NEUE PARTNERSCHAFT NACH SCHEIDUNG: FOLGEN UND GESTALTUNGSSPIELRAUM IM FALLE EINER NEUEN PARTNERSCHAFT DES GESCHIEDENEN EHEGATTEN BZW. EINER PATCHWORK-FAMILIE (UNTERHALT, SOZIALVERSICHERUNG UND ERBRECHT)

lic. iur. Martin Kuhn, Rechtsanwalt und Fachanwalt SAV Familienrecht

lic. iur. Martin Kuhn, Rechtsanwalt und Fachanwalt SAV Familienrecht bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

Angesichts der unverändert hohen Anzahl von Scheidungen, welche auch jüngere Ehegatten (oft mit Kindern) treffen kann, stellt sich nicht selten die Frage, welche Auswirkungen eine neue Liebe bzw. eine neue Partnerschaft auf die scheidungsrechtlichen Verpflichtungen hat bzw. wie die neue Partnerschaft rechtlich auszugestalten ist. Die nachfolgenden Ausführungen und Empfehlungen zu den Folgen einer neuen Partnerschaft (auf den Scheidungsunterhalt, auf sozialversicherungsrechtliche Ansprüche und auf das Erbrecht) bzw. zu den Möglichkeiten zur Absicherung/ Begünstigung des neuen Partners sind keinesfalls vollständig, sollen aber aufzeigen, was es zu bedenken gibt und dass sich eine fachkundige Beratung durchaus lohnt.

I. UNTERHALT (KINDERUNTERHALT UND SCHEIDUNGSRENTE)

a)
Unabhängig davon, ob mit der neuen Partnerin ein Konkubinat begründet oder wieder geheiratet wird, hat die neue „Beziehung» des verpflichteten Exgatten in der Regel keine Auswirkungen auf bestehende Verpflichtungen aus einem Scheidungsurteil. Sowohl der Kinderunterhalt als auch die Scheidungsrente bleiben geschuldet, sofern nicht aufgrund eines weiteren Kindes des Pflichtigen und der Ansprüche dieses nachehelichen Kindes (auf Bar- und Betreuungsunterhalt) der eigene Bedarf des Pflichtigen in relevantem Umfang steigt. Ein Anspruch auf Abänderung des Unterhalts für die Kinder aus der geschiedenen Ehe bzw. der Scheidungsrente besteht aber auch diesfalls nur dann, wenn der steigende Bedarf nicht durch andere Bemessungskriterien ausgeglichen wird, bspw. durch ein zwischenzeitlich gestiegenes Einkommen, die Einsparungen im Falle des Zusammenlebens mit der neuen Partnerin/ Kindsmutter, etc.

b)
Auf Seiten der berechtigten Partei, d.h. des abgeschiedenen Exgatten, dem eine Scheidungsrente zugesprochen wurde, kann die neue Liebe schon bald gewichtige Folgen haben, wenn sie zu einem gemeinsamen Haushalt führt. Dies zwar nicht beim Kinderunterhalt, der vorbehältlich des unter Ziffer 1.1. Gesagten nicht abgeändert werden kann, wohl aber beim eigenen Rentenanspruch, lässt doch die Zweitehe, d.h. die Wiederverheiratung, diesen per sofort – ungeachtet der konkreten Verhältnisse – erlöschen. Im Falle eines Konkubinates können die damit verbundenen Einsparungen dazu führen, dass der Rentenanspruch herabgesetzt oder gar aufgehoben wird. Das Festhalten an einem Rentenanspruch trotz längerem und/ oder eheähnlichem Konkubinat kann als Rechtsmissbrauch neben der Herabsetzung auch eine Sistierung oder gar das Erlöschen der Rentenverpflichtung zur Folge haben.

Gut bedient ist, wer die möglichen Veränderungen der Lebenssituation des Berechtigten, bei der Scheidung mit einer – zeitlich und betraglich vernünftigen – Konkubinatsklausel geregelt hat, welche die Herabsetzung bzw. den Wegfall der Rente im Konkubinatsfall regelt und damit allen Beteiligten Rechtsunsicherheit und aufwendige Abänderungsverfahren erspart.

