DER WOHNWERTVORTEIL NACH DEUTSCHEM RECHT – EIN IN DER SCHWEIZ FEHLENDES INSTRUMENT BEI DER BERECHNUNG VON UNTERHALT?

Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher, Rechtsanwältin und Fachanwältin SAV Familienrecht

I. WAS IST DER WOHNWERTVORTEIL?

Das mietfreie Wohnen im Eigenheim stellt nach deutschem Recht einen geldwerten Vorteil dar, der bei der Berechnung von Unterhalt zu berücksichtigen ist. Der sogenannte Wohnwertvorteil hat eine Erhöhung des unterhaltsrelevanten Einkommens um fiktive Einnahmen zur Folge. Ein Wohnwertvorteil ist bei jeder Unterhaltsberechnung, d.h. bei Trennungs-, nachehelichem-, und Kindesunterhalt zu berücksichtigen. Die Höhe des Wohnwertvorteils bestimmt sich entweder nach dem objektiven oder nach dem angemessenen Wohnwert. Der objektive Wohnwert entspricht der zu zahlenden Miete nach Mietspiegel. Der angemessene Wohnwert entspricht dem Mietwert einer  entsprechend kleineren Wohnung und liegt damit zumeist unter dem objektiven Mietwert. Nach Ablauf des Trennungsjahres, spätestens mit Rechtshängigkeit der Scheidung, wird die Höhe des objektiven Mietwertes angerechnet.

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II. AUSWIRKUNGEN DES WOHNWERTS

Der Wohnwert kann sich bei der Berechnung des Unterhalts nach Trennung oder Scheidung für beide Ehegatten auswirken. Bewohnt der unterhaltsberechtigte Ehegatte nach der Trennung oder Scheidung die im Eigentum stehende Liegenschaft, verringert sich grundsätzlich sein Unterhaltsanspruch. Dies geht unter Umständen sogar soweit, dass aufgrund des zu berücksichtigenden Wohnwerts kein Unterhalt geschuldet wird. Hingegen führt die Anrechnung eines Wohnwertes auf Seiten des Unterhaltsschuldners zu fiktiven Einnahmen und demzufolge zu einer erhöhten Leistungsfähigkeit, was höhere Unterhaltszahlungen zur Folge hat

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III. ABZUGSFÄHIGE POSITIONEN

Abzugsfähig vom Wohnwert sind verbrauchsunabhängige Nebenkosten (Grundsteuer und Gebäudeversicherung, usw.), wobei die Amortisation, mithin die Tilgung nur bis zur Einreichung der Scheidung berücksichtigt werden darf. Die verbrauchsabhängigen Kosten für Strom, Heizung, Müllabfuhr, etc. (vergleichbar mit einem Mietverhältnis) werden nicht abgezogen.

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IV. NEGATIVER WOHNWERT

Übersteigen die zu berücksichtigenden Kosten und Aufwendungen den Wohnwert, kann ein negativer Wohnwert bei der Berechnung des Unterhalts zu berücksichtigen sein.

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V. NUTZUNGSVERGÜTUNG STATT WOHNVORTEIL

Zieht ein Ehegatte aus der im Eigentum beider oder im Alleineigentum stehenden Liegenschaft aus, kann er spätestens ab der endgültigen Trennung eine sogenannte Nutzungsentschädigung vom anderen Ehegatten verlangen.

Die Höhe der Nutzungsentschädigung berechnet sich bei Miteigentum nach Ablauf des Trennungsjahres nach dem halben Mietwert der Liegenschaft. Maßgeblich ist als Ausgangswert die marktübliche Miete. Im Rahmen des billigen Ermessens sind die wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehegatten von Bedeutung.
Wird bei der Berechnung des Unterhalts ein Wohnvorteil berücksichtigt, kann keine Nutzungsentschädigung geltend gemacht werden.

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VI. WOHNWERTVORTEIL IN DER SCHWEIZ?

In der Schweiz werden Wohnwertvorteile nicht berücksichtigt, was nicht zuletzt an der unterschiedlichen Unterhaltsberechnung der beiden Länder (Deutschland und Schweiz) liegt. Wird in der Schweiz der Bedarf der Parteien individuell ermittelt und vorhandene Einkünfte in Abhängigkeit dieses Bedarfs verteilt, kommt es in Deutschland auf den Bedarf der Parteien nur bei überdurchschnittlichen Einkommensverhältnissen an. Anders als in der Schweiz werden in Deutschland die vorhandenen Einkommen der Ehegatten in der Regel (inkl. fiktiver Einnahmen) auf die Parteien verteilt, ohne auf die konkreten Ausgaben (insbesondere Miete, Krankenkassenbeiträge und Steuern) abzustellen. Folglich schliesst man ausgehend von den vorhandenen finanziellen Mitteln auf den Bedarf der Parteien, womit sich das deutsche Unterhaltsrecht erheblich von dem in der Schweiz unterscheidet. In der Schweiz wird das Bewohnen von Eigentum durch die verglichen mit der zu zahlenden Miete geringe Zinsbelastung (tiefere Wohnkosten) bedarfsreduzierend berücksichtigt, weshalb es der Anrechnung eines Wohnwertvorteils nicht bedarf.

In beiden Ländern dürfen Schuldtilgungen nach Einreichung der Scheidung nicht mehr zu Lasten des anderen Ehegatten berücksichtigt werden, da es sich hierbei um vermögensbildende Zahlungen handelt.

Erst wenn die Kosten für den Verbleib eines der Ehegatten in der ehelichen Liegenschaft diejenigen einer angemessenen Miete übersteigen, sind Korrekturen notwendig, die allerdings in der Schweiz mangels der in Deutschland vorherrschenden Rechtsprechung eines anzurechnenden Wohnwerts durch fiktive geringere Wohnkosten vorzunehmen sind (zumeist nach einer anzurechnenden angemessenen Übergangsfrist, die einen Auszug ermöglicht). Allerdings könnten fiktive Mieteinkünfte in der Schweiz ähnlich einem Wohnwertvorteil dann anzurechnen sein, wenn eine Liegenschaft zumindest teilweise vermietet werden kann und sich der in dieser Liegenschaft verbleibende Ehegatte deswegen nicht – gemessen am ehelichen Lebensstandard – einschränken muss. Denkbar ist dies beispielsweise im Fall einer Einliegerwohnung.


15. März 2023 / Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher, Rechtsanwältin und Fachanwältin SAV Familienrecht




DIE FINANZIELLEN FOLGEN EINES OBHUTWECHSELS

Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher, Rechtsanwältin und Fachanwältin SAV Familienrecht

Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher, Fachanwältin SAV Familienrecht bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

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Trennen sich Paare mit gemeinsamen Kindern, ist die Frage des Kinderunterhalts von der Obhut abhängig und damit von der Frage, wer das bzw. die Kinder mehrheitlich betreut. Derjenige Elternteil, der ein Kind mehrheitlich betreut, kann in der Regel von dem nicht betreuenden Elternteil einen Kinderunterhalt verlangen. Betreuen beide Eltern nahezu im gleichem Umfang, ist diesem Umstand auch beim Unterhalt Rechnung zu tragen, da beide Elternteile für die Kosten ihrer Kinder aufkommen. Doch was passiert, wenn der Unterhalt festgelegt wurde und das Kind nun zum anderen Elternteil zieht? Der folgende Artikel beschäftigt sich mit den Folgen eines solchen Obhutswechsels für bereits festgelegte Unterhaltsbeiträge.

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I. ALLGEMEINES

Von der Obhut zu unterscheiden ist die elterliche Sorge. Die elterliche Sorge berechtigt und verpflichtet beide Elternteile, wesentliche Entscheide betreffend das gemeinsame Kind zusammen zu treffen. Die Obhut dagegen beschränkt sich auf die tatsächlich ausgeübte Betreuung eines Kindes, welche ganz von einem Elternteil oder aber auch gemeinsam ausgeübt werden kann (alternierende Obhut). Da derjenige Elternteil, bei dem das Kind wohnt, seinen Beitrag durch die tatsächliche Betreuung leistet, hat der andere Elternteil die Kosten des Kindes durch Zahlung eines Unterhalts (Barunterhalt) zu leisten. Hiervon zu unterscheiden ist der sogenannte Betreuungsunterhalt, der neben dem Barunterhalt das ungedeckte Existenzminimum des betreuenden Elternteils finanziell kompensieren soll.

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II. UNTERHALT

Sind Unterhaltsbeträge vereinbart und auch gerichtlich genehmigt worden, lassen diese sich auch zwangsweise mit einer Betreibung durchsetzen, sofern Zahlungsrückstände aufgelaufen sind. Grundlage muss hierbei wahlweise ein einvernehmlich vereinbarter Unterhalt sein, der mit einer provisorischen Rechtsöffnung durchgesetzt werden kann oder aber ein durch eine Behörde in Form eines Entscheides festgelegter Unterhaltsbetrag, der mit einer definitiven Rechtsöffnung zu betreiben ist. Durchgesetzt werden können Unterhaltsbeiträge auch mit einer sogenannten Drittschuldneranweisung, im Rahmen derer das Gericht bei Zahlungsverweigerung des Schuldners dessen Arbeitgeber verpflichtet, den geschuldeten Unterhalt vor Auszahlung des Lohnes direkt auf das Konto des betreuenden Elternteils zu bezahlen. Bei der zwangsweisen Durchsetzung von Unterhalt prüft das Gericht den Inhalt des zugrundeliegenden Entscheides nicht neu. Vielmehr ist das die Rechtsöffnung/ Anweisung vornehmende Gericht an den Inhalt des zugrundeliegenden Entscheides gebunden und hat lediglich das Existenzminimum des Lohnempfängers zu wahren, sofern der Unterhaltsschuldner nicht durch Urkunden nachweisen kann, den geforderten Unterhalt tatsächlich bezahlt zu haben.

