KÜNDIGUNG VOR STELLENANTRITT
MLaw Kim Wysshaar, Rechtsanwältin
Der neue Arbeitsvertrag ist unterschrieben und der Stellenantritt festgesetzt. Was aber, wenn die betriebliche Lage eine Neueinstellung doch nicht zulässt oder der Arbeitnehmer in der Zwischenzeit ein besseres Angebot erhalten hat? Kann der Arbeitsvertrag in diesen Fällen bereits vor Antritt der Stelle wieder aufgelöst werden? Falls ja, welche Kündigungsfrist gilt und ist die Stelle trotzdem anzutreten?
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I. BEENDIGUNG DES ARBEITSVERHÄLTNISSES IM ALLGEMEINEN
Ein Arbeitsverhältnis kann entweder einseitig durch (ordentliche/fristlose) Kündigung oder in gegenseitigem Einvernehmen der Parteien aufgelöst werden. Sofern sich die Parteien betreffend Auflösung einig sind, ist eine Auflösung in gegenseitigem Einvernehmen in der Regel auch in Abweichung zu den vertraglichen Regelungen problemlos möglich. Vorbehalten bleiben die gesetzlich zwingenden Bestimmungen.
Bei einer einseitigen Kündigung durch die Arbeitgeberin oder den Arbeitnehmer sind dahingegen sowohl die vertraglichen als auch die gesetzlichen Bestimmungen zu beachten. Dazu gehören die vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist oder, wenn keine spezielle Kündigungsfrist vereinbart wurde, die gesetzlichen Kündigungsfristen nach Art. 335a ff. OR.
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II. BEENDIGUNG VOR DEM STELLENANTRITT
Soll das Arbeitsverhältnis bereits vor Stellenantritt wieder aufgelöst werden, stellt sich die Frage, inwiefern dies überhaupt einseitig durch Kündigung möglich ist. Das Gesetz regelt diesen Fall nicht ausdrücklich und in der Lehre war die Frage lange Zeit umstritten. Die heute herrschende Lehre bejaht jedoch die Zulässigkeit einer Kündigung vor Stellenantritt.
Weiterhin unklar ist jedoch, welche Kündigungsfrist bei einer Kündigung vor Stellenantritt gilt und wann diese zu laufen beginnt. In den meisten Arbeitsverträgen fehlen nämlich konkrete Regelungen zur Kündigung vor Stellenantritt und in der Lehre sowie der kantonalen Rechtsprechung werden dazu verschiedene Meinungen vertreten.
Ein wesentlicher (und zurzeit vorherrschender) Teil der Lehre sowie einzelne Gerichte vertreten die Ansicht, dass die Kündigungsfrist erst mit dem Stellenantritt zu laufen beginnt. Entsprechend müsste die Arbeitsstelle trotz Kündigung vor Stellenantritt angetreten werden.
Folgt man diesem Ansatz, entsteht sowohl für die Arbeitgeberin als auch den Arbeitnehmer in der Regel eine unbefriedigende Situation. Einerseits wird ein Arbeitnehmer verpflichtet, eine Stelle anzutreten, welche er bereits wieder gekündigt hat bzw. welche von der Arbeitgeberin bereits wieder gekündigt wurde. Andererseits wird die Arbeitgeberin zu Lohnzahlungen verpflichtet, obwohl sie den Arbeitnehmer gar nicht mehr einstellen wollte bzw. dieser bereits wieder gekündigt hat.
Ein anderer Teil der Lehre und einzelne Gerichte (darunter insbesondere auch das Kantonsgericht St. Gallen im Urteil BZ.2009.95 vom 25. März 2010, E. 1a) vertreten deshalb die Ansicht, dass die Kündigungsfrist bereits mit dem Zugang der Kündigung zu laufen beginnt. Bei rechtzeitigem Zugang der Kündigung wäre die Stelle somit nicht anzutreten. Begründet wird dies damit, dass die Kündigungsfrist nach Stellenantritt ebenfalls bereits mit dem Zugang der Kündigung zu laufen beginne. Die Abweichung von diesem Grundsatz bei Kündigungen vor Stellenantritt würde deshalb einen zwingenden Grund voraussetzen. Ein solcher dürfte in der Praxis aber kaum je dargelegt werden können, da die Stelle gar noch nicht angetreten wurde. Der eigentliche Zweck der Kündigungsfrist liegt nämlich darin, den Parteien Zeit zu geben, eine neue Stelle bzw. eine Neubesetzung für die Stelle zu finden. Wird die Kündigungsfrist eingehalten, ist dieses Ziel unabhängig vom Stellenantritt erfüllt.
In der Lehre und Rechtsprechung besteht sodann nicht nur Uneinigkeit in Bezug auf die Frage, ab wann die Kündigungsfrist zu laufen beginnt, sondern auch betreffend die Frage, welche Kündigungsfrist gelten soll. Der überwiegende Teil der Lehre vertritt die Meinung, dass für die Kündigung vor Stellenantritt die Kündigungsfrist während der Probezeit gelten soll (vgl. Art. 335b OR). Die Mindermeinung vertritt hingegen die Ansicht, dass bei Kündigungen vor Stellenantritt die ordentliche Kündigungsfrist zur Anwendung kommen soll, da sie nicht während der Probezeit ausgesprochen wird.
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III. RISIKEN BEI NICHTANTRETEN DER STELLE
Folgt man der herrschenden Lehre hinsichtlich des Beginns der Kündigungsfrist, müsste der Arbeitnehmer seine Stelle somit auch bei einer Kündigung vor Stellenantritt antreten. Tritt der Arbeitnehmer die Stelle nicht an, kann dies ein ungerechtfertigtes Nichtantreten der Arbeitsstelle im Sinne von Art. Art. 337d Abs. 1 OR darstellen. Die Arbeitgeberin könnte in diesem Fall eine Entschädigung gegenüber dem Arbeitnehmer geltend machen, welche einem Viertel des vereinbarten Monatslohnes entspricht. Die Arbeitgeberin müsste den Anspruch aber innert 30 Tagen nach Nichtantritt mittels Klage oder Betreibung geltend machen, andernfalls ist der Anspruch verwirkt (Art. 337d Abs. 3 OR).
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III. FAZIT
Eine Kündigung vor Stellenantritt ist unter Einhaltung der gesetzlichen oder vertraglichen Kündigungsfristen und -termine auch vor Stellenantritt zulässig. Welche Kündigungsfrist dabei zur Anwendung kommt und ab wann diese Kündigungsfrist zu laufen beginnt, kann aufgrund der unterschiedlich vertretenen Meinungen in der Rechtsprechung und der Lehre jedoch nicht abschliessend beantwortet werden. Sofern eine Kündigung vor Antritt der Stelle ausgesprochen werden soll, empfiehlt es sich deshalb, vorgängig die verschiedenen Folgen einer solchen Kündigung sowie die Möglichkeit einer einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses genau zu prüfen. Ferner ist auch die kantonale Praxis der Gerichte zu berücksichtigen.
20. August 2024 / MLaw Kim Wysshaar