DER GRENZÜBERSCHREITENDE VERSORGUNGSAUSGLEICH AUS DEUTSCHER SICHT
Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher, Rechtsanwältin und Fachanwältin SAV Familienrecht
I. WAS IST DER VERSORGUNGSAUSGLEICH?
Mit dem sogenannten Vorsorge-, bzw. Versorgungsausgleich werden die in der Ehe erworbenen Rentenanwartschaften, mithin Leistungen für eine zumeist in der Zukunft bezogene Rente im Falle einer Scheidung hälftig unter den Ehegatten geteilt.
II. GRENZÜBERGREIFENDE PROBLEME
Aus deutscher Sicht ist die Regelung des Vorsorgeausgleichs (in Deutschland Versorgungsausgleich) dann, wenn einer der Ehegatten Anwartschaften bzw. Guthaben während der Ehe im Ausland erworben hat, problematisch. So sieht der deutsche Versorgungsausgleich vor, ausländische Anwartschaften bei der Teilung zu berücksichtigen, wobei das Familiengericht die entsprechenden Auskünfte direkt bei den ausländischen Vorsorgeeinrichtungen und damit den Vorsorgeträgern einholen kann (§ 220 FamFG). Hier ergeben sich die ersten Schwierigkeiten, da ausländische Vorsorgeeinrichtungen, sofern diese denn überhaupt über ein vergleichbares System mit dem in Deutschland verfügen, keine Auskünfte erteilen. So ist man teils auf die Informationsbeschaffung durch die Parteien angewiesen, wobei der Wahrheitsgehalt der erteilten Auskünfte nur schwer überprüfbar ist. Um neutrale und verlässliche Angaben zu erhalten, beauftragen deutsche Familiengerichte teils einen Gutachter, der die ausländischen Anwartschaften abklärt, was massive zeitliche Verzögerungen nach sich zieht.
Sinn und Zweck der zwischenstaatlichen Berechnung ist es, Versicherte so zu stellen, als hätten sie ihr gesamtes Versicherungsleben nach deutschen Rechtsvorschriften zurückgelegt. Die mitgliedstaatlichen Zeiten erhalten bei der Berechnung zunächst den sich aus den deutschen Beitragszeiten ergebenden Durchschnittswert der Entgeltpunkte (theoretischer Betrag). Die Einbeziehung der mitgliedstaatlichen Zeiten in die deutsche Berechnung kann sich auf die Bewertung beitragsfreier Zeiten günstig auswirken, weil sich der Gesamtleistungswert durch die mitgliedstaatlichen Zeiten erhöht.
III. AUSGLEICH DER IN DER SCHWEIZ ERWORBENEN ANWARTSCHAFTEN
Ein öffentlich-rechtlicher Ausgleich von in der Schweiz erworbenen Vorsorgeguthaben durch ein deutsches Gericht ist nicht möglich. So sind dementsprechend auch die schweizerischen Vorsorgeeinrichtungen nur auf der Grundlage eines schweizerischen Entscheides verpflichtet, die Vorsorgeguthaben zu teilen. Gleichwohl muss das mit der Scheidung befasste deutsche Familiengericht sämtliche Informationen betreffend die ausländischen Anwartschaften einholen. Dem Umstand, dass die Anwartschaften in der Schweiz durch ein deutsches Familiengericht nicht geteilt werden können, kann zum Beispiel durch eine Entschädigung oder Verrechnung mit den auszugleichenden Anrechten begegnet werden kann.
a)
So verweist § 19 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 4 Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG) für ausländische Anwartschaften auf einen Abfindungsanspruch (§ 23 ff. VersAusglG). Es besteht dementsprechend also die Möglichkeit, in der Schweiz erworbene Anwartschaften durch eine Abfindung zu entschädigen, womit auf ein separates in der Schweiz durchzuführendes Verfahren verzichtet werden kann. Voraussetzung für eine Abfindung ist, dass der Anspruch hinreichend gefestigt ist und damit unverfallbar. Von Unverfallbarkeit spricht man, wenn ein Anrecht, welches durch eine künftige betriebliche oder berufliche Entwicklung eines Arbeitnehmers nicht mehr beeinträchtigt werden kann und somit als endgültig gesichert gilt.