Wechselt nun trotz einer vorhandenen Unterhaltsregelung das Kind zum anderen bisher nicht betreuenden Elternteil, ist der Entscheid über die Unterhaltsverpflichtung weiterhin existent. Mit dem Umzug des Kindes wird die Unterhaltsregelung also nicht automatisch hinfällig, womit auf der Grundlage des Entscheides der Unterhalt weiterhin gefordert und betrieben werden kann. Möglich ist dies deshalb, weil ein Entscheid seine Wirksamkeit so lange beibehält, bis dieser durch entsprechende Feststellung eines zuständigen Gerichts abgeändert und auf die neue Situation angepasst wird. Problematisch ist dieser Umstand deshalb, weil ein begründeter Antrag auf Korrektur bzw. Anpassung eines Entscheides auf die neue gelebte Betreuungssituation Zeit in Anspruch nimmt. So vergehen aufgrund der massiven Überlastung der Gerichte zwischen Antragstellung auf Abänderung bis zur Verhandlung üblicherweise mindestens 3 Monate. Aufgrund der Möglichkeiten, die jeweiligen Stellungnahmefristen der Parteien zu erstrecken, vergehen bis zur Verhandlung sogar teils weit über 6 Monate. In dieser Zeit kann der das Kind ursprünglich betreuende Elternteil die Unterhaltsbeiträge auf der Grundlage des noch geltenden Entscheides nach wie vor durchsetzen, auch wenn er bzw. sie das Kind gar nicht mehr betreut. Ein so erzieltes unbilliges Ergebnis wird nach Abänderung des zu Grunde liegenden Unterhaltsentscheides zwar korrigiert, da der Unterhalt per Datum Einreichung Abänderung angepasst wird. Sofern aber Unterhalt zwangsweise erhältlich gemacht, und dieser Betrag durch den nicht betreuenden Elternteil verbraucht wurde, scheitert eine Rückforderung der überzahlten Unterhaltsbeiträge meistens an der fehlenden Leistungsfähigkeit des nicht mehr betreuenden Elternteils. Besonders schwerwiegend ist ein derartiges Vorgehen dann, wenn der nicht mehr betreuende Elternteil seine vermeintlich ihm noch zustehenden Unterhaltsbeiträge im Wege einer sogenannten Drittschuldneranweisung geltend macht, weil diesfalls nicht nur die Rückzahlung des Geldes scheitern kann, sondern der Ruf des Arbeitnehmers bei seinem Arbeitgeber Schaden nimmt.

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III. EINWÄNDE GEGEN DIE ZWANGSWEISE DURCHSETZUNG VON UNTERHALT

Da die Forderung eines nicht mehr gerechtfertigten Unterhaltsbetrages, insbesondere von Kinderunterhalt eines nicht betreuenden Elternteils, unbillig ist, muss einem derartigen Vorgehen Rechtsmissbrauch entgegengehalten werden können. Dies muss insbesondere dann gelten, wenn ein Antrag auf Abänderung dem Gericht bereits vorliegt. Erfolgte der Betreuungswechsel aufgrund eines ernst zu nehmenden Willens des Kindes und ist also nicht damit zu rechnen, dass die ursprünglich gelebte Betreuung wieder auflebt und damit die Rückkehr zum ursprünglich betreuenden Elternteil erfolgt, würde die zwangsweise Durchsetzung eines Unterhaltsbeitrages an einen offensichtlich nicht berechtigten Elternteil zu einer ungerechtfertigten Bereicherung führen. Diesem offensichtlichen Missbrauch muss das Gericht nach Auffassung der Autorin Einhalt gebieten und offenkundige neue Tatsachen, welche den eingeforderten Unterhalt als rechtsmissbräuchlich erscheinen lassen, berücksichtigen. Dies ist allerdings umstritten.

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IV. VORGEHEN IN DEUTSCHLAND

Anders als in der Schweiz, endet in Deutschland nach herrschender Rechtsprechung mit einem erfolgten Obhutswechsel und damit einem Umzug eines Kindes zum anderen Elternteil das alleinige Vertretungsrecht des ursprünglich betreuenden Elternteils.

Ist ein Kind minderjährig, wird es bei der Durchsetzung von Kindesunterhalt von dem betreuenden Elternteil vertreten. Mit einem Obhutswechsel zum anderen Elternteil endet die Befugnis, das Kind vor Gericht zu vertreten, automatisch. Dies hat zur Folge, dass selbst ein bereits gestellter Unterhaltsantrag mit Wegfall der Alleinvertretungsberechtigung aufgrund eines Obhutswechsels unzulässig wird. Somit verliert der nicht mehr betreuende Elternteil mit dem Umzug des Kindes die Möglichkeit, Unterhaltsbeiträge gerichtlich durchzusetzen, womit ein missbräuchliches Vorgehen von vornherein verunmöglicht wird.

Da in der Schweiz der Kinderunterhalt nicht zwingend durch die Eltern als Vertreter des Kindes durchgesetzt wird, gewinnt hier das Argument des Rechtsmissbrauchs an Bedeutung.


20. April 2022 / Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher, Rechtsanwältin und Fachanwältin SAV Familienrecht




DER UNTERHALT UND SEINE TÜCKEN

Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher, Rechtsanwältin und Fachanwältin SAV Familienrecht

Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher, Fachanwältin SAV Familienrecht bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

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I. ALLGEMEINES

Mit einer Trennung von Ehegatten sind deren rechtliche Folgen zu regeln und damit unter anderem die Belange der Kinder, das Güterrecht und der Unterhalt. Insbesondere die Höhe des zu zahlenden Unterhalts bietet Anlass zur Diskussion, weshalb nicht selten das Gericht hierüber zu befinden hat. Gerade in letzter Zeit hat das Bundesgericht seine Vorgaben für die Berechnung von Unterhalt konkretisiert, worauf in dem folgenden Artikel eingegangen wird:      

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A) KINDERUNTERHALT

Beim Unterhalt ist der Kinderunterhalt vom Ehegattenunterhalt zu unterscheiden. Der Kinderunterhalt setzt sich aus einem sogenannten Bar- und einem Betreuungsunterhalt zusammen, wobei der Barunterhalt die tatsächlichen Kosten des Kindes deckt. Der Betreuungsunterhalt soll einen Ausgleich dafür schaffen, dass einer der Ehegatten einer Erwerbstätigkeit nur im reduzierten Pensum nachgeht, um die Betreuung gemeinsamer Kinder sicherzustellen. Der Kinderunterhalt ist ungeachtet der Volljährigkeit eines Kindes bis zum Abschluss einer angemessenen Erstausbildung geschuldet. Mit der Volljährigkeit ist allerdings zumindest aus juristischer Sicht eine Betreuung des Kindes nicht mehr geschuldet, weshalb die Eltern ab dann im Verhältnis ihrer finanziellen Möglichkeiten für den Unterhalt des Kindes gemeinsam aufzukommen haben.

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B) EHEGATTENUNTERHALT

Des Weiteren schuldet ein Ehegatte dem anderen Unterhalt, sofern der unterhaltsberechtigte Ehegatte nicht in der Lage ist, für seinen eigenen gebührenden Bedarf aufzukommen. Zu berücksichtigen sind hierbei die trennungsbedingten Mehrkosten, welche durch die Gründung eines zweiten Haushalts anfallen. Allerdings wird Unterhalt nur bis zur Grenze der eigenen Leistungsfähigkeit geschuldet. Einen Eingriff in das Existenzminium muss der Unterhaltsschuldner nicht hinnehmen.

Der unterhaltsberechtigte Ehegatte hingegen hat für das Manko und damit seinen durch Unterhalt nicht gedeckten Bedarf selbst aufzukommen. Ist es dem unterhaltsberechtigten Ehegatten nicht möglich, dieses Manko durch ein eigenes Einkommen zu decken, wird er Sozialhilfe beziehen müssen. Diese ist anders als der Unterhalt eine Art Vorschussleistung der zuständigen Gemeinde, welche später im Falle ausreichend erzielter Einkünfte bzw. vorhandenen Vermögens zurückbezahlt werden muss.

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II. METHODE DER UNTERHALTSBERECHNUNG

Der Unterhalt errechnet sich gemäss der jüngsten bundesgerichtlicher Rechtsprechung nach der sogenannten 2-stufigen Methode, im Rahmen derer der Bedarf der Parteien konkret ermittelt und allfällige Überschüsse auf die Familienmitglieder verteilt werden. Ist also der Barbedarf der Ehegatten und der Kinder gedeckt und verbleibt hiernach ein Einkommen, wird dieses als Überschuss auf die vorhandenen Familienmitglieder nach grossen und kleinen Köpfen verteilt. Die Kinder können lediglich die Hälfte des den Eltern zustehenden Überschusses für sich beanspruchen (sogenannte kleine Köpfe).

Möglich ist eine Berechnung des persönlichen Unterhalts auch nach der sogenannten konkreten Methode. Hierbei hat der fordernde Ehegatte seine Bedarfspositionen darzulegen und – sofern diese bestritten werden – zu beweisen, ohne dass ein allfälliger Überschuss verteilt wird. Die Höhe des Unterhalts ist dann auf den ausgewiesenen Bedarf begrenzt.

Sinnvoll ist die Anwendung der konkreten Methode in überdurchschnittlichen finanziellen Verhältnissen, im Rahmen derer die Einnahmen die Ausgaben der Ehegatten massiv übersteigen. In derartig günstigen finanziellen Verhältnissen lässt das erzielte Einkommen keine Rückschlüsse auf den Lebensstandard der Ehegatten zu, weshalb Überschüsse nicht verteilt werden dürfen. Dies deshalb, da mit Unterhalt nicht gespart werden soll, weshalb Überschüsse nur dann zu verteilen sind, wenn dies die Beibehaltung des ehelichen Lebensstandards erfordert.

Da bei durchschnittlichen Einkommensverhältnissen mit der Verteilung des Überschusses in der Regel der in der Ehe gelebte Lebensstandard für beide Ehegatten beibehalten wird, hat das Bundesgericht mit seiner im Februar 2021 veröffentlichen Rechtsprechung schweizweit die 2-stufige Methode für verbindlich anwendbar erklärt. Diese Berechnungsmethode gilt sowohl für in Trennung lebende Ehegatten als auch für den nachehelichen Unterhalt. Unterschiede bestehen beim nachehelichen Unterhalt im Wesentlichen darin, dass letzterer gegebenenfalls auch einen Vorsorgeunterhalt umfasst. Des Weiteren endet mit der Scheidung die bis dahin bestehende eheliche Solidarität (clean break), womit die Erwerbsobliegenheit des unterhaltsbegehrenden Ehegatten steigt, die sich am Alter der gemeinsamen noch zu betreuenden Kinder orientiert.

Ob, wie lange und wie viel Unterhalt verlangt werden kann, stellt einen Einzelfallentscheid dar. Dem Gericht kommt bei seiner Beurteilung ein weites Ermessen zu, weshalb die Unterhaltshöhe von Fall zu Fall stark variieren kann.