II. AUSWIRKUNGEN IM BEREICH DER SOZIALVERSICHERUNGEN

a)
Auf Seiten beider Exgatten kann im Todesfall der Konkubinatspartner in der 2. Säule unter bestimmten Voraussetzungen – üblicherweise wird eine bestimmte Konkubinatsdauer und werden Unterstützungsleistungen vorausgesetzt – profitieren, wogegen das Konkubinat alleine noch keine Hinterlassenenansprüche (Witwenrente) der AHV begründet. Erst mit einer Heirat hat der Zweitehegatte sowohl in der 2. Säule als auch in der AHV einen Anspruch auf Witwenrenten. Für Kinder aus der ersten oder der neuen Beziehung spielt es demgegenüber keine Rolle, ob ein Konkubinat oder eine Zweitehe bestehen: Stirbt der leibliche Vater oder die leibliche Mutter, so haben sie ungeachtet der Beziehung der Eltern zu neuen Partnern einen Anspruch auf Halbwaisenrenten der 1. und der 2. Säule.

b)
Beim abgeschiedenen Exgatten gilt es vorab zu beachten, dass eine neue Partnerschaft auf Seiten des Verpflichteten (Konkubinat oder Wiederverheiratung) auf die Kinder aus der ersten Ehe keinerlei Auswirkungen hat. Ihnen steht unter den gesetzlichen Voraussetzungen im Falle des Todes eines Elternteils ein Waisenrentenanspruch zu. Wenig bekannt ist, dass in vielen Fällen auch der abgeschiedene Ehepartner mit einem Scheidungsrentenanspruch Ansprüche auf Witwenrenten der AHV und der 2. Säule hat, wobei letztere maximal den effektiven Ausfall decken.

Zu bedenken gilt es auf Seiten des Berechtigten allerdings, dass eine neue Partnerschaft in Form eines Konkubinates diese allfälligen Ansprüche auf Hinterlassenenleistungen trotz Scheidung nicht beeinträchtigt, bei Wiederverheiratung aber der Rentenanspruch grundsätzlich erlischt und nur ausnahmsweise (auch bei einer späteren Scheidung der Zweitehe) wieder auflebt.

III. GÜTER- UND ERBRECHTLICHE FOLGEN BZW. GESTALTUNGSMÖGLICHKEITEN

a)
Der abgeschiedene Exehegatte verliert mit der Scheidung jeglichen eigenen Erbanspruch, weshalb ein Konkubinat oder eine Zweitehe auf Seite des verpflichteten Exgatten keine Auswirkungen haben kann. Noch offene güterrechtliche Forderungen werde durch den Tod des Verpflichteten nur insoweit beeinflusst, als sich diese neu gegen dessen Erbengemeinschaft richten.

b)
Auf die Kinder aus erster Ehe hat der Tod des geschiedenen Elternteils im Falle eines Konkubinates insoweit keine Auswirkungen, als ihr Pflichtteilsanspruch von 3/4 der Hinterlassenschaft weiterhin gilt. Heiratet ein Elternteil allerdings wieder und trifft er entsprechende letztwillige Verfügungen (siehe unten), so kann der pflichtteilsgeschützte Erbanspruch der Kinder aus erster Ehe auf nur noch 3/8 sinken: Aus Sicht der Kinder aus erster Ehe ist die Wiederverheiratung des geschiedenen Elternteils ein Nachteil, der sich im Zuge der laufenden Gesetzgebung noch verschärfen könnte, weil namentlich eine Erhöhung der verfügbaren Quoten und ein «Mindesterbrecht» eines neuen Konkubinatspartners diskutiert werden. Selbstverständlich beeinflusst wird die Höhe des Erbanspruchs der Kinder aus erster Ehe auch durch die Geburt weiterer Kinder, die einen gleichrangigen und gleich hohen Erbanspruch erwerben: Der zu Gunsten der Kinder nicht entziehbare Pflichtteil sinkt diesfalls wegen der grösseren Anzahl gleichberechtigter Nachkommen.

c)
Analog zum Obigen hat der abgeschiedene Elternteil im Falle einer neuen Partnerschaft diverse Gestaltungsmöglichkeiten, namentlich zur Begünstigung neuer gemeinsamer Kinder und/ oder des Konkubinatspartners bzw. des neuen Ehegatten. Da der neue Ehegatte nicht nur ein gesetzliches eigenes Erbrecht hat, sondern mit der Wiederverheiratung auch die verfügbare Quote steigt, ist aus erbrechtlicher Sicht im Falle einer erwünschten Begünstigung des neuen Partners (zulasten der Kinder aus erster Ehe) unverändert der Wiederverheiratung der Vorzug zu geben, da damit die dem neuen Partner zuwendbare Erbquote von 1/4 auf 5/8 steigt. Wird zudem berücksichtigt, dass nur der neue Ehegatte für Erbanfälle steuerbefreit ist, wogegen auch ein langjähriger Konkubinatspartner erhebliche steuerliche Lasten zu gewärtigen hat – und wird ferner berücksichtigt, dass der neue Ehegatte auch vorsorgerechtlich (nicht nur in der 1. und 2. Säule. sondern auch in der Säule 3a) einen gesicherten Leistungsanspruch hat -, so ist in vielen Fällen die Wiederverheiratung die bessere Lösung: Die Vorteile überwiegen derzeit noch bestehende Nachteile der Zweitehe gegenüber dem Konkubinat im Bereich der laufenden Steuern und der Höhe der AHV- Renten (Plafonierung).

