selbstverständlich bereits im Arbeitsvertrag oder in einem Personalreglement festgehalten werden. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung scheint ein allgemeiner Freiwilligkeitsvorbehalt – zumindest im jetzigen Zeitpunkt – aber nicht zu genügen. Es empfiehlt sich daher, den Vorbehalt bei jeder konkreten Ausrichtung von Boni wiederholt anzubringen, um einem stillschweigenden Anspruch auf Ausrichtung einer Gratifikation zu verhindern.
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III. FAZIT
Gerichtliche Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit Boni sind meist auf unklare Vertragsklauseln zurückzuführen, aus welchen nicht klar hervorgeht, ob ein Lohnbestandteil oder eine freiwillige Gratifikation vereinbart werden wollte. Selbst wenn jedoch eine freiwillige Gratifikation vereinbart wurde, können Arbeitgeber aufgrund jahrelanger und vorbehaltloser Ausrichtung einer solchen verpflichtet werden, dem Arbeitnehmer einen Bonus zu bezahlen. Arbeitgebern, welche ihren Arbeitnehmenden bei guten Leistungen und guten Geschäftsergebnissen einen Bonus ausrichten möchten, hierzu aber nicht verpflichtet werden wollen, ist deshalb folgendes zu empfehlen:
-Die Vertragsklausel betreffend Bonus muss klar und verständlich formuliert werden. Es muss daraus eindeutig ersichtlich sein, dass es sich bei der Auszahlung von Boni um freiwillige Sondervergütungen handelt, auf welche der Arbeitnehmer keinen Anspruch hat.
-Darüber hinaus sollte vertraglich festgehalten werden, dass die Ausrichtung eines Bonus im alleinigen Ermessen des Arbeitgebers liegt.
-Werden in der Folge dennoch wiederholt Boni an bestimmte Arbeitnehmer ausgerichtet, ist entscheidend, dass bei jeder einzelnen Ausrichtung ein Freiwilligkeitsvorbehalt angebracht wird, ansonsten die Gefahr besteht, dass ein Bonus trotz Qualifikation als Gratifikation geschuldet ist.
23. März 2022 / MLaw Kim Wysshaar