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A) ERWERBSOBLIEGENHEIT

Da die Erwerbsobliegenheit des die Kinder betreuenden Elternteils mit deren Alter steigt, werden zumeist mehrere Phasen berechnet, welche dem Alter des Kindes gerecht werden (Schulstufenmodell). So besteht eine Erwerbsobliegenheit im Umfang von 50% für den das gemeinsame Kind betreuenden Ehegatten frühestens mit Eintritt des Kindes in den Kindergarten. Dieses Pensum ist mit dem Übertritt des jüngsten Kindes in die Oberstufe, zumeist wenn es 12-jährig wird, auf 80% aufzustocken.  Mit dem 16. Geburtstag des Kindes wird dem betreuenden Elternteil eine Vollzeittätigkeit zugemutet. Liegen die Einkommensverhältnisse des betreuenden Elternteils unter den jeweils geforderten Pensen, wird analog zum massgeblichen Schulstufenmodell ein hypothetisches Einkommen ermittelt und für die Unterhaltsberechnung herangezogen.

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B) PLAFONIERUNG UNTERHALTSHÖHE

Bei der Ermittlung des Unterhalts greift das Gericht zumeist auf eigene interne Berechnungstabellen zurück, mit welchen anhand des Einkommens und der Bedarfspositionen der Parteien ein Trennungs- und Scheidungsunterhalt errechnet wird.

Unberücksichtigt lassen die von den Gerichten herangezogenen Berechnungstabellen allerdings den Umstand, dass die Unterhaltsansprüche auf den zuletzt gemeinsam gelebten Lebensstandard zu begrenzen sind und damit auf die Lebensführung vor der Trennung.

Unter Zugrundelegung des im Zeitpunkt der Trennung zuletzt erzielten Einkommens der Ehegatten ist demzufolge zu prüfen, was die Familie im Jahr vor der Trennung verbraucht hat (Referenzperiode). Übersteigen die nach der Unterhaltsberechnung ermittelten Forderungen die zum Zeitpunkt der Trennung benötigten Mittel, können weder Frau noch Kinder einen darüberhinausgehenden Betrag für sich beanspruchen (Plafonierung des Unterhalts). Insbesondere aufgrund einer nach der Trennung aufgestockten oder neu ausgeübten Erwerbstätigkeit kann sich der ermittelte Überschuss massiv erhöhen, weshalb dieser nicht einfach nach den üblichen Teilungsgrundsätzen auf die Familienmitglieder aufgeteilt werden kann. Vielmehr bedarf es hier einer zweiten Rechnung, mit welcher in Anwendung der 2-stufigen konkreten Methode der Überschuss während des Zusammenlebens ermittelt wird, wobei hierfür auf das Jahr vor der Trennung abgestellt wird. Die Obergrenze des nachehelichen Unterhalts entspricht somit dem familienrechtlichen Existenzminimum bei Getrenntleben zuzüglich des betragsmässig unveränderten Anteils am früheren gemeinsamen Überschuss.

Das familienrechtliche Existenzminimum, mithin der Verbrauchsunterhalt der Familie, ist dann schwer zu ermitteln, wenn die Trennung bereits vor mehreren Jahren vollzogen wurde. In derartigen Fällen hat sich aufgrund der vollzogenen Trennung nicht nur der Bedarf der Parteien massiv geändert, sondern gegebenenfalls auch das noch während der Trennung erzielte Einkommen.

Entscheidend ist darauf abzustellen, dass Einkommenssteigerungen des Unterhaltspflichtigen, welche gegebenenfalls auf einen Karrieresprung nach erfolgter Trennung zurückzuführen sind, keine Berücksichtigung finden, sofern der Bedarf des berechtigten Ehegatten voll gedeckt ist, mithin kein Manko verbleibt. Ausschlaggebend für die Unterhaltsberechnung ist demzufolge nicht das zum Zeitpunkt der Scheidung erzielte Einkommen des Unterhaltspflichtigen, sondern das während der Trennung erzielte Einkommen. Für die Ermittlung des zuletzt gemeinsam gelebten Lebensstandards muss demzufolge vollumfänglich auf die vor der Trennung bestehende finanzielle Situation der Familie abgestellt werden. Anhaltspunkte hierfür ergeben sich aus der Steuererklärung, welcher sich unter anderem die Krankenkassenbeiträge, die Berufsauslagen und der Zins für Wohneigentum entnehmen lässt.

Unter Berücksichtigung der anerkannten Grundbeträge und damit demjenigen für Ehegatten während des Zusammenlebens von   CHF 1’700.00, für Kinder bis zu 10 Jahren von CHF 400.00 und hiernach CHF 600.00, lässt sich der gemeinsam gelebte Lebensstandard beziffern. Diesem Betrag werden sämtliche Einnahmen der Familie zum Zeitpunkt der Trennung gegenübergestellt und damit die Einnahmen beider Ehegatten (inklusive Kinderzulage). Ergibt sich hieraus eine Differenz, wäre diese um eine allfällige Sparquote zu bereinigen, welche nachweislich im Jahr vor der Trennung erzielt worden sein muss.

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C) SPARQUOTE

Zur Sparquote gehören sämtliche Ansparungen, wie freiwillige Einzahlung in die 2. und die 3. Säule.  Zum Teil werden hierzu auch Ausgaben gezählt, welche nicht dem alltäglichen Bedarf zuzuordnen sind, wie beispielsweise der Kauf eines neuen PWs und Amortisationszahlungen. Verbleibt nach Abzug dieser für das Jahr vor der Trennung nachweislich erzielten Sparquote ein Überschuss, ist dieser Überschuss auf die Anzahl der Familienmitglieder zu verteilen. Übersteigen die nach der 2-stufigen Berechnungsmethode ermittelten Unterhaltsansprüche bzw. die zur Verfügung stehenden Mittel auf Seiten des unterhaltsansprechenden Ehegatten und der Kinder diese Plafonierungsgrenze, ist der Unterhalt entsprechend zu kürzen. Bei den Kindern kommt zudem eine Kürzung hoher Überschussanteile auch aus erzieherischen Gründen in Frage.


26. Januar 2022 / Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher, Rechtsanwältin und Fachanwältin SAV Familienrecht




VEREINBARUNGEN ÜBER UNTERHALTSZAHLUNGEN

Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher, Rechtsanwältin und Fachanwältin SAV Familienrecht

Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher, Fachanwältin SAV Familienrecht bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

Mit einer Trennung ist die Frage des Unterhalts zu regeln, was zumeist dann notwendig ist, wenn einer der Ehegatten sein Einkommen aufgrund der Kinderbetreuung reduziert hat. Dieser Umstand soll keinen Nachteil darstellen, weshalb der Verdienstausfall durch Unterhalt zu kompensieren ist. Unterhaltszahlungen sind auch aus anderen Gründen denkbar, wobei man sich über die Höhe des Unterhalts ohne die Behörden verständigen kann. Ob man sich bilateral über die Höhe des Unterhalts einigt oder aber eine Behörde (z.B. Gericht oder KESB) Unterhaltsbeträge festlegt, hat unterschiedliche Folgen.

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I. VEREINBARUNG ÜBER UNTERHALT

Trennen sich Paare und sind Kinder vorhanden, müssen nicht nur die Unterhaltsbeiträge für die Kinder, sondern auch die des weniger verdienenden und zumeist das Kind betreuenden Ehegatten festgelegt werden. Ein derartiges Vorgehen kann sowohl einvernehmlich ohne Mithilfe der Behörden als auch über die Gemeinde oder das Gericht und die KESB erfolgen.

Ehegattenunterhaltsbeiträge können nach Art. 276 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit Art. 163 Abs. 3 ZGB grundsätzlich nicht nur für die Zukunft, sondern für den Zeitraum von einem Jahr vor Einreichung eines Begehrens gefordert werden. Haben sich die Ehegatten über die während des Getrenntlebens zu leistenden Unterhaltsbeiträge geeinigt, so kann eine rückwirkende Beurteilung über die vor Einreichung des Begehrens liegende Zeit dagegen nicht verlangt werden. Anders ist es, wenn eine aussergerichtliche Einigung über den Unterhalt nicht stattgefunden hat. Eine Ausnahme gilt dann, wenn die von den Parteien getroffene Vereinbarung nicht genehmigungsfähig ist. Eine nicht genehmigte Unterhaltsregelung bindet in einem darauffolgenden späteren Prozess das Gericht nicht.

Aussergerichtlich abgeschlossene Vereinbarungen gelten nur auf Zusehen hin und verlieren ab Einreichung eines Antrags bei Gericht auf Neuregelung ihre Verbindlichkeit. Ein jeder Ehegatte hat stets die Möglichkeit, einen richterlichen Entscheid über die Folgen des Getrenntlebens zu verlangen, auch wenn man sich in der Vergangenheit über Unterhaltszahlungen einig war. Allerdings beschränkt sich die gerichtliche Beurteilung über den Unterhalt bei Vorliegen einer aussergerichtlichen Vereinbarung ab Einreichung des Begehrens auf die Zukunft.

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II. VEREINBARUNG ÜBER KINDERUNTERHALT

Eine Vereinbarung über Kinderunterhaltsbeiträge ist grundsätzlich formlos gültig. Für das Kind wird sie aber erst mit der Genehmigung durch die Kinderschutzbehörde (KESB) verbindlich bzw. – wenn der Unterhaltsvertrag in einem gerichtlichen Verfahren geschlossen wird – durch gerichtliche Genehmigung. Dies hat zur Folge, dass das Kind vor einer erfolgten Genehmigung vom Vertrag zurücktreten kann, wohingegen der Unterhaltsschuldner ab dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses die festgelegten Unterhaltsbeiträge schuldet. Es bleibt dem Unterhaltsschuldner nach erfolgtem Vertragsschluss lediglich die Möglichkeit offen, die Nichtgenehmigung des Vertrages aufgrund fehlender gesetzlicher Voraussetzungen bei Gericht zu beantragen.

Zu berücksichtigen ist, dass vom Gericht nicht genehmigte Unterhaltsbeiträge, welche ausschliesslich privatrechtlich festgehalten und in Form eines Vertrags unterschrieben wurden, als Schuldanerkenntnis die sogenannte provisorische Rechtsöffnung ermöglichen. Hingegen kann mit einem gerichtlichen Entscheid die definitive Rechtsöffnung beantragt werden, im Rahmen derer der Schuldner sich gegen die Forderung nur durch einen Nachweis über erfolgte Zahlungen zu Wehr setzen kann. Bestehen also Zweifel darüber, ob der Unterhaltspflichtige seiner Unterhaltsplicht nachkommt, sollte auf eine gerichtliche Genehmigung nicht verzichtet werden.