d)
Entscheiden sich die neuen Partner trotzdem gegen eine Heirat (Zweitehe), so ist unbedingt zu klären, ob bzw. wie der neue Partner in der 2. Säule bzw. in der Säule 3a begünstigt werden kann, was gegebenenfalls nur nach einer gewissen Zeit möglich bzw. nur dann gültig ist, wenn die spezifischen formellen Voraussetzungen (bspw. Begünstigungserklärungen an die Pensionskasse, etc.) befolgt werden. Uneingeschränkt zulässig und erbrechtlich nicht anfechtbar ist die Begünstigung von neuem Konkubinats- oder Ehepartner durch eine Todesfallrisikoversicherung, da deren Leistungen dem überlebenden neuen Partner nicht nur sofort Liquidität sichern, sondern auch ausserhalb des Erbrechts stehen und daher von den Kindern aus erster Ehe nicht angefochten werden können.

e)
Den Bedenken, dass man mit einer Zweitehe neuerlich ein Scheidungsrisiko eingeht, kann durch einen geeigneten Ehevertrag Rechnung getragen werden, mit dem zumindest nicht gewollte güterrechtliche Folgen bei einem Schei- tern der Zweitehe – im Falle eines neuen Konkubinates gibt es keine solchen Ansprüche – ausgeschlossen werden können. Das Unterhaltsrisiko im Falle einer Zweitscheidung dürfte in aller Regel geringer sein, weil ohne neue Kinder die neuen Ehegatten zur Eigenversorgung in der Lage sind oder altersbedingt mit höheren oder längeren Unterhaltsansprüchen des neuen Ehepartners nicht zu rechnen ist. Selbstverständlich muss dies aber im Einzelfall überprüft werden.

f)
Soll der neue Partner (Konkubinatspartner oder neuer Ehegatte) zwar erbrechtlich maximal aber nur vorübergehend begünstigt werden, so bietet das Erbrecht auch hierfür geeignete Instrumente: Als Erbanspruch kann dem Ehegatten – ganz oder teilweise – nur die Nutzniessung am Nachlass überlassen werden (Sicherung des Verbleibs in einer dem Erblasser gehörende Liegenschaft) oder es kann über die Anordnung einer Nacherbschaft die Weitervererbung an die Kinder des neuen Ehegatten verhindert bzw. der Rückfall an die Kinder aus erster Ehe nach dem Tod des neuen Ehegatten gesichert werden.

g)
Ganz allgemein besteht bei umfassenden Patchwork – Familien mit einseitig bzw. beidseitig vorehelichen (und allenfalls neuen gemeinsamen) Kindern ein grosser Regelungsbedarf. Was im Einzelfall gewollt oder möglich und sinnvoll ist, gilt es fachmännisch – auch unter Berücksichtigung aller latenter Steuerfolgen – abzuklären. Nur dies garantiert, den Willen der Beteiligten mittels letztwilliger Verfügung, Ehevertrag oder Erbvertrag (sowie Begünstigungserklärungen gegenüber Versicherungen und Sozialversicherungen) rechtssicher zu gestalten und durchzusetzen.

IV. FAZIT

Wie das Obige zeigt, sind die Folgen einer neuen Liebe, die sich in einem Konkubinat oder einer Zweitehe niederschlägt, zumindest zu bedenken und ist diesen gegebenenfalls ebenso Rechnung zu tragen wie den verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten. Mehr ins Detail zu gehen, würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Im Vordergrund steht der konkrete Wille der Klientschaft: In der Praxis reichen die Absichten der Klientschaft von einer maximalen (lebzeitigen und/oder erbrechtlichen) Begünstigung des neuen Partners bis zum Gegenteil, nämlich dem vollen Schutz der Ansprüche der Kinder (aus erster Ehe) und somit der Möglichkeit, den neuen Partner mit Ehegütertrennung- und Erbverzichtsvertrag von Ansprüchen gänzlich bzw. weitestgehend auszuschliessen.

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10. April 2019 / lic. iur. Martin Kuhn, Rechtsanwalt und Fachanwalt SAV Familienrecht