b)
Des Weiteren besteht die Möglichkeit, die Parteien auf den sogenannten schuldrechtlichen Versorgungsausgleich zu verweisen. Im Gegensatz zu der durch das deutsche Familiengericht vorzunehmenden Teilung deutscher Anwartschaften im Wege des Versorgungsausgleichs als einer öffentlich-rechtlichen Massnahme verpflichtet sich beim schuldrechtlichen Versorgungsausgleich die auszugleichende Partei zu einer Zahlung, ohne dass diese über das Gericht von Amtes wegen vorzunehmen ist. Üblicherweise findet sich in deutschen Scheidungsurteilen ein Verweis auf den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich, wonach die Parteien sich nach rechtskräftiger Scheidung verpflichten, ihre – beispielsweise in der Schweiz – erworbenen Vorsorgeguthaben in der Regel hälftig separat und damit ohne das deutsche Familiengericht aufzuteilen. Allerdings bedarf es aus schweizerischer Sicht bei der übereinstimmenden Teilung der in der Schweiz erworbenen Vorsorgeleistungen eines gerichtlichen Entscheides, womit es eines separaten Verfahrens bedarf, im Rahmen derer bei Gericht die Teilung und Zuweisung der Vorsorgeleistung an den bereits geschiedenen Ehegatten beantragt wird. Sind sich die Parteien einig, kann auf eine Verhandlung verzichtet werden. Das Gericht weist dann den von den Parteien übereinstimmend bezifferten Betrag der vorhandenen Vorsorge dem anderen Ehegatten zu. Zuständig ist in diesen Fällen das Gericht am Sitz der Vorsorgeeinrichtung.
IV. AUSSCHLUSS DES VERSORGUNGSAUSGLEICHS
Sind neben deutschen Anwartschaften auch schweizerische Vorsorgeguthaben zu teilen, kann es zum Ausschluss einer Teilung deutscher Vorsorgeguthaben kommen. Dies deshalb, da der oben erwähnte schuldrechtliche Versorgungsausgleich einer privaten Parteivereinbarung vorbehalten ist, mithin kein zwingender hoheitlicher Akt hierfür erforderlich ist und dieser somit im Vergleich zu dem vom deutschen Gericht vorzunehmenden Versorgungsausgleich als unsicher qualifiziert wird. Vor diesem Hintergrund wird teils vertreten, dass ein Wertausgleich der in Deutschland erworbenen Anrechte zu unterbleiben hat, da diese im Rahmen einer Scheidung unwiederbringlich verloren gingen, wobei der Erhalt entsprechender Anwartschaften des anderen Ehegatten im Ausland unklar bleibt, was als unbillig qualifiziert wird. Dementsprechend kann es im Falle fehlender Einigkeit hinsichtlich des Verbleibs von Vorsorgeguthaben dazu kommen, dass eine Teilung der in Deutschland erworbenen Anwartschaften für unbillig erachtet wird, da zumindest aus deutscher Sicht nicht mit Sicherheit eine Teilung der in der Schweiz erworbenen Guthaben erfolgt.
In einem derartigen Fall ist die unterbliebene Teilung aufgrund Unbilligkeit im Wege eines Ergänzungsverfahrens vor dem schweizerischen Gericht zu berücksichtigen, indem die Parteien von einer hälftigen Teilung absehen und eine um die in Deutschland bestehende Rente (ungeteilte Rente) angepasste Teilung vornehmen. Insofern können die Parteien Vereinbarungen treffen und von einer hälftigen Teilung absehen. Ein derartiges Vorgehen ist gerade im Hinblick auf die in der Schweiz mit Gesetzesänderung von 2017 deutlich flexibler ausgestaltete Teilung der Vorsorge möglich.
V. FAZIT
Der Ausgleich von im Ausland erworbenen Anwartschaften ist durch ein ausländisches Gericht nicht vorgesehen, da die Teilung von im Inland erworbenen beruflichen Anwartschaften (Vorsorgeleistungen) üblicherweise den eigenen Gerichten vorbehalten bleibt. Ob eine Vorsorgeeinrichtung auf der Grundlage eines ausländischen Urteils eine Teilung vornimmt, ist demzufolge immer konkret abzuklären. Sind im Ausland erworbene Anwartschaften zu teilen, kann ein Ausgleich durch Vereinbarungen auf schuldrechtlicher Ebene vorgenommen werden.
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23. Januar 2019 / Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher, Rechtsanwältin und Fachanwältin SAV Familienrecht
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