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III. UNKLARER INHALT EINER VEREINBARUNG

Eine Unterhaltsvereinbarung ist klar zu formulieren, mithin ist der geschuldete Betrag und die Dauer der Unterhaltszahlung zu bestimmen. Sofern inhaltliche Unklarheiten bestehen, muss das Gericht im Falle eines streitigen Verfahrens die von den Ehegatten formulierte Vereinbarung mit rechtlich anerkannten Methoden auslegen. Das Gericht versucht, den Willen der Parteien anhand des Wortlauts der Vereinbarung zu ermitteln. Wenn der übereinstimmende Wille der Parteien nicht ermittelt werden kann, sind für die Ermittlung des mutmasslichen Parteiwillens die Erklärungen der Parteien aufgrund des Vertrauensprinzips so auszulegen, wie sie nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang verstanden werden müssen. Dabei ist vom Wortlaut der Erklärung auszugehen, welche aus ihrem konkreten Satzgefüge heraus zu beurteilen ist. Einer Auslegung von Unterhaltsbeiträgen bedarf es aufgrund der immer notwendigen konkreten Bezifferung des Unterhalts zumeist nicht, wobei die Dauer und festgehaltene Anpassungen des Unterhalts zu Differenzen führen können. Um allfällige Unklarheiten zu vermeiden, sind die getroffenen Vereinbarungen klar zu formulieren, wobei übereinstimmend selbstverständlich von der Vereinbarung abgewichen werden kann.


30. September 2021 / Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher, Rechtsanwältin und Fachanwältin SAV Familienrecht




ANERKENNUNG AUSLÄNDISCHER SCHEIDUNGSURTEILE

Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher, Rechtsanwältin und Fachanwältin SAV Familienrecht

Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher, Fachanwältin SAV Familienrecht bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

Vorsicht ist geboten, wenn Scheidungen im Ausland ausgesprochen werden, da hier ggf. Gründe vorliegen, die einer Anerkennung im Inland entgegenstehen. Die Folge ist, dass die Scheidung nur in demjenigen Land gilt, in welchem sie beantragt wurde. Dies führt dazu, dass Ehegatten, welche beispielsweise in der Türkei rechtskräftig geschieden wurden, in der Schweiz als noch verheiratet gelten. Denn anerkannt werden im Ausland vorgenommene Scheidungen nur, wenn das mit der Scheidung befasste Gericht zuständig war und der im Ausland ergangene Entscheid endgültig ist, mithin keine Rechtsmittel mehr eingelegt werden können, Art. 25 IPRG. Eine Anerkennung wird darüber hinaus verweigert, wenn es an einer ordnungsgemässen Vorladung fehlt, wobei für die Zustellung von behördlichen Schriftstücken bestimmte Zustellvoraussetzungen erfüllt sein müssen. Dieser Umstand ermöglicht es, sich einem im Ausland anhängigen Verfahren zu entziehen, was Unklarheiten mit sich bringt.

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I. ANERKENNUNG VON AUSLÄNDISCHEN URTEILEN

Anerkannt werden ausländische Urteile, wenn diese die Vorraussetzungen der Art. 25 ff. IPRG erfüllen. Das IPRG setzt hierbei zum einen voraus, dass ein im Ausland zuständiges Gericht einen rechtskräftigen Entscheid erlassen hat. Zum anderen kann eine Anerkennung des so erlassenen Entscheides nur erfolgen, wenn nicht gegen den ordre public und damit die grundlegenden Wertvorstellungen der Schweiz verstossen wird. Um das rechtliche Gehör zu gewährleisten, muss für die beklagte Partei die Möglichkeit bestehen, am Verfahren teilzunehmen, was bestimmte Zustellvorschriften gewährleisten sollen.

Entzieht sich ein Beklagter dem Prozess, indem er behauptet, vom laufenden Verfahren nichts gewusst zu haben, liegt es am Kläger, das Gegenteil zu beweisen. Dies wird ihm nur gelingen, wenn er nachzuweisen vermag, dass die beklagte Partei entweder nach dem Recht an ihrem Wohnsitz oder nach dem Recht an ihrem gewöhnlichen Aufenthaltsort gehörig geladen wurde. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn sich der/die Beklagte vorbehaltlos auf das Verfahren eingelassen hat. Wird ein Scheidungsverfahren im Ausland geführt, müssen – sofern der bzw. die Beklagte in der Schweiz Wohnsitz hat – vorgegebene Zustellungsvorraussetzungen eingehalten worden sein. Zwingend zu beachten ist hierbei das Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und aussergerichtlicher Schriftstücke im Ausland. Sofern das betreffende Land diesem Abkommen beigetreten ist, müssen Urkunden gemäss diesem Übereinkommen an sogenannte Zustellungsbehörden adressiert werden. Ausländische Schriftstücke und Rechtshilfeersuchen können subsidiär auch an das Bundesamt für Justiz übermittelt werden. Dieses leitet das Ersuchen an die kantonalen Zentralbehörden weiter. Welche Behörde national für die Zustellung zuständig ist, richtet sich nach dem Anliegen der ausländischen Behörde. Je nach Verfügung sind unterschiedliche Zustellbehörden zuständig, was die Gefahr der falschen Zustellung birgt. Die unmittelbare Zustellung einer ausländischen Urkunde durch die Post ist damit unzulässig, womit es an einer ordnungsgemässen Zustellung fehlt.

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II. MISSBRAUCH DES ZUSTELLERFORDERNISSES

Grundsätzlich gilt, dass ein im Ausland ergangener Entscheid dann nicht anerkannt werden kann, wenn Urkunden nicht über die hierfür vorgesehenen Zustellungsbehörden zugestellt wurden. Allerdings fraglich ist, wie es sich auswirkt, wenn sich in Kenntnis eines im Ausland anhängigen Verfahrens die beklagte Partei dem Verfahren bewusst entzieht. In dem Vertrauen darauf, dass Post über die zuständigen Behörden zugestellt werden muss, kann sich die Person einem Verfahren bei erfolgter Zustellung per Post problemlos entziehen; dies insbesondere dann, wenn ein im Ausland entscheidendes Gericht von einer Zustellung an die hierfür vorgesehene Behörde z.B. deshalb abgesehen hat, da es aus seiner Sicht und nach seinen eigenen örtlichen Regeln bereits korrekt zugestellt hat.

In derartigen Fällen ist sinnvollerweise danach zu unterscheiden, ob dem Beklagten ein Vorsatz zu unterstellen ist, sich dem Verfahren zu entziehen, was dann anzunehmen ist, wenn die betroffene Person nachweislich von dem laufenden Verfahren Kenntnis erlangt hat, sich auf dieses allerdings nicht einlässt, um hieraus Vorteile für sich zu ziehen. In einem derartigen Fall würden die Normen der Zustellung, welche das rechtliche Gehör gewährleisten sollen, missbraucht, weshalb ein derartiges Verhalten nicht gebilligt werden kann. Denn das Erfordernis einer formal korrekten Zustellung ist dann fraglich, wenn es einer Person problemlos möglich ist, sich am Verfahren zu beteiligen.

Dies gilt umso mehr, als für im Inland lebende Prozessbeteiligte eine sogenannte Zustellfiktion von Urkunden gilt (7 Tage nach erfolgter Zustellung), sofern sie in Kenntnis eines laufendes Verfahrens Schriftstücke nicht annehmen. Folglich stehen inländische Bürger, welche die Annahme der Post verweigern, schlechter, als Bürger, welche auf die fehlende ordnungsgemässe Zustellung über eine Zustellungsbehörde hinweisen und von einer Beteiligung am Verfahren bewusst absehen.

Einem Missbrauch der für das Ausland teils komplizierten Zustellungsvorraussetzungen ist durch eine Einzelfallbetrachtung Rechnung zu tragen. Zwar liegen Entscheide darüber vor, dass mangels Kenntnis eines Beklagten und einer nicht erfolgten ordnungsgemässen Zustellung eine Anerkennung eines ausländischen Scheidungsurteils nicht möglich ist. Allerdings fehlt es an der gerichtlichen Beurteilung eines Falles, wonach trotz fehlender korrekter Zustellung Kenntnis über das im Ausland anhängige Verfahren besteht, weshalb in diesem Punkt Unklarheit herrscht.

Wer ein im Ausland anhängiges Verfahren trotz bestehender Kenntnis hierüber ignoriert und sich auf eine fehlerhafte Zustellung beruft, trägt das Risiko, die nicht ordnungsgemäss erfolgte Zustellung gleichwohl gegen sich gelten lassen zu müssen.


30. September 2021 / Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher, Rechtsanwältin und Fachanwältin SAV Familienrecht




DIE ERRUNGENSCHAFTSBETEILIGUNG

Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher, Rechtsanwältin und Fachanwältin SAV Familienrecht

Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher, Fachanwältin SAV Familienrecht bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

Im Falle einer Eheschliessung besteht die Möglichkeit, eine Gütergemeinschaft oder eine Gütertrennung zu vereinbaren. Für beides bedarf es des Abschlusses eines Ehevertrages. Die Errungenschaftsbeteiligung dagegen, welche als sogenannter ordentlicher Güterstand der meist verbreitete Güterstand ist, bedarf keiner besonderen Vereinbarung und gilt mit Eheschliessung von Gesetzes wegen. Im Folgenden werden die Grundzüge der Errungenschaftsbeteiligung behandelt und deren rechtliche Folgen erörtert:

I. DIE ERRUNGENSCHAFTSBETEILIGUNG IM ALLGEMEINEN

Sofern die Ehegatten nichts anderes vereinbart haben, gilt von Gesetzes wegen der ordentliche Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung. Dies bedeutet, dass sämtliche während der Ehe angehäuften Vermögenswerte im Falle einer Aufhebung der Errungenschaftsgemeinschaft je hälftig geteilt werden. Dieses Vorgehen soll dem Umstand Rechnung tragen, dass zumeist mit der Geburt eines Kindes von den Ehegatten unterschiedliche Aufgaben wahrgenommen werden, mithin ein Ehegatte sich gegebenenfalls mehrheitlich unentgeltlich um die Belange der Kinder kümmert. In dieser Zeit sind seine Einkommens- und Ansparungsmöglichkeiten geringer als die des nach wie vor erwerbstätigen Ehegatten, womit der die Kinder betreuende Ehegatte finanziell schlechter steht. Um beide Ehegatten finanziell gleichzustellen, ist im Falle einer Beendigung des ordentlichen Güterstandes ein Ausgleich vorgesehen, wobei derjenige Ehegatte mit einem geringeren oder gar keinem Einkommen profitiert. Die in der Ehe erworbenen Vermögenswerte werden gleich unter den Ehegatten verteilt, um eine Gleichbehandlung beider Ehegatten trotz unterschiedlicher Rollenteilung zu gewährleisten. Aus dieser Berechnung ausgeklammert werden Eigengüter, mithin Schenkungen eines Ehegatten oder auch voreheliches Vermögen, da nur das in der Ehe erwirtschaftete Vermögen einer Teilung zugänglich ist. Keine Auswirkungen hat die Errungenschaftsbeteiligung bei der Haftung der Ehegatten. So haftet nach wie vor jeder Ehegatte für seine eigenen Verbindlichkeiten, sofern der andere Ehegatte der eingegangenen Verbindlichkeit nicht zustimmt oder aber es sich um Ausgaben des täglichen Bedarfs handelt.

Grundsätzlich besteht die Vermutung, dass in der Ehe erworbene Vermögenswerte in die Errungenschaft fallen, mithin im Falle einer Auflösung des Güterstandes zwischen den Ehegatten je hälftig zu teilen sind. Folglich obliegt es dem Ehegatten nachzuweisen, wenn ein von ihm beanspruchter Vermögenswert nicht der Errungenschaft, sondern dem Eigengut unterfällt und damit einer Teilung entzogen ist. Grundsätzlich nicht in die Errungenschaft fallen Gegenstände des persönlichen Gebrauchs oder sogenannte Ersatzanschaffungen für Eigengut. Bei der Ersatzanschaffung geht es nicht um einen Zweck-, sondern um Wertersatz, womit für die Zuordnung des neu erworbenen Gegenstandes auf die Herkunft der dafür aufgewendeten Mittel abzustellen ist. So gehört ein Lottogewinn zur Errungenschaft, wenn das Los mit Errungenschaftsmitteln erworben wurde. Ein alter Schreibtisch hingegen, der vor etlichen Jahren mit Errungenschaftsmitteln finanziert wurde und nun durch einen neuen Schreibtisch ersetzt wird, fällt ins Eigengut, wenn der Schreibtisch mit Eigengutsmitteln bezahlt wird.

II. VERTRAGLICHE MÖGLICHKEITEN

Im Ehegüterrecht besteht der Grundsatz der Unveränderlichkeit der Gütermassen. Das heisst, dass dem Eigengut unterfallende Vermögenswerte niemals in die Masse der Errungenschaft fallen. Diese starre Regelung kann gemäss Art. 199 ZGB ehevertraglich korrigiert werden. Das Gesetz sieht vor, dass bestehende Vermögenswerte der Errungenschaft, die für die Ausübung eines Berufes oder den Betrieb eines Gewerbes bestimmt sind, übereinstimmend von den Ehegatten zu Eigengut erklärt werden können. Auch steht es den Ehegatten frei, ehevertraglich zu vereinbaren, dass Erträge aus dem Eigengut nicht in die Errungenschaft fallen.

III. VERFÜGUNG ÜBER VERMÖGENSWERTE

Üblicherweise nutzt jeder Ehegatte sein eigenes Vermögen und ist auch für dessen Verwaltung zuständig, Verfügungsbeschränkungen bestehen grundsätzlich nicht. Ausnahmen bestehen lediglich bei der Nutzung einer ehelichen Wohnung, welche zum Schutz der Familie nur mit ausdrücklicher Zustimmung des anderen Ehegatten gekündigt werden kann. Auch kann das Gericht auf Antrag Massnahmen festlegen, die einer Verfügungsbeschränkung gleichkommen, soweit dies die Sicherung der wirtschaftlichen Grundlagen der Familie erfordert (Art. 178 ZGB). So können Grundbuchsperren über das Gericht verfügt werden, wenn zu befürchten steht, dass ein Ehegatte im Hinblick auf die bevorstehende Scheidung die Liegenschaft veräussert. Befindet sich ein Gegenstand im Miteigentum beider Ehegatten, können die Ehegatten nur mit Zustimmung des jeweils anderen über diesen Gegenstand verfügen, sofern nichts anderes vereinbart ist.

IV. SCHULDEN

Schulden sind nach ihrem Entstehungszeitpunkt zu unterscheiden: Sind die Schulden vor dem Abschluss der Ehe entstanden, belasten sie immer das Eigengut und damit das voreheliche Vermögen des jeweils betroffenen Ehegatten. Sind die Schulden während der Ehe entstanden, handelt es sich immer dann um gemeinsame Schulden, wenn diese den Unterhalt der Familie betreffen, womit die Schulden der Errungenschaft zugewiesen werden.

V. BEENDIGUNG DES GÜTERSTANDES

Der Güterstand kann sowohl durch eine Scheidung, den Tod eines Ehegatten oder die vertragliche Begründung eines neuen Güterstandes (Gütergemeinschaft oder Gütertrennung) enden. Folge ist die güterrechtliche Auseinandersetzung, im Rahmen derer die in der Ehe erwirtschafteten Güter je hälftig zu teilen sind. Wie bereits erwähnt, werden persönliche Schenkungen an einen der Ehegatten und voreheliche Vermögenswerte von der Auseinandersetzung ausgeklammert. In der Regel unproblematisch ist die Aufteilung von Kontoguthaben, die per Stichtag und damit im Falle einer Scheidung per Einreichung Scheidung hälftig auf die Ehegatten verteilt werden. Weitaus schwieriger ist die Auseinandersetzung bei Vermischung von vorehelichen Ansparungen mit in der Ehe erwirtschafteten Einkommen. In derartigen Fällen lässt sich nur schwer nachweisen, dass ein Teil der Guthaben aus vorehelichen Mitteln stammt, womit die Vermutung greift, dass vorhandenes Vermögen als Errungenschaft gilt.

Problematisch sind
des Weiteren Auseinandersetzungen von in der Ehe zu je hälftigem Miteigentum
erworbenen Liegenschaften. Dies deshalb, da allfällige Mehrwerte proportional
zur Investition der Ehegatten aufzuteilen sind. Wird eine eheliche Liegenschaft
demzufolge mehrheitlich von einem Ehegatten aus vorehelichen Mittel finanziert
und leistet beispielsweise der andere Ehegatte keinen Beitrag, fällt dem
vorfinanzierenden Ehegatten auch ein allfälliger Mehrwert im proportionalen
Umfang seiner Beteiligung zu. Auch hier ist zu beweisen, dass die Finanzierung
der Liegenschaft aus Eigengutsmitteln erfolgt ist, was eine vollumfängliche
Dokumentation der Geldflüsse im Bestreitensfall des anderen Ehegatten erfordert.
Unproblematisch ist die Auseinandersetzung der Liegenschaften dann, wenn beide
Parteien im gleichen Umfang zur Finanzierung beigetragen haben, da in diesen
Fällen eine hälftige Aufteilung des Gewinns erfolgt.

Massgeblicher Wert
für die güterrechtliche Auseinandersetzung ist der Verkehrswert und damit der
aktuelle Marktwert des Vermögensgegenstandes. Geteilt wird grundsätzlich der
Nettoverkehrswert und damit der Verkehrswert nach Abzug aller Schulden.
Demzufolge sind laufende Gebühren, Abgaben und Steuerlasten sowie
Handänderungskosten und ähnliches vom Gewinn in Abzug zu bringen. Werden
Vermögenswerte nicht veräussert, gilt dies grundsätzlich auch für latente, nur
schätzungsweise festzustellende Lasten (wie z.B. latente Steuern auf einem
Säule 3a-Konto), was teils in Vergessenheit gerät.

Nach Ermittlung sämtlicher Aktiven und Passiven steht jedem Ehegatte die Hälfte des Vorschlags des anderen zu, wobei die gegenseitigen Forderungen zu verrechnen sind. Auszugleichen ist damit die Hälfte jener Differenz, welche sich daraus ergibt, dass der kleine Vorschlag vom grösseren abgezogen wird. Die so vorgesehene gesetzliche Vorgehensweise ist deshalb vonnöten, weil ein sogenannter Rückschlag und damit ein Passivum eines Ehegatten bei der Errungenschaftsbeteiligung unbeachtlich bleibt, mithin der andere Ehegatte niemals mehr abzugeben hat als die Hälfte seines Vorschlags.


3. Juni 2020 / Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher, Rechtsanwältin und Fachanwältin SAV Familienrecht




TOD DES UNTERHALTSPFLICHTIGEN

Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher, Rechtsanwältin und Fachanwältin SAV Familienrecht

Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher, Fachanwältin SAV Familienrecht bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

Mit dem Tod des Unterhaltspflichtigen endet nach schweizerischem Recht die Zahlung auf Unterhalt. Anders in Deutschland, wo die Unterhaltspflicht je nach Art des Unterhalts auf den Erben als Nachlassverbindlichkeit übergeht und demzufolge Sicherheiten für den Unterhaltsberechtigten bestehen.

I. GRUNDSÄTZLICHES

Das schweizerische Recht sieht keinen gesetzlichen Übergang einer Unterhaltspflicht auf den Erben vor, weshalb Unterhaltsberechtigte mit dem Tod des Unterhaltspflichtigen keine Unterhaltsansprüche mehr durchsetzen können. Diesem Umstand ist insbesondere dann Rechnung zu tragen, wenn die Unterhaltspflichten eines gesundheitlich angeschlagenen Ehegatten in Streit stehen. Zu einem massiven Verlust auf Seiten des Unterhaltsberechtigten kann es dann kommen, wenn hohe Unterhaltsforderungen geschuldet sind und keine Witwenrente bzw. keine Witwenrente in vergleichbarer Höhe realisiert werden kann. Gegebenenfalls liesse sich hier im Falle einer bestehenden Bedürftigkeit des unterhaltsberechtigten Ehegatten zumindest einvernehmlich eine erbrechtliche Lösung andenken, indem beispielsweise der Unterhaltspflichtige für den Fall eines zeitnahen Versterbens ein Vermächtnis zugunsten des Ehegatten erstellt. Ein solches kann selbstverständlich nicht erzwungen werden, weshalb in der Schweiz im Falle des Versterbens des Unterhaltspflichtigen ausschliesslich die Witwenrente zur Verfügung steht.

II. UNTERHALT ALS NACHLASSVERBINDLICHKEIT

a)

Nach deutschem Recht geht die Unterhaltspflicht bei nachehelichen Unterhaltspflichten auf den Erben als Nachlassverbindlichkeit über, sofern der Unterhaltsberechtigte weiterhin bedürftig ist. Erhaltene Leistungen z.B. aufgrund eines Vorsorgeausgleichs sind bei der Berechnung des ungedeckten Bedarfs anzurechnen.

Auf die
Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners kommt es nicht an, da sein
angemessener Unterhalt nicht mehr gefährdet sein kann, so dass der
Unterhaltsberechtigte vollen Unterhalt nach den ehelichen Lebensverhältnissen
verlangen kann. Der Vorrang eines minderjährigen Kindes oder der gleiche Rang
eines neuen Ehegatten ist mit dem Todesfall des Unterhaltspflichtigen
unerheblich, da deren Unterhaltsansprüche ebenfalls mit dem Tod des
Unterhaltsschuldners erlöschen und nunmehr erbrechtlich kompensiert werden. Die
Haftung des Erben ist allerdings begrenzt. So haftet ein Erbe gemäss § 1586b
Abs. 1, S. 3 BGB nicht über den Betrag hinaus, der dem Pflichtteil entspricht,
welcher dem Berechtigten zustehen würde, wenn die Ehe nicht geschieden worden
wäre. Mithin bleibt die Haftung nur solange erhalten, bis die errechnete Summe
des fiktiven Pflichtteils des Berechtigten erreicht ist.

b)

Der Pflichtteil errechnet sich aus dem Gesamtnachlass des Unterhaltspflichtigen bei seinem Tode, wobei sich der gesetzliche Erbteil nur nach dem sogenannten kleinen Pflichtteil (entspricht der Hälfte des gesetzlichen Erbteils) bestimmt und damit ohne erbrechtlich zu berücksichtigende Zugewinnausgleichsansprüche (Errungenschaften). Der grosse Pflichtteil hingegen beinhaltet Zugewinnausgleichsansprüche und wird pauschal um ¼ erhöht.

Bei der Bemessung
der Haftungsgrenze des Erben sind zusätzlich auch fiktive
Pflichtteilsergänzungsansprüche zu berücksichtigen, die dem
Unterhaltsberechtigten nach     § 2325
BGB gegen die Erben zustünden, wenn seine Ehe mit dem Unterhaltspflichtigen
erst durch dessen Tod aufgelöst worden wäre.

Wird im Rahmen eines notariellen Vertrags auf Pflichtteilsansprüche verzichtet, haftet der Erbe nicht.

c)

Beim Kindes- und Trennungsunterhalt sieht § 1615 BGB ein Erlöschen des Unterhalts mit dem Tod des Unterhaltspflichtigen vor. Dies gilt nicht für Unterhaltsansprüche, die im Voraus zu entrichten und bereits fällig sind oder Unterhalt für die Vergangenheit.


3. Juni 2020 / Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher, Rechtsanwältin und Fachanwältin SAV Familienrecht




DER GRENZÜBERSCHREITENDE VERSORGUNGSAUSGLEICH AUS DEUTSCHER SICHT

Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher, Rechtsanwältin und Fachanwältin SAV Familienrecht

Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher, Fachanwältin SAV Familienrecht bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

I. WAS IST DER VERSORGUNGSAUSGLEICH?

Mit dem sogenannten Vorsorge-, bzw. Versorgungsausgleich werden die in der Ehe erworbenen Rentenanwartschaften, mithin Leistungen für eine zumeist in der Zukunft bezogene Rente im Falle einer Scheidung hälftig unter den Ehegatten geteilt.

II. GRENZÜBERGREIFENDE PROBLEME

Aus deutscher Sicht ist die Regelung des Vorsorgeausgleichs (in Deutschland Versorgungsausgleich) dann, wenn einer der Ehegatten Anwartschaften bzw. Guthaben während der Ehe im Ausland erworben hat, problematisch. So sieht der deutsche Versorgungsausgleich vor, ausländische Anwartschaften bei der Teilung zu berücksichtigen, wobei das Familiengericht die entsprechenden Auskünfte direkt bei den ausländischen Vorsorgeeinrichtungen und damit den Vorsorgeträgern einholen kann (§ 220 FamFG). Hier ergeben sich die ersten Schwierigkeiten, da ausländische Vorsorgeeinrichtungen, sofern diese denn überhaupt über ein vergleichbares System mit dem in Deutschland verfügen, keine Auskünfte erteilen. So ist man teils auf die Informationsbeschaffung durch die Parteien angewiesen, wobei der Wahrheitsgehalt der erteilten Auskünfte nur schwer überprüfbar ist. Um neutrale und verlässliche Angaben zu erhalten, beauftragen deutsche Familiengerichte teils einen Gutachter, der die ausländischen Anwartschaften abklärt, was massive zeitliche Verzögerungen nach sich zieht.

Sinn und Zweck der zwischenstaatlichen Berechnung ist es, Versicherte so zu stellen, als hätten sie ihr gesamtes Versicherungsleben nach deutschen Rechtsvorschriften zurückgelegt. Die mitgliedstaatlichen Zeiten erhalten bei der Berechnung zunächst den sich aus den deutschen Beitragszeiten ergebenden Durchschnittswert der Entgeltpunkte (theoretischer Betrag). Die Einbeziehung der mitgliedstaatlichen Zeiten in die deutsche Berechnung kann sich auf die Bewertung beitragsfreier Zeiten günstig auswirken, weil sich der Gesamtleistungswert durch die mitgliedstaatlichen Zeiten erhöht.

III. AUSGLEICH DER IN DER SCHWEIZ ERWORBENEN ANWARTSCHAFTEN

Ein öffentlich-rechtlicher Ausgleich von in der Schweiz erworbenen Vorsorgeguthaben durch ein deutsches Gericht ist nicht möglich. So sind dementsprechend auch die schweizerischen Vorsorgeeinrichtungen nur auf der Grundlage eines schweizerischen Entscheides verpflichtet, die Vorsorgeguthaben zu teilen. Gleichwohl muss das mit der Scheidung befasste deutsche Familiengericht sämtliche Informationen betreffend die ausländischen Anwartschaften einholen. Dem Umstand, dass die Anwartschaften in der Schweiz durch ein deutsches Familiengericht nicht geteilt werden können, kann zum Beispiel durch eine Entschädigung oder Verrechnung mit den auszugleichenden Anrechten begegnet werden kann.

a)
So verweist § 19 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 4 Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG) für ausländische Anwartschaften auf einen Abfindungsanspruch (§ 23 ff. VersAusglG). Es besteht dementsprechend also die Möglichkeit, in der Schweiz erworbene Anwartschaften durch eine Abfindung zu entschädigen, womit auf ein separates in der Schweiz durchzuführendes Verfahren verzichtet werden kann. Voraussetzung für eine Abfindung ist, dass der Anspruch hinreichend gefestigt ist und damit unverfallbar. Von Unverfallbarkeit spricht man, wenn ein Anrecht, welches durch eine künftige betriebliche oder berufliche Entwicklung eines Arbeitnehmers nicht mehr beeinträchtigt werden kann und somit als endgültig gesichert gilt.

b)
Des Weiteren besteht die Möglichkeit, die Parteien auf den sogenannten schuldrechtlichen Versorgungsausgleich zu verweisen. Im Gegensatz zu der durch das deutsche Familiengericht vorzunehmenden Teilung deutscher Anwartschaften im Wege des Versorgungsausgleichs als einer öffentlich-rechtlichen Massnahme verpflichtet sich beim schuldrechtlichen Versorgungsausgleich die auszugleichende Partei zu einer Zahlung, ohne dass diese über das Gericht von Amtes wegen vorzunehmen ist. Üblicherweise findet sich in deutschen Scheidungsurteilen ein Verweis auf den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich, wonach die Parteien sich nach rechtskräftiger Scheidung verpflichten, ihre – beispielsweise in der Schweiz – erworbenen Vorsorgeguthaben in der Regel hälftig separat und damit ohne das deutsche Familiengericht aufzuteilen. Allerdings bedarf es aus schweizerischer Sicht bei der übereinstimmenden Teilung der in der Schweiz erworbenen Vorsorgeleistungen eines gerichtlichen Entscheides, womit es eines separaten Verfahrens bedarf, im Rahmen derer bei Gericht die Teilung und Zuweisung der Vorsorgeleistung an den bereits geschiedenen Ehegatten beantragt wird. Sind sich die Parteien einig, kann auf eine Verhandlung verzichtet werden. Das Gericht weist dann den von den Parteien übereinstimmend bezifferten Betrag der vorhandenen Vorsorge dem anderen Ehegatten zu. Zuständig ist in diesen Fällen das Gericht am Sitz der Vorsorgeeinrichtung.

IV. AUSSCHLUSS DES VERSORGUNGSAUSGLEICHS

Sind neben deutschen Anwartschaften auch schweizerische Vorsorgeguthaben zu teilen, kann es zum Ausschluss einer Teilung deutscher Vorsorgeguthaben kommen. Dies deshalb, da der oben erwähnte schuldrechtliche Versorgungsausgleich einer privaten Parteivereinbarung vorbehalten ist, mithin kein zwingender hoheitlicher Akt hierfür erforderlich ist und dieser somit im Vergleich zu dem vom deutschen Gericht vorzunehmenden Versorgungsausgleich als unsicher qualifiziert wird. Vor diesem Hintergrund wird teils vertreten, dass ein Wertausgleich der in Deutschland erworbenen Anrechte zu unterbleiben hat, da diese im Rahmen einer Scheidung unwiederbringlich verloren gingen, wobei der Erhalt entsprechender Anwartschaften des anderen Ehegatten im Ausland unklar bleibt, was als unbillig qualifiziert wird. Dementsprechend kann es im Falle fehlender Einigkeit hinsichtlich des Verbleibs von Vorsorgeguthaben dazu kommen, dass eine Teilung der in Deutschland erworbenen Anwartschaften für unbillig erachtet wird, da zumindest aus deutscher Sicht nicht mit Sicherheit eine Teilung der in der Schweiz erworbenen Guthaben erfolgt.

In einem derartigen Fall ist die unterbliebene Teilung aufgrund Unbilligkeit im Wege eines Ergänzungsverfahrens vor dem schweizerischen Gericht zu berücksichtigen, indem die Parteien von einer hälftigen Teilung absehen und eine um die in Deutschland bestehende Rente (ungeteilte Rente) angepasste Teilung vornehmen. Insofern können die Parteien Vereinbarungen treffen und von einer hälftigen Teilung absehen. Ein derartiges Vorgehen ist gerade im Hinblick auf die in der Schweiz mit Gesetzesänderung von 2017 deutlich flexibler ausgestaltete Teilung der Vorsorge möglich.

V. FAZIT

Der Ausgleich von im Ausland erworbenen Anwartschaften ist durch ein ausländisches Gericht nicht vorgesehen, da die Teilung von im Inland erworbenen beruflichen Anwartschaften (Vorsorgeleistungen) üblicherweise den eigenen Gerichten vorbehalten bleibt. Ob eine Vorsorgeeinrichtung auf der Grundlage eines ausländischen Urteils eine Teilung vornimmt, ist demzufolge immer konkret abzuklären. Sind im Ausland erworbene Anwartschaften zu teilen, kann ein Ausgleich durch Vereinbarungen auf schuldrechtlicher Ebene vorgenommen werden.

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23. Januar 2019 / Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher, Rechtsanwältin und Fachanwältin SAV Familienrecht




ANERKENNUNG AUSLÄNDISCHER EHESCHEIDUNGEN

Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher, Rechtsanwältin

Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher, Fachanwältin SAV Familienrecht bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

I. AUSGANGSLAGE

Immer öfter werden binationale Ehen geschlossen, was sich selbstverständlich auch in der Anzahl der Scheidungen niederschlägt. Allein in der Europäischen Union liegt die Anzahl der Scheidungen mit Auslandsbezug bei rund 170’000 pro Jahr, was einem Anteil von 16 % aller Scheidungen entspricht. Neben vielen rechtlichen Fragen, welche einer Scheidung eines Paares unterschiedlicher Nationalität vorausgehen, wie beispielsweise, welches Recht anwendbar ist und welche Gerichte zuständig sind, stellt sich die Frage, ob nach der Scheidung weitere Massnahmen veranlasst werden müssen. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass Auslandsscheidungen nach den allgemeinen Grundsätzen nur in demjenigen Land unmittelbare Rechtswirkung entfalten, in welchem sie ergangen sind. Dementsprechend ist daran zu denken, dass eine beispielsweise in der Türkei ausgesprochene Scheidung eines schweizer Bürgers, der mit einer türkischen Staatsbürgerin verheiratet war, in der Schweiz anerkannt werden muss, damit die Ehegatten auch in der Schweiz rechtskräftig geschieden sind.

II. RECHTSLAGE

Die Frage, ob eine im Ausland ergangene Scheidung im Rahmen eines separaten Verfahrens anzuerkennen ist, um Rechtswirkung zu entfalten, wird in jedem Staat anders beurteilt und muss vor diesem Hintergrund für das jeweils betreffende Land abgeklärt werden. Für die Schweiz bzw. Deutschland gilt das Nachfolgende:

1. In der Schweiz
1.1
Ausländische Scheidungsurteile werden in der Schweiz gemäss Art. 65 IPRG anerkannt, wenn:

  • die Zuständigkeit der Gerichte oder Behörden des Staates in dem die Entscheidung ergangen ist, begründet war,
  • gegen die Entscheidung kein ordentliches Rechtsmittel mehr geltend gemacht werden kann oder wenn sie endgültig ist, und
  • wenn kein Verweigerungsgrund im Sinne des Art. 27 IPRG vorliegt.

Sofern diese Voraussetzungen gegeben sind, werden ausländische Scheidungsurteile in der Schweiz immer dann anerkannt, wenn sie im Staat des Wohnsitzes, des gewöhnlichen Aufenthalts oder im Heimatstaat eines der Ehegatten ergangen sind. Gleiches gilt für den Fall, wenn die Scheidung in einem der zuvor genannten aufgezählten Staaten aufgrund der dortigen Gesetzgebung oder verbindlicher Staatsverträge anerkannt wird (Art. 65 Abs. 1 IPRG).

1.2

An die Anerkennung sind folglich nur geringe Anforderungen gestellt. Vorbehalten bleiben allerdings spezifische Anerkennungsverweigerungsgründe des schweizerischen IPRG. Eingeschränkt wird die grosszügige Anerkennungspraxis gemäss Art. 65 Abs. 2 IPRG bei Staaten, dem keiner oder nur der klagende Ehegatte angehört. In derartigen Fällen gelingt eine Anerkennung in der Schweiz nur, wenn a) im Zeitpunkt der Klageeinleitung wenigstens ein Ehegatte in diesem Staat Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hatte und b) der beklagte Ehegatte seinen Wohnsitz nicht in der Schweiz hatte und c), der beklagte Ehegatte sich der Zuständigkeit des ausländischen Gerichts vorbehaltlos unterworfen hat oder wenn der beklagte Ehegatte mit der Anerkennung der Entscheidung der Schweiz einverstanden ist.

1.3

Die einschlägigen Normen des IPRG beschränken sich ausschliesslich auf die Anerkennung des Scheidungspunktes. Ob zudem auch die in einer Scheidung geregelten Nebenfolgen anerkannt werden, beurteilt sich nach separaten Regelungen, wobei das IPRG nur dann zur Anwendung gelangt, wenn für das betreffende Land eine entsprechende Regelung nicht ratifiziert wurde.

2. In Deutschland
2.1

Auch in Deutschland besteht der Grundsatz der Anerkennung.

Deutschland setzt für die Anerkennung ausländischer Ehescheidungen ein sogenanntes Antragsverfahren voraus, wonach die Landesjustizverwaltung festzustellen hat, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung vorliegen, §107 FamFG. Von dieser Voraussetzung gibt es Ausnahmen, nämlich wenn es sich um ein sogenanntes Heimatstaatsverfahren handelt. Ein solches liegt vor, wenn beide Ehegatten zum Zeitpunkt der Scheidung dem Staat angehört haben, in dem die Entscheidung ergangen ist. Die Scheidung von in der Schweiz lebenden Auslandsdeutschen muss dementsprechend dann nicht von der Landesjustizverwaltung anerkannt werden, wenn die Ehegatten über eine schweizerische Staatsangehörigkeit verfügen. Des Weiteren sind internationale Ehescheidungen in Europa vom Anerkennungsgrundsatz ausgeschlossen oder fallen nur begrenzt in die Anerkennungspflicht.

Zu berücksichtigen ist, dass die Anerkennung der in einem Scheidungsurteil oftmals enthaltenen Nebenfolgen nicht von § 107 FamfG erfasst ist. Die Anerkennung solcher Entscheidungen über die Nebenfolgen einer Scheidung kann erst ausgesprochen werden, wenn festgestellt ist, dass die Entscheidung über die Ehe selbst im Inland anzuerkennen ist. Folglich beschränkt sich die Anerkennung ausschliesslich auf den Scheidungspunkt, sodass eine neue Eheschliessung möglich wird. Die Nebenfolgen bedürfen einer separaten Anerkennung, welche nicht durch die Landesjustizverwaltung vorgenommen wird.

Es steht jedem Staat frei, sofern er nicht an Staatsverträge gebunden ist, die Anerkennung ausländischer Hoheitsakte und damit auch ausgesprochener Scheidungen anzuerkennen oder nicht. So sieht beispielsweise Deutschland gemäss § 108 FamFG keine formalen Anerkennungsvoraussetzungen bei anderen Entscheidungen vor, mithin werden abgesehen von Entscheidungen in Ehesachen ausländische Entscheidungen anerkannt, ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf.

Zu berücksichtigen ist, dass antragsberechtigt für die Anerkennung eines Scheidungsurteils nicht nur die betroffenen Ehegatten selbst, sondern auch diejenigen Personen sind, die an der Klärung der rechtmässigen Scheidung in Deutschland ein rechtliches Interesse haben. In Betracht kommen hierfür insbesondere die Verlobte bzw. der spätere Ehegatte oder aber auch Erben. Darüber hinaus ist in Deutschland des Weiteren die Rentenversicherungsanstalt zur Antragstellung berechtigt.

2.2

Zuständig für die Anerkennung eines ausländischen Scheidungsurteils ist – wie oben erwähnt – die Justizverwaltung desjenigen Bundeslandes, in dem einer der ehemaligen Ehegatten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Sollte keiner der Ehepartner seinen Aufenthalt in Deutschland haben, aber einer der geschiedenen Ehegatten möchte dennoch eine Ehe eingehen, so richtet sich die Zuständigkeit danach, in welchem Bundesland die Ehe geschlossen werden soll. Hat keiner der ehemaligen Ehegatten seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland und ist in Deutschland auch keine Eheschliessung geplant, ist für den Antrag die Senatsverwaltung für Justiz in Berlin zuständig.

2.3

Vorzulegen sind bei der Antragstellung das Scheidungsurteil mit Rechtskraftvermerk, die Heiratsurkunde der aufgelösten Ehe, der Nachweis der Staatsangehörigkeit der Geschiedenen und die Übersetzung eines vereidigten Übersetzers sämtlicher fremdsprachlicher Urkunden. Teils werden weitergehende Urkunden wie Verdienstnachweise eingefordert, um die Kosten des Anerkennungsverfahrens festzulegen, welche nach Aufwand und Ermessen massiv schwanken.

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4. Mai 2018 / Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher




DER BONUS IM FAMILIENRECHTLICHEN KONTEXT

Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher, Rechtsanwältin

Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher, Fachanwältin SAV Familienrecht bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

Der Bonus als Einkommensbestandteil wird bei der Unterhaltsberechnung einkommenserhöhend berücksichtigt. Zugleich ist er, wenn er gespart wurde, auch im Güterrecht als zu teilendes Vermögen relevant. Die güterrechtliche Auseinandersetzung erfolgt per Stichtag und damit – sofern man sich nicht auf ein anderes Datum verständigt hat – per Datum Einleitung der Ehescheidung.

Problematisch sind Fälle, in denen ein Anspruch auf Auszahlung eines Bonus bereits vor dem Stichtag besteht, die Auszahlung des Bonus allerdings erst nach dem Stichtag erfolgt. Auch ist unklar, wie mit dem Bonus verfahren werden soll, wenn dieser sowohl bei der Unterhaltsberechnung als auch bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung berücksichtigt wird. Es stellt sich in diesem Fall die Frage, ob eine güterrechtliche Berücksichtigung des Bonus gerechtfertigt ist, wenn der Bonus zuvor einkommenserhöhend bei der Unterhaltsberechnung dem Einkommen zugewiesen wurde und demzufolge auf der Grundlage dieses Einkommens ein entsprechend hoher Unterhalt bezahlt wird. In letzterem Fall würde der per Stichtag bereits erwirtschaftete oder noch nicht ausbezahlte Bonus zulasten des Unterhaltsschuldners sowohl unterhaltsrechtlich als auch güterrechtlich berücksichtigt, womit der Unterhaltsschuldner doppelt belastet wird.

Eine klare Zuweisung von Boni zum Unterhalt oder zum Güterrecht fehlt mangels einschlägiger Rechtsprechung in der Schweiz, weshalb die Handhabung der zuvor genannten Problematik in das Ermessen der Gerichte fällt. Anerkannt ist, dass Ehegatten gleich zu behandeln sind, womit das Verbot der Benachteiligung eines Ehegatten und damit die hier thematisierte Doppelbelastung aus familienrechtlichen Grundprinzipien abgeleitet werden kann. Eine bundesgerichtliche Rechtsprechung zu dieser Problematik findet sich – wie bereits erwähnt – nicht. Hingegen wurde die Frage, wann Anwartschaften güterrechtlich zu teilen sind, auch wenn sie nach dem Stichtag ausbezahlt werden, von Literatur und Rechtsprechung mehrfach thematisiert.

I. BONUS ALS EINKOMMEN UND/ODER VERMÖGENSWERT

Grundsätzlich soll bei einer Scheidung vor Festlegung des Unterhalts das vorhandene Vermögen der Ehegatten im Wege der güterrechtlichen Auseinandersetzung geteilt werden. Dies deshalb, weil bei überdurchschnittlichen Vermögensverhältnissen teils Erträge zu erwarten sind, wie z.B. Mieteinnahmen, welche dann wiederum als Einkommen beim Unterhalt zu berücksichtigen sind. In der Praxis allerdings steht der Fokus vorrangig auf der Festlegung des Unterhalts, da dieser der Sicherung des Lebensstandards dient.

Die Unterhaltsberechnung basiert in der Regel auf einem Durchschnittseinkommen unter Berücksichtigung eines Bonus. Schwankt der Bonus, entspricht es dem üblichen Vorgehen, den Unterhalt ohne Bonus zu berechnen und den Bonus separat nach erfolgter Auskunft über die Höhe des Bonus unter den Ehegatten bzw. geschiedenen Eheleuten aufzuteilen.

Wurde der Bonus erst nach dem Stichtag ausbezahlt, ist zu prüfen, ob der Bonus vor dem Stichtag bereits fällig war, mithin ob ein durchsetzbarer Anspruch auf dessen Zahlung schon vor dem Stichtag bestand. Für die güterrechtliche Einordnung von Vermögenswerten ist somit die Abgrenzung von einfachen Anwartschaften gegenüber erworbenen Rechten eines Ehegatten von entscheidender Bedeutung. Bei einfachen Anwartschaften geht die herrschende Lehre davon aus, dass noch kein eigentlicher Vermögenszuwachs erfolgt ist, sodass sie bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung nicht zu berücksichtigen sind. Hingegen sind jene Anwartschaften, die sich schon zu einem Anwartschaftsrecht verdichtet haben, als vom Güterrecht erfasste Vermögenswerte in die güterrechtliche Auseinandersetzung mit einzubeziehen. Unter einer einfachen Anwartschaft werden bloss mögliche Ansprüche auf künftige Leistungen verstanden, über die vor Fälligkeit nicht verfügt werden kann und die keinen realisierbaren Gegenwert haben. Es handelt sich um eine mehr oder weniger vage Aussicht, Erwartung oder Hoffnung auf den Erwerb eines Vermögenswertes. Dessen Verwirklichung hängt von dem Eintritt einer Bedingung und damit von einem in der Zukunft liegenden, im Zeitpunkt der Scheidung noch ungewissen Ereignis ab. Demgegenüber liegt ein eigentliches Anwartschaftsrecht vor, wenn von einer bereits gesicherten Rechtsstellung des Erwerbs gesprochen werden kann.

Da diese Auffassung nicht unterscheidet, ob Boni, welche in Form der Anwartschaft nach dem Stichtag ausbezahlt werden, bereits beim Unterhalt Berücksichtigung gefunden haben, bleibt die voran zu stellende Problematik der Doppelverwertung ausser Acht. Konsequenz hieraus ist, dass ein Bonus, der monatlichem Einkommen aufgerechnet wird und somit einen erhöhten Unterhaltsanspruch zur Folge hat, selbst dann in der güterrechtlichen Auseinandersetzung berücksichtigt wird und somit unter den Ehegatten zu teilen ist, wenn dieser erst nach dem Stichtag ausbezahlt wird. Der Unterhaltsschuldner wird damit doppelt belastet, da ihn zum einen aufgrund der Berücksichtigung des Bonus bei der Berechnung des Unterhalts eine erhöhte Unterhaltslast trifft und er zum anderen bei der Scheidung eben diesen Bonus zu teilen hat.

Ob es sich bei den Anwartschaften um sichere und durchsetzbare Forderungen handelt, sagt nichts darüber aus, ob die Teilhabe an dieser Anwartschaft überhaupt billig und damit zulässig ist. Zweifel hieran bestehen dann, wenn der gebührende Bedarf, d.h. der in der Ehe zuletzt gelebte Lebensstandard, durch Unterhaltszahlungen gesichert ist, welche mit dem Bonus finanziert werden. Um eben diese Doppelbelastung des Schuldners zu vermeiden, wird in Deutschland im Hinblick auf das bestehende Verbot der Doppelverwertung davon abgesehen, Boni güterrechtlich zu teilen, welche in irgendeiner Weise unterhaltsrelevant waren.

II. DEUTSCHE RECHTSPRECHUNG

Wird ein Unterhalt unter der Berücksichtigung eines regelmässig erzielten Bonus ermittelt, ist klar, dass dieser höher ausfällt, da für die Unterhaltsberechnung auf ein höheres Einkommen (Grundlohn plus Bonus) abgestellt wird. In der Regel vermag der Unterhalt demzufolge auch nur deshalb aufgebracht werden, weil eine jährliche Zusatzzahlung in Form eines Bonus erfolgt, zumindest erwartet wird.

Aus deutscher Sicht besteht hier klar das Verbot der Doppelverwertung. Vor diesem Hintergrund ist in Deutschland anerkannt, dass Positionen wahlweise im Güterrecht oder aber im Unterhalt zu berücksichtigen sind, um den Unterhaltspflichtigen nicht zweifach zu belasten. Es gilt der Grundsatz, dass ein güterrechtlicher Ausgleich dann nicht stattfindet, wenn eine Vermögensposition auf andere Art und Weise – sei es unterhaltsrechtlich, güterrechtlich oder im Wege des Vorsorgeausgleichs – bereits berücksichtigt wurde. Folgerichtig entspricht es herrschender deutscher Rechtsauffassung, dass selbst vor dem Stichtag ausbezahlte Leistungen güterrechtlich nicht zu berücksichtigen sind, sofern diese als Einkommen für den Unterhalt bereits herangezogen wurden. So hat der BGH (Bundesgerichtshof) bereits im Jahr 2002 festgehalten, es wäre unbillig, einen Ehegatten güterrechtlich an einer dem anderen Ehegatten vor dem Stichtag ausbezahlten Abfindung teilhaben zu lassen, soweit er daran bereits durch die Gewährung des unter Einbeziehung dieser insoweit als Einkommen behandelten Abfindung partizipiert. Der BGH hält eine doppelte Teilhabe an unterhaltsrelevanten Einkommen sogar im Falle stillschweigend getroffener Vereinbarungen für unbillig. So wird in Deutschland nicht darauf abgestellt, ob der Bonus, der vor dem Stichtag fällig wird und nach dem Stichtag ausbezahlt wurde, zum Vollrecht erstarkt ist, sofern dieser bereits bei der Unterhaltsberechnung massgeblich war. Vielmehr stellt sich die Frage einer konkreten Anwartschaft erst, wenn ausser Frage steht, dass der Bonus in irgendeiner Art und Weise beim Unterhalt berücksichtigt wurde. Erst dann wird für nach dem Stichtag erfolgte Auszahlungen – ebenso wie in der Schweiz – darauf abgestellt, ob Ansprüche und Anwartschaften, welche bereits vor dem Stichtag bestanden, hinreichend konkret zu einem sogenannten Vollrecht erstarkt sind. Festhalten lässt sich damit, dass ein Bonus nach deutscher Auffassung güterrechtlich immer dann unbeachtlich ist, wenn dieser in irgendeiner Weise bereits beim Unterhalt berücksichtigt wurde.

III. FAZIT

Eine klare Rechtsprechung, wie diese in Deutschland besteht, existiert in der Schweiz nicht. Allerdings sind keine Gründe ersichtlich, weshalb eine unterhaltsberechtigte Person, welche mit einem Unterhalt den in der Ehe gelebten Lebensstandard bestreiten kann, zusätzlich von einem Bonus des Unterhaltspflichtigen profitieren können soll, welcher diesem als Rücklage dient, eben um den Unterhalt bezahlen zu können. Etwas anders ergibt sich selbstverständlich dann, wenn der Unterhalt ohne Berücksichtigung des Bonus ermittelt wurde, womit dieser selbstverständlich vollumfänglich güterrechtlich – auch in Deutschland – zu teilen ist. Um die Doppelbelastung eines Unterhaltsschuldners zu vermeiden, wird teils auch in der Schweiz vertreten, dass im Falle einer bereits erfolgten Berücksichtigung des Bonus bei der Unterhaltsberechnung nur noch der Bonus bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung zu teilen ist, welcher den beim Unterhalt einbezogenen Teil übersteigt. Die zuletzt genannte Auffassung ist überzeugend, nachdem sie dem Sparverhalten der Parteien gerecht wird und zugleich einer Doppelbelastung des Unterhalsschuldners eine klare Absage erteilt.

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7. Februar 2018 / Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher