LEX KOLLER: KÖNNEN PERSONALWOHNUNGEN BETRIEBSSTÄTTEN SEIN?

(EINIGE GEDANKEN ZUR BUNDESGERICHTLICHEN RECHTSPRECHUNG, INSBESONDERE ZU URTEIL 2C_325/2022)

Dr. iur. Hanspeter Geissmann, Rechtsanwalt

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AUSGANGSLAGE

1.

Die (ausländische) Eigentümerin eines Hotelbetriebs in der Schweiz (Davos) trug sich mit der Absicht, ein überbautes Nachbargrundstück zu erwerben, wobei die sich darin befindenden Räume ausschliesslich als Personalzimmer bzw. Wohneinheiten für die Angestellten des Hotels vorgesehen waren. Das Grundstück für die vorgesehenen Personalwohnungen und Personalzimmer sollte nicht durch die Eigentümerin des Hotelbetriebs erworben werden, sondern durch eine Schwestergesellschaft, wobei beide Gesellschaften zu 100% dem gleichen Eigentümer gehörten. Es wurde argumentiert, dass es ausserordentlich schwierig bis unmöglich sei, dem eigenen Hotelpersonal vernünftige und bezahlbare Wohnungen zur Verfügung zu stellen, und dass es insbesondere geradezu unmöglich sei, in der Nähe entsprechende Wohnungen für das Personal zu finden. Geltend gemacht wurde insbesondere auch, dass die Arbeitszeiten des Personals sehr variabel seien, dass auch die Tatsache, dass es sich um einen Saisonbetrieb handle, die Schwierigkeiten noch vergrössere, und dass es in dieser Situation praktisch unmöglich sei, Hotelpersonal zu finden (insbesondere auch Saisonniers), wenn man ihnen keine preislich vernünftigen und in der Nähe liegenden Wohnungen zur Verfügung stellen könne. Genau diese Umstände waren auch der Grund, warum sämtliche Zimmer des zu erwerbenden Grundstücks als Personalzimmer bzw. Wohneinheiten für das Hotelpersonal verwendet werden sollten. Die erstinstanzliche kantonale Bewilligungsbehörde gab grünes Licht, indem es den Erwerb dieses Grundstücks von der Bewilligungspflicht ausnahm. Diese Wohnungen und Zimmer hatten gemäss Verfügung ausschliesslich dem Personal des Hotels zur Verfügung zu stehen, was vertraglich und auch mit Anmerkung im Grundbuch so festgehalten wurde.  

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2.

Die Verfügung der erstinstanzlichen Bewilligungsbehörde des Kantons Graubünden wurde vom Bundesamt für Justiz (BJ) beim Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden mit Beschwerde angefochten. Das Verwaltungsgericht wies die Beschwerde ab und schützte den Entscheid der erstinstanzlichen Bewilligungsbehörde, dass nämlich der Erwerb des Grundstücks mit dem vorgesehenen Zweck nicht der Bewilligungspflicht unterliege. Gegen diesen Entscheid des Verwaltungsgerichts erhob das BJ Beschwerde an das Bundesgericht. Dieses hiess die Beschwerde des BJ gut und hob das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden auf. Es stellte fest, dass der Erwerb dieses Grundstücks der Bewilligungspflicht gemäss Bundesgesetz über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland unterliege.

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3.

Von den involvierten Parteien und Instanzen wurden verschiedene Argumentationslinien verfolgt. Schlussendlich lief die (obsiegende) Argumentationslinie des Bundesgerichts darauf hinaus, dass es sich bei einem Personalhaus nicht um eine Betriebsstätte im Sinne von Art. 2 Abs. 2 lit. a BewG handle, sondern es handle sich um blosse Wohnungen, die nur im Sinne eines «Miterwerbs» gemäss Art. 2 Abs. 3 BewG bewilligungsfrei erworben werden könnten. Gemäss dieser Bestimmung könnten bei einem Erwerb von Betriebsstättengrundstücken, die eben einem Handels-, Fabrikations- oder einem anderen nach kaufmännischer Art geführten Gewerbe, einem Handwerksbetrieb oder einem freien Beruf dienen, gewisse Wohnungen miterworben werden, was gemäss diesem Artikel eigentlich ausschliesslich für Wohnungen (und dafür reservierte Flächen) gelte, die durch Wohnanteilsvorschriften vorgeschrieben seien. Es handle sich um den sogenannten «Miterwerbstatbestand», der es erlaube, Wohnungen, die nicht Betriebsstätten sind und deshalb der Bewilligungspflicht unterliegen, trotzdem mitzuerwerben.

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4.

Gemäss Gesetzestext gilt dies nur für solche Wohnungen, die von Wohnanteilsvorschriften erfasst sind. Nun hat die Praxis weitere Miterwerbstatbestände als zulässig erachtet (was wiederum heisst, dass solche Wohnungen bewilligungsfrei miterworben werden können). Dies gilt für Wohnungen, die für den Betrieb eines Unternehmens oder für die Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit notwendig sind, sowie für Wohnungen, die von einer zu erwerbenden Betriebsstätte praktisch nicht oder nur mit unverhältnismässigem Aufwand abgetrennt werden können. Hinsichtlich der Notwendigkeit von solchen Wohnungen spricht die Praxis immer davon, dass zum Beispiel eine Person in diesem Gebäude wohnen müsse, weil dies bezüglich Sicherheit notwendig sei, mit anderen Worten eine Situation vorliege, die es erfordere, dass Wohnungen für solches Personal vorhanden seien. Und der Tenor des BJ sowie des Bundesgerichts war der, dass es sich hier bei diesen Personalwohnungen nicht um solche Wohnungen handle, die einen solchen Miterwerbstatbestand erfüllen würden. Insbesondere wurde auch darauf hingewiesen, dass dieser Miterwerbstatbestand restriktiv zu handhaben sei.

5.

Es wurden vom Bundesgericht weitere Argumente angeführt, die hier heikel seien, so insbesondere der Umstand, dass nicht die Eigentümerin der Hotelliegenschaft Erwerberin des Grundstücks mit den vorgesehenen Personalwohnungen sein sollte, sondern eine Schwestergesellschaft. Vom Bundesgericht wurde auch nicht entschieden, ob es sich bei diesen Personalwohnungen um betriebsnotwendige Wohnungen handle. Der Grund dafür, dass diese zwei Fragen nicht entschieden wurden (nicht entschieden werden mussten), liegt darin, dass gemäss einer Auslegung des Gesetzestextes in Art. 2 Abs. 3 BewG der «Miterwerb» nur dann möglich sei bzw. einen bewilligungsfreien Erwerb zulasse, wenn der Erwerb der Betriebsstätte (also des Hotels) gleichzeitig mit dem Erwerb der Wohnungen (hier des vorgesehenen Personalhauses) im Rahmen des Miterwerbtatbestandes erfolge. Von einer verlangten Gleichzeitigkeit des Erwerbs findet man in Art. 2 Abs. 3 BewG nichts, sondern dort wird nur von «miterworben» gesprochen. Entscheidend in diesem Fall war das Argument des Bundesgerichts, dass im französischen Text stehe, dass dieser Miterwerbstatbestand nur angerufen werden könne, wenn der Miterwerb «simultanément» erfolge, also gleichzeitig, und nur bei dieser Gleichzeitigkeit bzw. «Simultaneität» könne dieser Miterwerbstatbestand angerufen werden. Weil hier erst zu einem späteren Zeitpunkt das Grundstück mit den vorgesehenen Personalwohnungen erworben werden sollte, liege diese Gleichzeitigkeit bzw. Simultaneität nicht vor, entsprechend könne kein Miterwerbstatbestand geltend gemacht werden. Der Fall war entschieden, ohne dass die eigentlichen Probleme überhaupt angesprochen und diskutiert wurden. Nachvollziehen kann ich persönlich nicht, warum der französische Text derart klar sein soll und der deutsche Text im Sinne des französischen Textes ausgelegt werden muss. Ich zweifle sehr, dass man unter Miterwerb auch eine Gleichzeitigkeit oder Simultaneität mitdenken muss. Aber dies soll auch nicht weiter diskutiert werden, das Bundesgericht hat entschieden.

SIND PERSONALWOHNEINHEITEN FÜR DAS PERSONAL EINES HOTELS TEILE EINER BETRIEBSSTÄTTE?

6.

Ich bin der Meinung, dass diese Frage mit einem klaren Ja beantwortet werden muss. Erstaunlich ist, dass bei den Diskussionen in den Entscheiden und Stellungnahmen der verschiedenen Parteien in diesem Fall zwar immer irgendwie auch das Thema und der Begriff «Betriebsstätten» angesprochen wurde, aber die Betriebsstätten wurden nicht ins Zentrum gestellt. Ein Hotel gilt als Betriebsstätte und kann bewilligungsfrei von jedem Ausländer erworben werden. Betriebsstätten können auch aufgespalten werden und können verschiedenen Eigentümern gehören. Zu einem Hotel gehören nicht nur die Zimmer, Suiten, Appartements (hotelmässig bewirtschaftet) für die Gäste, sondern auch weitere Infrastrukturen (Küche, Aufenthaltsräume, Seminarräume, Garagen, Anlagen für Sport und Unterhaltung, etc.). Meines Erachtens und gerade in der heutigen Zeit müssen auch solche Personalwohneinheiten bzw. Personalzimmer als Teil eines Hotels, und zwar als ausserordentlich wichtiger Teil, betrachtet werden. Und was ein eng verbundener wichtiger Teil eines Hotels ist, ist auch ein Teil dieser Betriebsstätte. Zu einem Hotel gehört eben mehr, gerade in der heutigen Zeit, zudem in Tourismusorten, in denen keine Wohnungen für die Tausenden von Mitarbeitern, vor allem auch von Saisonniers, gefunden werden, die einigermassen bezahlbar sind und auch in einer vernünftigen Distanz zum Hotel liegen. Schauen wir doch etwas in die Wirtschaftsgeschichte  der Industrialisierung zurück: Was wurde als erstes nach Erstellung der Fabrik gebaut? – ganz genau Personalhäuser, Personalunterkünfte. Der damalige Fabrikant wusste, dass er nur dann Erfolg hatte, wenn er gutes Personal bekam, und dieses musste er an sich binden, und das geschah über diese Personalunterkünfte. Nicht anders ist es heute, wo die Wohnungsnot gerade in Tourismusorten (der Fall hier betraf die Gemeinde Davos) derart grassiert, dass es schon geradezu zynisch ist, wenn die Rechtsprechung die Hoteleigentümer darauf verweist, dass man zwar um diese Sorgen wisse, aber das sei halt einfach so.

7.

Es sei daran erinnert, dass nicht nur einfache Hotelzimmer, sondern auch Suiten etc. ganz klar als Teil einer Betriebsstätte gelten, und zudem auch Appartements, die hotelmässig bewirtschaftet werden. Man weiss in etwa, wie diese hotelmässige Bewirtschaftung zu gestalten ist, damit die bewirtschafteten Appartements als Teil einer Betriebsstätte gelten, die entsprechend auch bewilligungsfrei erworben werden können – in dieser Situation die Personalhäuser bzw. Personalwohnungen nicht als Teil einer Betriebsstätte (nämlich der Betriebsstätte Hotel) zu betrachten, ist meines Erachtens unangebracht, geradezu zynisch. Mit anderen Worten bin ich klar der Meinung, dass derartige Personalhäuser und Personalwohnungen, die nur dem Personal zur Verfügung stehen, und die nicht zu Wohnungen umfunktioniert werden dürfen, die von jedem Dritten bewohnt werden können, und wobei diese Einschränkungen und Bedingungen vertraglich fixiert sind und im Grundbuch angemerkt werden, ganz klar als Betriebsstätten betrachtet werden müssen. Möglich ist, dass nicht in jedem Ort und überall ein solches Personalhaus als Betriebsstätte gilt oder gelten kann, sondern da müsste man wohl den Bewilligungsbehörden ein gewisses Ermessen zugestehen. Die Bewilligungsbehörde müsste abklären, inwiefern eine Wohnungsnot besteht, inwiefern ein ins Auge gefasstes Objekt sich tatsächlich so nahe beim Hotel befindet, dass es funktional zum Hotel gehört, und es wäre dafür zu sorgen, dass diese Wohnungen auch nur vom Hotelpersonal (allenfalls von eigenen engsten Angehörigen) bewohnt werden dürften.

8.

Die Frage, inwiefern Wohnraum unter gewissen Umständen auch als Betriebsstätte gelten könne, wurde bisher insbesondere unter dem Aspekt geprüft, ob diese Wohnräume hotelmässig bewirtschaftet werden oder nicht. Und die heute geltende Praxis geht davon aus, dass tatsächlich derartige Wohnräume Betriebsstättencharakter haben können, wenn diese tatsächlich hotelmässig bewirtschaftet werden. Dann können sie als Teil eines Hotels und somit als Betriebsstätte betrachtet werden. Dass in der Vergangenheit dieses Thema im Wesentlichen unter dem Aspekt der hotelmässigen Bewirtschaftung beurteilt wurde, dürfte insbesondere auch damit zusammenhängen, dass während der Geltung der «Lex Furgler» (in Kraft getreten am 01.02.1974, abgelöst durch die «Lex Friedrich», in Kraft gesetzt am 01.01.1985) die Frage, inwiefern Wohnraum im Zusammenhang mit einem Hotel als Betriebsstätte betrachtet werden konnte, allein unter dem Aspekt geprüft werden konnte, inwiefern dieser Wohnraum mit der Verpflichtung verbunden war, hotelmässige Dienstleistungen zu erbringen bzw. (für den Gast) diese Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen. Dies wurde in der Verordnung zur Lex Furgler in Art. 13 Abs. 4 lit. b ausdrücklich so festgehalten. Mit anderen Worten konnte Wohnraum, der mit einem Hotel (Betriebsstätte) verbunden war, nur dann als Teil einer Betriebsstätte gelten, wenn dieser Wohnraum hotelmässig bewirtschaftet wurde.

Mit der Lex Friedrich, in Kraft gesetzt am 01.01.1985, wurde die entscheidende Verordnungsbestimmung zur Lex Friedrich dahingehend abgeändert, dass Wohnraum, der «nicht zu einem Hotel oder Apparthotel gehört», keine Betriebsstätte sein konnte. In Art. 3 der heute noch geltenden Verordnung gemäss Lex Koller findet sich die materiell genau gleiche Bestimmung. Das heisst wiederum, dass die Frage, welche Räume «zu einem Hotel oder Apparthotel gehören» können und entsprechend als Betriebsstätte betrachtet werden können, wesentlich offener ist und diese Bestimmung nicht nur im Zusammenhang mit hotelmässig bewirtschafteten Wohneinheiten angewendet werden kann. Es liegt geradezu auf der Hand, dass im Zusammenhang mit dieser offeneren Formulierung («gehört zu einem Hotel oder Apparthotel») die Personalwohnungen geradezu als Musterfall für Wohneinheiten zu betrachten sind, die eine Betriebsstätte begründen. Wenn die Situation so ist – und sie ist es tatsächlich –, dass Hotels darauf angewiesen sind, dass sie für Personal in der Nähe des Hotels liegende und zudem bezahlbare Wohnräume zur Verfügung stellen können, ansonsten kein Personal gefunden werden kann (insbesondere nicht Saisonniers), dann genügt es nicht, dies einfach zur Kenntnis zu nehmen und zu bedauern, sondern dann ist es ein Gebot der Stunde, derartige Personalwohneinheiten als Teil eines Hotels und endsprechend als Betriebsstätten zu betrachten.

9.

Im Übrigen würde ich nicht ausschliessen, dass derartige Personalwohnungen auch als eigentliche hotelmässig bewirtschaftete Appartements bzw. Wohneinheiten zu betrachten wären. Es wohnen Personen dort drin, die für das Hotel arbeiten. Die Personen, die in diesen Personalwohneinheiten wohnen, würden auch den ganzen Service (z.B. Reinigung, Schliessung, Unterhalt, etc.) beanspruchen, wie dies andere Hotelgäste auch tun. Diese Personen werden in der Regel auch vom Hotel verpflegt. Und diese Personen bezahlen dafür auch, indem sie entweder den Mietzins separat bezahlen müssen, in der Regel aber wohl das Entgelt für Unterkunft und Verpflegung vom Lohn abgezogen wird, was nichts anderes ist als eine andere Art von Bezahlung. Meines Erachtens besteht da kaum ein Unterschied zwischen hotelmässig bewirtschafteten Wohneinheiten für Gäste einerseits, Personal andererseits. In den einen Räumen wohnen Touristen, in den andern Hotelpersonal. Beide Kategorien beanspruchen Leistungen, beide Kategorien müssen dafür bezahlen. Und bei beiden Kategorien muss das Hotel Leistungen erbringen, eben die hotelmässige Bewirtschaftung der Räume.

AUSBLICK

10.

Das Bundesgericht hat im genannten Entscheid diverse Fragen offengelassen. Es hat sich auf eine Auslegung des Miterwerbs festgelegt, die nicht so schnell überwunden werden kann – ich würde dazu auch nicht raten. Aber ich könnte mir vorstellen, dass es nicht aussichtslos wäre, von einem Gericht (allenfalls vom höchsten) eine positive Antwort zu erhalten auf die Frage, ob Personalwohnungen für das Hotelpersonal nicht auch (allenfalls unter gewissen Bedingungen) Teile von Betriebsstätten sein könnten. Man sollte es vielleicht probieren und das Bundesgericht dazu zwingen, genau diese Frage zu beantworten.


21. Juni 2024 / Hanspeter Geissmann




UNTERSTELLUNG STRATEGISCHER INFRASTRUKTUREN DER ENERGIEWIRTSCHAFT UNTER DIE LEX KOLLER – IST DIES DER RICHTIGE WEG ?

Dr. iur. Hanspeter Geissmann, Rechtsanwalt

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I. AUSGANGSLAGE

Durch eine parlamentarische Initiative, eingereicht am 16.12.2016 durch Nationalrätin Jacqueline Badran, ist gewaltig Bewegung in die im Titel aufgeworfene Frage gekommen, wobei die Bewegungen immer kräftiger wurden und schlussendlich dazu führten, dass nach Annahme der parlamentarischen Initiative durch Nationalrat und Ständerat im Jahr 2018 die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrates (UREK-N) am 13. Oktober 2021 einen Vorentwurf zur Änderung der Lex Koller verabschiedete und am 3. November 2021 in die Vernehmlassung gab. Das Vernehmlassungsverfahren dauerte vom 3. November 2021 bis zum 17. Februar 2022, wurde von verschiedensten Personen, Organisationen, Unternehmen, Parteien etc. wahrgenommen, und schlussendlich gingen 91 Stellungnahmen ein, die inhaltlich sehr unterschiedlich waren. Die Inhalte, Kritiken und Forderungen der verschiedenen Vernehmlassungen erstreckten sich von totaler Zustimmung bis zu totaler Ablehnung, wobei zudem festgestellt werden konnte, dass viele Vernehmlassungsteilnehmer zwar durchaus eine Regelung der Behandlung von strategischen Infrastrukturen (allgemeinen und nicht nur derjenigen der Energiewirtschaft) begrüssten und als richtig empfanden, wobei dies allerdings nicht im Rahmen einer Änderung der Lex Koller geschehen sollte, sondern in einem eigenständigen Rechtserlass. Die Mehrheit des Nationalrates wollte von den Kritiken und Ablehnungen verschiedenster Seiten nichts wissen, sondern trat auf den Entwurf ein und verabschiedete ihn mit 120 gegen 72 Stimmen relativ klar. Dabei wurde vom Nationalrat der Vorentwurf der Kommission unverändert übernommen. Dies heisst, dass gemäß Meinung des Nationalrates die bisherige Lex Koller («Bundesgesetz über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland, BewG») wesentlich und durch Aufnahme verschiedenster Bestimmungen im Zusammenhang mit dem Erwerb strategischer Infrastrukturen der Energiewirtschaft geändert werden soll und schlussendlich auch einen neuen Namen bekommen würde, nämlich «Bundesgesetz über den Erwerb von Grundstücken und strategischen Infrastrukturen der Energiewirtschaft durch Personen im Ausland (EGIAG)».

Art. 1 dieses neuen EGIAG würde heissen:

«Dieses Gesetz beschränkt den Erwerb durch Personen im Ausland:

a. von Grundstücken, um die Überfremdung des einheimischen Bodens zu verhindern;

b.    von strategischen Infrastrukturen der Energiewirtschaft, um die Schweizer Volkswirtschaft zu schützen und die Energieversorgung in der Schweiz sicherzustellen.»

Der relativ klare (vielleicht für gewisse Personen überraschende) Entscheid im Nationalrat kam insbesondere auch dadurch zustande, dass eine (manche sagen «unheilige») Allianz zwischen SP, SVP und Grünen zustande kam und zu diesem Ergebnis führte.

Zu bemerken ist auch, dass sich der Bundesrat gegen dieses Vorgehen ausgesprochen hatte. Mit Spannung darf man erwarten, wie sich der Ständerat zu diesen Fragen stellt.

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II. DISKUSSION DER PROBLEMATIK

Ich habe in einem Artikel vom 29. Oktober 2019 (aufgeschaltet auf der Webseite www.geissmannlegal.ch) bereits zu dieser Thematik Stellung genommen, dies im Zusammenhang mit einem möglichen Verkauf von AXPO, wo ich die Frage stellte, ob dies ein Fall für die Lex Koller wäre. Meine Antwort war damals klar: Falls man zum Schluss gelangt, dass es richtig bzw. notwendig ist, strategische Infrastrukturanlagen im Sinne einer Versorgungssicherheit zu schützen bzw. insbesondere auch die Veräußerung an Ausländer zu verbieten bzw. zumindest zu kontrollieren, zu beschränken bzw. einem Bewilligungsverfahren zu unterstellen, so hat dies in einem eigenständigen Rechtserlass zu geschehen, aber ganz sicher nicht im Rahmen einer Änderung der Lex Koller. Und diese Ansicht vertrete ich nach wie vor bzw. eher noch mehr als damals. Es gibt dafür mehrere Gründe:

Das BewG hat eine jahrzehntelange kontinuierliche Geschichte – dies äussert sich schon darin, dass die jeweils zuständigen Bundesräte (Celio, von Moos, Furgler, Friedrich, Koller) gleich auch den entsprechenden Rechtserlassen (durchaus volkstümlich) je ihren Namen gaben. Diese Erlasse (Bundesbeschlüsse und Bundesgesetze) wurden mehrere Male revidiert und den neuen Bedürfnissen bzw. politischen Zielen angepasst. Insbesondere die Fassungen des BewG vom 16. Dezember 1983 (Lex Friedrich) und vom 30. April 1997 (Lex Koller) sind derart beschaffen, dass trotz gewisser Änderungen diese Gesetze in den letzten 40 Jahren immer noch in den wichtigsten Grundzügen und Regelungen erkennbar geblieben sind. Es hat sich in diesen Jahrzehnten auch eine recht konstante Praxis gebildet, und auch die umfassende Rechtsprechung ist in sich weitgehend widerspruchslos und einheitlich geblieben. Dies zeigt sich z. B. auch darin, dass heute Bundesgerichtsentscheide, die 40 Jahre oder sogar wesentlich älter sind und sich noch auf Vorgängererlasse beziehen, immer noch anwendbar sind. Wenn etwa in der parlamentarischen Diskussionen zur hier thematisierten Frage die Meinung geäussert wurde, dass das BewG heute ein «Flickwerk» sei, kann dem nicht zugestimmt werden.

Das Ziel der entsprechenden Erlasse betreffend Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland war immer das gleiche und wurde immer im gleichen Zweckartikel formuliert, dass nämlich der Erlass den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland beschränkte, um die Überfremdung des einheimischen Bodens zu verhindern. Dies war während Jahrzehnten der einzige Zweck des Gesetzes, und nur um diesen ging es. Der neue Zweckartikel des Vorentwurfs zeigt deutlich, dass nunmehr zwei völlig unterschiedliche Zwecke verfolgt werden sollen. Und der neue Titel: «Bundesgesetz über den Erwerb von Grundstücken und strategischen Infrastrukturen der Energiewirtschaft durch Personen im Ausland EGIAG» macht endgültig klar, um was es neu gehen würde.

Es sind zwei völlig unterschiedliche Zwecke, die hier in einem Gesetz verfolgt werden sollen, was nicht gut gehen kann. Dies sieht man insbesondere auch daran, dass alle Artikel im Entwurf, welche sich zum Thema «strategische Infrastrukturen» äussern, völlig eigenständig und losgelöst sind und keinen Bezug zu den bisherigen Bestimmungen haben, die sich eben nur zum Grundstückerwerb äussern. Die beiden «zwangsverheirateten» Themen sind absolut nicht vereinbar und haben (thematisch) nichts miteinander zu tun. Zwei Bereiche, die sich völlig fremd sind, sollen in einem einheitlichen Gesetz geregelt werden. Dass dies nicht funktionieren kann, sieht man auch daran, dass im Entwurf bezüglich Behörden und Verfahren beim Erwerb von strategischen Infrastrukturen der Energiewirtschaft ein vollständig neues Kapitel eingeführt werden musste, weil die im bisherigen BewG vorhandenen Verfahren und Behördenstrukturen nicht auf das Thema der Infrastrukturkontrolle übertragen werden können. Berücksichtigt man zudem, welche Behörden schlussendlich zuständig sind, wird absolut klar: Währenddem für die bisherige Thematik des Grundstückerwerbs eine austarierte Behörden- und Verfahrensordnung mit den in der Schweiz bekannten und geläufigen Behörden und Abläufen vorhanden ist, gibt es im Rahmen der Thematik «Infrastrukturen» praktisch nur noch eine Instanz: den Bundesrat – gegen dessen Entscheide zudem kein Rechtsmittel existiert. Schon dies lässt mehr als aufhorchen.

Zum Thema des Schutzes inländischer strategischer Infrastrukturen gegen unerwünschte Übernahmen durch ausländische Investoren gibt es nicht nichts, sondern es existiert bereits ein Vorentwurf mit dem Titel «Bundesgesetz über die Prüfung ausländischer Investitionen (Investitionsprüfgesetz, IPG)». In diesem Vorentwurf wird in einem eigenständigen Rechtserlass die gesamte Thematik des Schutzes inländischer strategischer Infrastrukturen geregelt.

In diesem Vorentwurf zu einem Investitionsprüfgesetz geht es gemäss Zweckartikel darum, Übernahmen inländischer Unternehmen durch ausländische Investoren zu verhindern, welche die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden oder bedrohen. Der Zweckartikel ist relativ weit formuliert, und es geht nicht nur um den Schutz strategischer Infrastrukturen der Energiewirtschaft und um die Sicherstellung der Energieversorgung in der Schweiz, sondern um viel mehr. Dies ergibt sich auch aus der Aufzählung in Artikel 4 des Vorentwurfs, wo die heiklen Bereiche aufgezählt werden, die bei Übernahme durch ausländische Investoren die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Schweiz gefährden oder bedrohen könnten: Man findet die Begriffe Rüstungsgüter, Übertragungsnetze für Elektrizität, Kraftwerke zur Elektrizitätsproduktion, Erdgas-Hochdruckleitungen, Wasserversorgung, IT-Systeme, Universitätsspitäler, Forschung, Entwicklung, Produktion und Vertrieb von Arzneimitteln, Medizinprodukten, Impfstoffen, spezielle Unternehmen für den Transport von Gütern und Personen, Eisenbahninfrastrukturen, Lebensmittel-Verteilzentren, Telekommunikationsnetze, bedeutsame Finanzmarktinfrastrukturen, systemrelevante Banken. Die Genehmigungskriterien für eine Bewilligung zum Verkauf an Ausländer werden definiert, und es wird ein relativ aufwendiges Genehmigungsverfahren skizziert, wobei diverse Behörden in den Genehmigungsprozess eingebunden sind. Wenn man der Meinung ist, dass es notwendig ist, dieses Gebiet der verschiedensten strategischen Infrastrukturen zu regeln, dann ist nicht verständlich und nicht nachvollziehbar, warum jetzt nicht mit den Arbeiten am Investitionsprüfgesetz weitergefahren wird (wobei zuzugeben ist, dass es sich hier um eine Materie handelt, deren gesetzliche Regelung ausserordentlich schwierig sein dürfte), und warum stattdessen ein Bereich (strategische Infrastrukturen der Energiewirtschaft) herausgepflückt und in die Lex Koller transferiert werden soll – in ein Gesetz, das ganz andere Ziele verfolgt als den Schutz der Volkswirtschaft und die Sicherstellung der Energieversorgung.

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III. ES BLEIBEN FRAGEN OFFEN

Was der Grund dafür ist, dass der Nationalrat offenbar der Meinung ist, dass aus dem ganzen Gebiet der strategischen Infrastrukturen jetzt nur diejenigen der Energiewirtschaft im Rahmen der Lex Koller gesetzlich geregelt werden sollen, erschließt sich für mich nicht ganz. Und dass und warum es völlig falsch ist, diese Thematik im BewG zu regeln, habe ich ausgeführt. Mag sein, dass die Energie (gerade heute) verglichen mit anderen Infrastrukturen absolut prioritär ist bzw. am meisten unter den Nägeln brennt, weshalb jetzt eine «mutige Tat» folgen soll, was insbesondere auch in Wahljahren Stimmen bringen könnte. Vielleicht sind Aussagen in gewissen Vernehmlassungen zum Vorentwurf betreffend Änderung der Lex Koller, dass nämlich ein Vorteil dieses Vorgehens darin bestehen könnte, dass es einfacher sei und vor allem schneller gehe, wenn man ein bestehendes Gesetz ändern würde statt ein neues Gesetz auszuarbeiten und in Kraft zu setzen, gar nicht so abwegig.

Vielleicht geht es aber auch um etwas ganz anderes: Bekanntlich hat Nationalrätin Badran als Autorin dieser parlamentarischen Initiative schon früher die klare Forderung aufgestellt, man müsse die Lex Koller in dem Punkt rückgängig machen bzw. revidieren, dass der Erwerb von Betriebsstättengrundstücken nicht mehr von der Bewilligungspflicht ausgenommen werde, sondern dass wieder ein Bewilligungsverfahren eingeführt werden müsste. Wenn man dieses Ziel verfolgt, dann würde ein kluger Schachzug darin bestehen, jetzt zumindest einmal die Energieinfrastrukturen in die Lex Koller einzupflanzen, womit man es geschafft hätte, zumindest einmal eine Gruppe von Betriebsstätten in der Lex Koller der Bewilligungspflicht zu unterstellen. Der zweite und viel wichtigere Schritt, nämlich sämtliche Betriebsstättengrundstücke wieder der Bewilligungspflicht zu unterstellen, wäre dann wohl (so dürfte wohl die Spekulation sein) viel einfacher zu tun.

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IV. FAZIT

Wenn der Schutz strategischer Infrastrukturen der Schweiz tatsächlich ein Thema ist, das gesetzlich geregelt werden soll, dann verdient es diese komplizierte und schwierige Materie auch, dass ein Rechtserlass mit der Sorgfalt ausgearbeitet wird, die sie verdient. Und für diesen Fall braucht es einen separaten und von der Lex Koller getrennten neuen Rechtserlass. Die Lex Koller andererseits verdient es auch nicht, dass ihr plötzlich ein zusätzlicher fremder Zweck eingepflanzt wird und dieses Gesetz dafür herhalten muss, auf die Schnelle eine ganz andere Thematik zu regeln. Solches Vorgehen führt zu Pfusch – es ist zu hoffen, dass der Ständerat hier Einhalt gebietet.


3. Juli 2023 / Hanspeter Geissmann




LEX KOLLER – ERWERB EINES GRUNDSTÜCKS DURCH EINEN (DER BEWILLIGUNGSPFLICHT UNTERLIEGENDEN) ERBEN VERBUNDEN MIT DER AUFLAGE, DAS GRUNDSTÜCK INNERT ZWEIER JAHRE WIEDER ZU VERÄUSSERN (Art. 8 Abs. 2 BewG)

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Dr. iur. Hanspeter Geissmann, Rechtsanwalt

Dr. iur. Hanspeter Geissmann, Rechtsanwalt bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

Das BewG sieht in Art. 8 verschiedene allgemeine Bewilligungsgründe vor, so (immer unter gewissen Voraussetzungen) für den Erwerb von Grundstücken als Kapitalanlage, zur Personalvorsorge von inländischen Betriebsstätten, zu gemeinnützigen Zwecken und zur Deckung pfandgesicherter Forderungen bestimmter ausländischer und ausländisch beherrschter Banken und Versicherungseinrichtungen in Zwangsverwertungen und Liquidationsvergleichen. Zudem sieht Art. 8 Abs. 2 BewG vor, dass einem Erben, welcher der Bewilligung bedarf und keinen Bewilligungsgrund hat, der Erwerb eines Grundstücks mit der Auflage bewilligt wird, das Grundstück
innert zweier Jahre wieder zu veräussern. Wenn der Erbe enge, schutzwürdige Beziehungen zum Grundstück nachweist, kann die Bewilligung ohne diese Auflage erteilt werden (diese Variante wird im Folgenden nicht speziell diskutiert).

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Art. 8 Abs. 2 erster Satz BewG befasst sich somit mit dem ausländischen Erben, welcher der Bewilligungspflicht unterliegt, mit anderen Worten nicht zu der Gruppe der gesetzlichen Erben im Sinne des schweizerischen Rechts gehört, die von der subjektiven Bewilligungspflicht befreit sind, sowie der Verwandten des Veräusserers gehört, die ebenfalls von der subjektiven Bewilligungspflicht ausgenommen sind und entsprechend bewilligungsfrei Grundstücke in der Schweiz erwerben können (vgl. Art. 7 lit. a und b BewG).

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Falls es sich beim geerbten Grundstück um ein solches handelt, das bewilligungsfrei erworben werden kann, also nicht der objektiven Bewilligungspflicht unterliegt, weil es sich zum Beispiel um ein Betriebsstättengrundstück handelt, dann gelten die vorausgegangenen und nachfolgenden Ausführungen betreffend Bewilligungspflicht nicht. Die ausländische Person, die der subjektiven Bewilligungspflicht unterliegt, braucht eine Bewilligung nur für solche Grundstücke, bei denen auch die objektive Bewilligungspflicht vorliegt, was i.d.R. bei Wohngrundstücken bzw. auch bei Bauland zutrifft. Ein bewilligungspflichtiger ausländischer Erbe kann selbstverständlich auch im Erbgang diejenigen Grundstücke bewilligungsfrei erwerben, die nicht der Bewilligungspflicht unterliegen, insbesondere also Betriebsstätten.

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Der bewilligungspflichtige ausländische Erbe kann nun aber gemäss diesem speziellen Artikel ein (bewilligungspflichtiges) Grundstück in der Schweiz erwerben, wobei dafür allerdings eine Bewilligung erforderlich ist, ihm diese Bewilligung aber auch unter Auflagen zu erteilen ist. Anzumerken ist, dass diese hier besprochene Regelung nur im Rahmen eines Erbganges anwendbar ist, und nicht etwa auch im Zusammenhang mit einem anderswie gearteten Rechtsgeschäft unter Lebenden. Es muss also ein Erbgang eröffnet worden sein, durch welchen Erbgang der Erbe ein Grundstück erwirbt (vgl. Mühlebach/Geissmann, Kommentar zum Bundesgesetz über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland, Brugg/Baden 1986, Art. 8, N 4; Geissmann/Huber/Wetzel, Grundstückerwerb in der Schweiz durch Personen im Ausland, Zürich 1998, N 104). Neben dem Erben im eigentlichen Sinn ist die gleiche Bestimmung auch auf den Vermächtnisnehmer anzuwenden (Mühlebach/Geissmann, a.a.O., Art. 8, N 47; ebenfalls Geissmann/Huber/Wetzel, a.a.O., N 104).

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Das BewG sieht nun allerdings eine wesentliche Auflage vor, indem ein entsprechender Erwerb nur mit der Auflage bewilligt werden darf, dass das Grundstück innert zweier Jahre wieder zu veräussern ist.

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Die Frist von 2 Jahren zur Vornahme der Veräusserung ist eine gesetzliche Frist, die also nicht verlängert werden kann. Die Frist ist mit einer Auflage verbunden, die vom Erwerber eingehalten werden muss, wobei es bei Nichteinhaltung zu rechtlichen Konsequenzen führt.
Gemäss Art. 25 Abs. 1 BewG wird eine Bewilligung von Amtes wegen widerrufen, wenn der Erwerber eine Auflage trotz Mahnung nicht einhält. Mit anderen Worten kann eine Bewilligung nur dann widerrufen werden, wenn bei Nichteinhaltung der Auflage vorher eine behördliche Mahnung erfolgt, diese jedoch nichts fruchtet. Eine solche Mahnung muss unseres Erachtens von der zuständigen Behörde ausgehen, wobei es sich um diejenige Behörde handeln muss, die auch für einen Widerruf der Bewilligung zuständig ist. Dies ist die erstinstanzlich zuständige Bewilligungsbehörde. Weiter muss eine Mahnung unmissverständlich ausgesprochen werden, zudem muss unseres Erachtens mit dieser Mahnung die Drohung verbunden sein, dass bei Nichteinhaltung der Auflage der Widerruf der Bewilligung verfügt wird. (vgl. Mühlebach/Geissmann, a.a.O., Art. 25, N 8). Unseres Erachtens ist es zulässig, dass die für den Widerruf zuständige Behörde eine erste Mahnung noch nicht mit der Androhung des Widerrufs verbinden muss, sondern allenfalls in einem ersten Schritt eine etwas «mildere Form» anwendet und zuerst eine Mahnung ohne Androhung des Widerrufs verschickt. Mahnungen müssten unseres Erachtens zudem mit einer klaren und unmissverständlichen Fristansetzung für die Einhaltung der Auflage (Veräusserung des Grundstücks) verbunden sein, wobei eine Frist angesetzt wird, die so bemessen ist, dass eine Wiederveräusserung auch faktisch möglich ist. Dabei dürfte die Behörde wohl berücksichtigen, dass der veräusserungspflichtige Erbe bereits 2 Jahre Zeit hatte, um sich um eine Wiederveräusserung zu kümmern, was wiederum heisst, dass die anzusetzende Frist nicht allzu lange bemessen sein muss.

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Es fragt sich nun noch, wann die 2-jährige Frist für eine Wiederveräusserung des durch Erbgang erworbenen Grundstücks zu laufen beginnt. Das BewG sagt darüber nichts aus – in den Kommentaren und Materialien fehlen ebenfalls nähere Angaben. Die Praxis der Behörden und der Gerichte ist nicht einheitlich. So findet man in Entscheiden die Formulierung, dass die Grundstücke innert 2 Jahren seit dem Eigentumsübertrag wieder verkauft werden müssen; man findet die Variante, dass kein Fristbeginn im Entscheid speziell erwähnt wird (also praktisch das Gesetz in Art. 8 Abs. 2 BewG wiedergegeben wird); und man findet die Regelung, dass die Grundstücke innert 2 Jahren ab Rechtskraft der Verfügung bzw. des Beschlusses bzw. des Entscheides wieder zu veräussern sind. Diese letztere Variante ist sicher die richtige und muss auch dort gelten, wo in einem Entscheid nichts über den Beginn der Frist ausgesagt wird. Auch dort läuft die Frist nach unserer klaren Auffassung erst ab Rechtskraft des entsprechenden Entscheides, der die Wiederveräusserungspflicht als Auflage enthält.

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Insbesondere die Variante, dass das Grundstück innerhalb von 2 Jahren nach dem Eigentumsübertrag bzw. dem durch Erbgang erfolgten Grundstückerwerb durch den entsprechenden Erben vorgenommen werden muss, kann nicht richtig sein. Denn regelmässig geht es bei entsprechenden Rechtsstreitigkeiten eines Erben in diesem Zusammenhang um die Frage, ob der Erbe nicht allenfalls sogar gesetzlicher Erbe ist und demgemäss im Sinne von Art. 7 lit. a BewG sogar von der subjektive Bewilligungspflicht befreit wäre, oder dass er im Sinne von Art. 8 Abs. 2 Satz 2 BewG enge, schutzwürdige Beziehungen zum Grundstück hätte, sodass die Bewilligung ohne entsprechende Auflage erteilt werden könnte; der Streit kann insbesondere auch über die Frage entstehen, ob das erworbene Grundstück objektiv tatsächlich der Bewilligungspflicht unterliegt und nicht allenfalls bewilligungsfrei erworben werden könnte (wenn das Grundstück zum Beispiel eine Betriebsstätte wäre, was auch nicht immer von Anfang an mit absoluter Sicherheit gesagt werden kann). Derartige Streitigkeiten können sich über Jahre hinziehen, bis sie tatsächlich rechtskräftig entschieden sind. Und es kann nicht sein, dass vor der Klärung dieser entscheidenden Fragen der Erbe, der ein Grundstück im Erbgang erworben hat, bereits während des noch hängigen Verfahrens das Grundstück veräussern müsste.

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ZUSAMMENFASSUNG

Ein ausländischer und der subjektiven Bewilligungspflicht unterliegender Erbe kann in einem Erbgang ein bewilligungspflichtiges Grundstück in der Schweiz erwerben, wobei er dafür eine Bewilligung braucht. Er hat Anspruch auf Erteilung dieser entsprechenden Bewilligung, wobei diese Bewilligung mit der Auflage verbunden werden muss, das Grundstück innerhalb von 2 Jahren wieder zu veräussern, wobei die Zweijahresfrist (ob im Entscheid erwähnt oder nicht erwähnt) ab Rechtskraft der Verfügung bzw. des Entscheides zu laufen beginnt.


12. Januar 2023 / Hanspeter Geissmann




LEX KOLLER UND ZIVILRECHT – UNWIRKSAMKEIT UND NICHTIGKEIT

Dr. iur. Hanspeter Geissmann, Rechtsanwalt

Dr. iur. Hanspeter Geissmann, Rechtsanwalt bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

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I. AUSGANGSLAGE

Gemäss heutiger Fassung des Bundesgesetzes über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland (BewG, Lex Koller), Art. 26, sind Rechtsgeschäfte über einen Erwerb, für den der Erwerber einer Bewilligung bedarf, ohne rechtskräftige Bewilligung bzw. vor rechtskräftiger Erteilung einer Bewilligung unwirksam. Derartige unwirksame Rechtsgeschäfte werden unter bestimmten Umständen nichtig, nämlich:

– wenn der Erwerber das Rechtsgeschäft vollzieht, ohne um die Bewilligung nachgesucht zu haben oder bevor die Bewilligung in Rechtskraft tritt;

– wenn die Bewilligungsbehörde die Bewilligung rechtskräftig verweigert oder widerrufen hat;

– wenn der Grundbuchverwalter oder Handelsregisterführer die Anmeldung abweist (dann, wenn nicht bereits vorgängig die Bewilligungsbehörde die Bewilligung verweigert hat);

– wenn die Steigerungsbehörde den Zuschlag aufhebt (in den Fällen, in denen die Bewilligungsbehörde die Bewilligung nicht vorgängig verweigert hat).

Unwirksamkeit und Nichtigkeit sind von Amtes wegen zu beachten (Art. 26 Abs. 3 BewG). Sie haben zur Folge, dass versprochene Leistungen nicht gefordert werden dürfen, und dass erbrachte Leistungen innerhalb bestimmter Fristen zurückgefordert werden können. Zudem haben sie zur Folge, dass von Amtes wegen auf Beseitigung eines rechtswidrigen Zustandes geklagt wird.

Die heutige Fassung von Art. 26 BewG ist (mit einer kleinen Ausnahme betreffend Gerichtsstand) absolut identisch mit der Fassung gemäss Lex Friedrich, gilt also seit Inkraftsetzung der Lex Friedrich vom 01.01.1985. Die Begriffe Unwirksamkeit und Nichtigkeit und die entsprechenden Folgen waren zudem in den Hauptpunkten bereits vorher im alten Bundesbeschluss (Lex Furgler) angelegt und enthalten.

Was relativ klar und einfach interpretierbar und umsetzbar daherkommt, enthält in Tat und Wahrheit einige Unsicherheiten. Der Grund dafür dürfte darin liegen, dass das BewG grundsätzlich öffentliches Recht ist, dass auch die gesamten Bestimmungen im Zusammenhang mit den Fragen zur Bewilligungspflicht von Grundstücksgeschäften öffentliches Recht sind, die nun aber ganz direkte und sehr eingreifende zivilrechtliche Folgen haben. Mit andern Worten begegnen sich öffentliches Recht und Zivilrecht in diesem Art. 26 sowie auch in Art. 27 BewG in direktester Art, und daraus ergeben sich teilweise Schwierigkeiten. Eines dieser Themen soll im Folgenden aufgegriffen werden.

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II. UNWIRKSAMKEIT

Gemäss Art. 26 Abs. 1 BewG bleiben Rechtsgeschäfte über einen Erwerb, für den der Erwerber einer Bewilligung bedarf, ohne rechtskräftige Bewilligung unwirksam. Klar und unbestritten ist, dass nicht jedes Rechtsgeschäft im Zusammenhang mit einem Grundstückerwerb (vorläufig) unwirksam ist, sondern nur dasjenige, das auch tatsächlich der Bewilligungspflicht unterliegt. Nun gibt es allerdings verschiedene Rechtsgeschäfte, bei denen unsicher ist, ob sie bewilligungspflichtig sind oder nicht – und auch von denen sind nur diejenigen tatsächlich unwirksam, die (was sich erst später herausstellt) einer Bewilligungspflicht unterliegen. Mit anderen Worten ist davon auszugehen, dass jedes Rechtsgeschäft über einen Grundstückerwerb, bei dem nicht absolut ausgeschlossen werden kann, dass es der Bewilligungspflicht gemäss BewG unterliegt, in diesem ersten Stadium einer Unsicherheit unterliegt, nämlich genau der Unsicherheit, ob es rechtswirksam ist oder nicht, und dies ist erst dann geklärt, wenn die (öffentlichrechtliche) Frage, ob dieses Geschäft bewilligungspflichtig ist oder nicht, rechtskräftig entschieden ist. Mit andern Worten tun die Parteien gut daran, bei jedem Rechtsgeschäft über ein schweizerisches Grundstück, das auch nur ansatzweise einem Verdacht auf Bewilligungspflicht unterliegt, die Frage der Bewilligungspflicht bei den Behörden (im Rahmen einer Feststellungsverfügung) rechtskräftig abzuklären. Dies kann vor oder nach Abschluss des Rechtsgeschäftes erfolgen.

Wie gesagt bleiben nur diejenigen Rechtsgeschäfte, die tatsächlich einer Bewilligungspflicht unterliegen, vor Erteilung der Bewilligung unwirksam – aber welche Rechtsgeschäfte von dieser Unwirksamkeit betroffen sind, weiss man während einer gewissen Zeit nicht. Was bedeutet dies nun zivilrechtlich? – Im Merkblatt des Bundesamtes für Justiz «Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland», Stand 08.01.2019, wird unter Ziff. 11 ausgeführt, dass das bewilligungspflichtige Rechtsgeschäft unwirksam bleibe, solange keine rechtskräftige Bewilligung vorliege, dies steht in Art. 26 Abs. 1 BewG und ist unbestritten; der nächste Satz in diesem Merkblatt ist aber verwirrend: «Die Vertragsparteien sind indessen daran gebunden». Mit andern Worten geht das Bundesamt für Justiz im Merkblatt davon aus, oder man kann diesen Satz zumindest so verstehen, dass tatsächlich eine Bindung der Parteien an dieses unwirksame Rechtsgeschäft existiert, was doch einigermassen erstaunt. Dieser Satz ist nämlich anders zu verstehen. Denn klar ist, dass nur das tatsächlich bewilligungspflichtige Rechtsgeschäft vor Erteilung der Bewilligung unwirksam ist, nicht aber ein solches Rechtsgeschäft, das materiell betrachtet gar nicht bewilligungspflichtig ist – nur weiss man dies in einem frühen Zeitpunkt des Abschlusses des Rechtsgeschäftes noch nicht definitiv. Dieser Satz im Merkblatt muss so interpretiert werden, dass er nur den «guten Rat» an die Parteien enthält, sich vorläufig in dem Sinn daran zu halten, dass beide Parteien diejenigen Schritte tun, die dafür notwendig sind, um diese offene Frage rechtskräftig zu klären.

Was geschieht, wenn eine Partei plötzlich ausschert – der Verkäufer zum Beispiel plötzlich ein besseres Angebot hat, dies seinem ausländischen Vertragspartner auch so mitteilt und Unwirksamkeit des Rechtsgeschäftes geltend macht (weil er z.B. einem Schweizer verkaufen will)? – dann haben die beiden Parteien einen Konflikt. Nachdem eben nur bewilligungspflichtige Rechtsgeschäfte vor der Erteilung einer Bewilligung unwirksam sind, hätte der «Ersterwerber» die Möglichkeit, eine Feststellungsverfügung einzuholen, dass nämlich dieses Geschäft in Tat und Wahrheit gar nicht der Bewilligungspflicht unterliegt. Und wenn dies festgestellt ist, dann wäre das «Erstge-schäft» nie unwirksam gewesen, sondern es hätte nur für einen gewissen Zeitraum zur Frage der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit eine Unsicherheit bestanden, die nun eben beseitigt worden wäre. Dann wäre eben dieses «Erstgeschäft» bei nicht vorhandener Bewilligungspflicht auch gar nie unwirksam gewesen, sondern im Gegenteil voll wirksam, und der Verkäufer hätte sich daran halten müssen und nicht einfach einem zweiten verkaufen dürfen. Diese «vorläufige Bindung» gemäss Merkblatt des Bundesamtes für Justiz ist in diesem Sinne zu relativieren. Ist die Frage der Bewilligungspflicht rechtskräftig geklärt, dann treten die Folgen von Art. 26 BewG ein (Nichtigkeit), oder es ist eben voll rechtswirksam. Ist die Frage der Bewilligungspflicht des Geschäftes anders beurteilt worden, indem die Bewilligungspflicht verneint wurde, dann war das Geschäft gar nie bewilligungspflichtig, weshalb es auch nie unwirksam war. Somit kann es auch nicht zu einer Nichtigkeit geführt haben.

Selbstverständlich ist, dass das hier Ausgeführte in allen Fällen von bewilligungspflichtigen Grundstücksgeschäften gilt – unabhängig davon, aus welchem Grund die Bewilligungspflicht besteht. Diese Bewilligungspflicht kann sich aufgrund objektiver Gründe beim Gegenstand des Rechtsgeschäftes ergeben, indem es sich zum Beispiel um Bauland oder Wohngrundstücke handelt, welche von Ausländern grundsätzlich nicht bewilligungsfrei erworben werden können. Es kann aber auch sein, dass die Bewilligungspflicht subjektiv beim Erwerber ansetzt, indem noch unsicher ist, ob der Erwerber als ausländische Person und damit der Bewilligungspflicht unterliegend gilt oder nicht.

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III. NICHTIGKEIT

Unter bestimmten Voraussetzungen wird das unwirksame zum nichtigen Rechtsgeschäft, die Voraussetzungen dafür sind in Art. 26 Abs. 2 BewG einzeln aufgezählt. Nichtigkeit ist ebenfalls von Amtes wegen zu beachten. Die Folgen der Nichtigkeit sind im Prinzip klar und sind im übrigen Zivilrecht geregelt: versprochene Leistungen dürfen (da nicht rechtsgültig vereinbart) nicht gefordert werden; tatsächlich erbrachte Leistungen können zurückgefordert werden. All dies macht grundsätzlich keine besonderen Probleme. Nachdem nun aber das BewG auch nichtige Geschäfte sanktionieren muss bzw. «zum Rechten sorgen muss», und dies nicht immer im Sinne der Parteien ist (da diese Parteien zum Beispiel unter bewusster Umgehung des BewG gehandelt haben und diesen Zustand am liebsten aufrecht erhalten möchten), sieht Art. 26 Abs. 4 lit. c BewG noch die Behördenklage vor, welche in Art. 27 BewG im Einzelnen geregelt wird. Die in Art. 27 Abs. 1 und 2 BewG enthaltenen Bestimmungen entsprechender Behördenklagen (also die von den Behörden ausgehen und sich gegen eine oder meist beide Parteien richten), machen grundsätzlich keine grossen Probleme, solange es um die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes (eigentliche Rückabwicklung) oder um die Auflösung einer juristischen Person oder auch um die Anordnung einer öffentlichen Versteigerung nach den Vorschriften über die Zwangsverwertung von Grundstücken geht.

Nach Art. 27 Abs. 3 BewG besteht aber eine weitere Möglichkeit, wie dem Gesetz Genüge getan wird, indem man es eigentlich den Parteien überlässt, zum Rechten zu sorgen. Die Klage auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes entfällt, wenn die Parteien ihn selbst wiederhergestellt haben, oder wenn ein gutgläubiger Dritter das Grundstück erworben hat.

Die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes durch die Parteien selbst macht eine Behördenklage überflüssig (zudem ist die Abschöpfung unrechtmässiger Vermögensvorteile gemäss Art. 33 BewG auch hier möglich). Die Wiederherstellung zwischen den Parteien ist dabei der Normalfall bzw. entspricht eigentlich dem Normalfall gemäss Zivilrecht bei eben zivilrechtlicher Nichtigkeit; nun gibt aber Art. 27 Abs. 3 BewG noch die Möglichkeit, dass die Behördenklage auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes entfällt, wenn ein gutgläubiger Dritter das Grundstück erworben hat. Zudem kann die Klage gemäss Praxis auch dann entfallen, wenn (wohl unter Mitwirkung der Behörden) ein Vergleich abgeschlossen wird, wodurch dem BewG Genüge getan wird, was insbesondere dadurch zu erfolgen hätte, dass das entsprechende Grundstück an einen gutgläubigen Dritten veräussert würde. Der Erwerb durch einen gutgläubigen Dritten stellt zivilrechtlich ein eigenes Rechtsgeschäft dar, indem der Erwerb durch einen Gutgläubigen für sich selbst die vorgängige Nichtigkeit heilt. Ein Erwerber, der hier durch ein nichtiges Rechtsgeschäft «erworben» hat, hat ja nicht rechtsgültig erworben, denn aufgrund der Nichtigkeit des Rechtsgeschäftes ist er gar nicht rechtmässiger Eigentümer geworden. Entsprechend kann er auch nicht an einen weiteren Dritten rechtsgültig übertragen. Der Gutglaubensschutz korrigiert hier, indem der Erwerb des gutgläubigen Dritten vom (nicht rechtmässigen) Veräusserer rechtsgültig ist, eben gestützt auf den guten Glauben, welchen der gutgläubige Dritte hat. Der gute Glaube stellt dabei den Rechtsgrund für ein rechtsgültiges Rechtsgeschäft dar. Nun ist zwar nicht auszuschliessen, dass es den typischen gutgläubigen Erwerb auch im Rahmen eines solchen Geschäftes gemäss BewG gibt, aber dies dürfte eher eine Seltenheit sein. Und das BewG bzw. die das BewG anwendenden Behörden scheinen diesen gutgläubigen Erwerb so stark wie möglich zu fördern, da rechtswidrige Zustände möglichst beseitigt werden sollen. Deswegen hat man in der Rechtsanwendung bzw. in der Praxis den Begriff des «gutgläubigen Erwerbs» im Zusammenhang mit dem BewG grosszügig ausgeweitet. Klar ist, dass ein gutgläubiger Erwerb im Sinne von Art. 27 Abs. 3 BewG nur dadurch geschehen kann, dass nicht erneut ein rechtswidriger Zustand geschaffen wird. Mit anderen Worten könnte nicht ein Ausländer bzw. eine bewilligungspflichtige Person unter Anwendung dieses grosszügigen Gutglaubensbegriffs rechtsgültig erwerben, sonst würde diese grosszügige Auslegung des Gutglaubensbegriffs zu einem neuen rechtswidrigen Zustand führen. Gutgläubig kann also in diesem Zusammenhang eigentlich nur sein, wer subjektiv nicht der Bewilligungspflicht des BewG unterliegt. Echten guten Glauben braucht dieser aber gemäss Praxis offenbar nicht – es genügt, dass der Erwerber nicht am seinerzeitigen unrechtmässigen Geschäft direkt oder indirekt mitgewirkt hat. In diesem Sinne können auch unter Anwendung des grosszügigen Gutglaubensbegriffs allfällige Hilfspersonen, Mitwisser oder geradezu Beteiligte am fraudulösen Geschäft (wie z.B. Treuhänder, Anwälte oder Financiers) nicht gutgläubig sein. Gutgläubig ist in diesem Sinne jeder, der mit dem seinerzeitigen nichtigen Geschäft weder direkt noch indirekt zu tun hatte – er darf aber (insbesondere im Zeitpunkt des eigenen Erwerbs) Kenntnis haben davon, dass das ursprüngliche Geschäft rechtswidrig war – es wird also eine eigene und neue Kategorie von gutem Glauben durch das BewG bzw. die Praxis eingeführt. Dagegen ist meines Erachtens nichts einzuwenden – denn auch dadurch wird ein rechtswidriger Zustand beseitigt, indem das Grundstück schlussendlich zu jemandem kommt, der es tatsächlich haben darf. Gestützt auf Art. 33 BewG sind auch hier unrechtmässige Vermögensvorteile abschöpfbar.

Ohne diese neue Kategorie von «gutem Glauben» wäre es auch kaum möglich, dass unter Mitwirkung der Behörden Vergleiche abgeschlossen würden. Solche Vergleiche müssen bewirken, dass rechtswidrige Zustände beseitigt werden, was nur dann möglich ist, wenn eine andere nicht bewilligungspflichtige Person das Grundstück erwirbt. Dass sie im Rahmen dieses Vergleichs Kenntnis davon bekommt, dass das ursprüngliche Erwerbsgeschäft unwirksam bzw. nichtig war, liegt auf der Hand und lässt sich gar nicht ausschliessen. Wenn man also solche Vergleiche fördern will (und das will man tatsächlich), dann ist es auch notwendig, hier den «Gutglaubens»-Begriff so grosszügig wie möglich anzuwenden.

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IV. ZUSAMMENFASSUNG

Im Zusammenhang mit Grundstücksgeschäften in der Schweiz unter Beteiligung von Ausländern gibt es gewisse Geschäfte, die klar sind – dass eben zum Beispiel die Bewilligungspflicht entweder ausgeschlossen werden kann oder mit Sicherheit besteht. Daneben gibt es aber sehr viele Geschäfte, bei denen Unsicherheit besteht. Den Parteien kann in solchen Fällen nur geraten werden, sich eingehend beraten zu lassen und bei noch bestehenden Zweifeln die Frage der Bewilligungspflicht klären zu lassen. Dies geschieht auf dem Weg, dass man bei der kantonalen Bewilligungsbehörde einen Antrag stellt, dass festzustellen sei, dass ein bestimmtes Grundstücksgeschäft nicht der Bewilligungspflicht unterliegt. Natürlich muss das Feststellungsinteresse vorhanden sein, was in der Regel relativ einfach nachzuweisen ist. Mit einem entsprechenden rechtskräftigen Entscheid über die Frage der Bewilligungspflicht hat man Klarheit geschaffen – dann geht es noch darum, sich tatsächlich daran zu halten und diesen Entscheid zu respektieren.

Falls ein solcher Feststellungsentscheid nie gefällt wurde und sich zu einem späteren Zeitpunkt im Zusammenhang mit einem entsprechenden Grundstücksgeschäft Fragen betreffend Lex Koller ergeben, sind die Parteien gut beraten, zumindest dann sich der Sache anzunehmen und nicht zu versuchen, sich irgendwie durchzuwursteln. Man muss sich der Probleme annehmen – allenfalls auch einen unangenehmen Weg gehen. Es ist zu berücksichtigen, dass eine Nichtigkeit in diesem Zusammenhang unbefristet ist und jederzeit geltend gemacht werden kann. Wenn sich schlussendlich aber herausstellt, dass tatsächlich ein nichtiges Rechtsgeschäft geschlossen wurde, dann bestehen für die Parteien immer noch Möglichkeiten, vernünftige Lösungen zu finden, eben zum Beispiel durch eine Rückabwicklung, durch Abschluss eines Vergleichs (in der Regel in Zusammenarbeit mit den Behörden) oder durch Verkauf an einen gutgläubigen Dritten.


22. Juli 2021 / Hanspeter Geissmann




LEX KOLLER: DER ERWERB VON GRUNDSTÜCKEN IM RAHMEN EINER VERMÖGENSÜBERNAHME

Dr. iur. Hanspeter Geissmann, Rechtsanwalt

Dr. iur. Hanspeter Geissmann, Rechtsanwalt bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

Im Zentrum des Bundesgesetzes über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland (BewG, «Lex Koller») steht in der Regel der Erwerb von einzelnen Grundstücken in der Schweiz, d.h. also von einem Teil des schweizerischen Bodens. Zudem definiert das BewG diverse andere Erwerbsgeschäfte, die in einem Zusammenhang mit Grundstücken stehen, ebenfalls als Grundstückerwerbsgeschäfte – dies geht soweit, dass sogar Geschäfte, die dem Erwerber eine nur ähnliche Stellung wie dem Eigentümer eines Grundstücks verschaffen, ebenfalls als Grundstückerwerbsgeschäfte betrachtet werden und unter die Lex Koller fallen. Es gibt somit einen breiten Fächer von Geschäften, die ebenfalls als Grundstückerwerbsgeschäfte gelten, obwohl kein Eigentum an einem Grundstück erworben wird bzw. die Stellung des Erwerbers nur ähnlich der eines Grundeigentümers ist; oft gilt eine wirtschaftliche Betrachtungsweise, die danach fragt, ob jetzt ein Erwerber an einem Grundstück eine Position erworben hat, die es verdient, als eigentümerähnliche Stellung bezeichnet zu werden, und die es verdient, deshalb unter die Lex Koller zu fallen.

Den ganzen Fächer der unter die Lex Koller fallenden Grundstückerwerbsgeschäfte zu besprechen, ist aber nicht Thema dieses Artikels.

I. KONKRETE DISKUSSION HIER

In der Regel knüpft die Bewilligungspflicht gemäss Lex Koller wie gesagt ganz konkret und direkt bei einem Grundstück an bzw. einem einzelnen (wie oben beschriebenen) Erwerbsgeschäft, das als Grundstückerwerbsgeschäft gilt. Es geht – juristisch ausgedrückt – um Singularsukzession. Eine Partei erwirbt von einer anderen ein spezielles Recht im Zusammenhang mit einem Grundstück, und bei diesem speziellen Grundstückerwerbsgeschäft knüpft die Frage der Bewilligungspflicht an. Wenn zum Beispiel eine Person im Ausland 100 Grundstücke in der Schweiz erwerben will, davon aber 99 Grundstücke Betriebsstättengrundstücke sind, die nicht unter die Bewilligungspflicht fallen, und ein Grundstück eine Wohnliegenschaft ist, dann knüpft die Bewilligungspflicht allein beim Erwerb dieser einzelnen Wohnliegenschaft an, weil es sich dabei um ein (objektiv) bewilligungspflichtiges Grundstück gemäss Lex Koller handelt.

II. AUSNAHMEN VOM GRUNDSATZ

In Art. 1 Abs. 1 lit. b der Verordnung über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland (BewV) wird eine meines Erachtens sehr auffällige Ausnahme von dieser Regel gemacht, und zwar für die Übernahme von Grundstücken zusammen mit einem Vermögen oder Geschäft gemäss Art. 181 OR oder die Übernahme eines Grundstücks durch Fusion, Spaltung, Umwandlung oder Vermögensübertragung nach dem Fusionsgesetz vom 3. Oktober 2003 – allerdings nur für den Fall, dass sich im Zusammenhang mit dieser Transaktion die Rechte des Erwerbers an diesem (bewilligungspflichtigen) Grundstück nicht vermehren. Anders ausgedrückt: Wenn eine Person im Ausland durch eine solche soeben genannte Transaktion ein Grundstück erwirbt, das der objektiven Bewilligungspflicht unterliegt (bei Wohnliegenschaften und i.d.R. bei Bauland), und wenn sich dadurch die Rechte des Ausländers an diesem (bewilligungspflichtigen) Grundstück nicht vermehren, dann unterliegt dieses Erwerbsgeschäft nicht der Bewilligungspflicht. Wenn zum Beispiel eine ausländische juristische Person eine 100-prozentige Tochtergesellschaft hat, in welcher sich ein bewilligungspflichtiges Grundstück befindet, dann kann sie auf dem Weg der Vermögensübernahme gemäss Art. 181 OR oder gemäss Fusionsgesetz (FusG) ganze Vermögen oder Teile davon übernehmen, und zwar bewilligungsfrei, und auch wenn sich in diesem Vermögen oder dem Teilvermögen bewilligungspflichtige Grundstücke in der Schweiz befinden, da diese Person im Ausland indirekt über die Tochtergesellschaft bereits Rechte an diesen Grundstücken hatte. Es gilt hier eine wirtschaftliche Betrachtungsweise – und der Erwerb ist trotz der Tatsache, dass die ausländische Person (Holdinggesellschaft) vorher nur indirekte Eigentümerin eines Grundstücks war (über eine Tochtergesellschaft) und diese Person im Ausland durch diese Transaktion direkte Eigentümerin des Grundstücks wird, nicht bewilligungspflichtig. Damit ein solcher bewilligungsfreier Grundstückerwerb geschehen kann, braucht es wie gesagt eine Transaktion gemäss Art. 181 OR oder gemäss Fusionsgesetz – wenn die Muttergesellschaft von ihrer Tochter nicht auf einem solchen Weg das Grundstück erwerben würde, sondern einzig und allein das Grundstück erworben würde, dann käme diese soeben genannte Regelung nicht zur Anwendung. Mit anderen Worten ergibt sich, dass das BewG in dieser Gruppe von ganz speziellen Erwerbsgeschäften nicht einfach nach dem zu erwerbenden Grundstück fragt, nicht einfach beim Erwerb dieses konkreten Grundstücks ansetzt, sondern wirtschaftlich betrachtet danach fragt, ob ein ganzes Vermögen oder ein Teil davon übertragen wird – und wenn dies der Fall ist, dann kann bewilligungsfrei zusammen mit diesem Vermögen oder diesem Teilvermögen auch ein bewilligungspflichtiges Grundstück erworben werden, obwohl in der Regel das direkte Eigentum an diesem Grundstück wohl auf den Erwerber und neuen (direkten) Eigentümer übergehen wird.  Und diese Regel gilt auch bei Übernahme von Vermögen nach Art. 181 OR, obwohl hier jedes einzelne Grundstück durch Singularsukzession übertragen werden muss. Das BewG wendet hier eine rein wirtschaftliche Betrachtungsweise an.

III. UND BEIM ERWERB VON GRUNDSTÜCKEN DURCH ERBSCHAFT?

Der folgenden Diskussion soll die Ausgangslage zu Grunde liegen, dass ein Erblasser seinen gesamten Nachlass an einen einzigen Erben überträgt. Mit dem Tod des Erblassers erwirbt der Erbe auf dem Weg der Universalsukzession Eigentum am ganzen Nachlassvermögen. Es braucht dazu keine speziellen Übertragungshandlungen. Die Frage, ob das BewG zu diesem Vermögenserwerb eine spezielle Regelung bereithält, kann nicht ganz klar beantwortet werden. Wenn der Autor die Praxis richtig sieht, hält sie sich in der Regel daran, dass der Erbe, der nicht gesetzlicher Erbe ist (der gesetzliche Erbe bedarf im Rahmen des Erwerbs im Erbgang keiner Bewilligung), und der auch keinen Bewilligungsgrund hat, und in dessen Erbe sich ein bewilligungspflichtiges Grundstück befindet, Anspruch auf Erteilung einer Bewilligung hat, jedoch mit der Auflage, das Grundstück innert 2 Jahren wieder zu veräussern. Er kann also den Wert realisieren, hat aber keinen Anspruch darauf, das Grundstück über die 2 Jahre hinaus behalten zu können.

Wie verhält es sich aber bei einem Universalerben, der die ganze Erbschaft erwirbt, und wobei bereits durch Universalsukzession das Eigentum übergeht (es also keiner speziellen Übertragungshandlungen mehr bedarf)? – Hier darf man sich mit Fug und Recht fragen, ob nicht zumindest eine Lücke im BewG besteht oder ob nicht sogar das BewG so ausgelegt werden darf und muss, dass bei einer solchen Art von Universalsukzession nach den Regeln von Art. 1 Abs. 1 lit. b BewV vorgegangen werden darf und muss. Der Universalerbe tritt bezüglich des vererbten Vermögens in der Sekunde des Todes des Erblassers in seine Rechte ein und wird neuer Berechtigter am gesamten hinterlassenen Vermögen. Dann ist es nicht abwegig bzw. drängt es sich sogar auf, diesen Universalerben so zu betrachten wie oben die ausländische Holdinggesellschaft einer 100-prozentigen Tochtergesellschaft, von der sie jetzt entweder durch Vermögensübernahme ein Grundstück miterwirbt oder welche sie zum Beispiel in sich hineinfusioniert. Man könnte sich höchstens fragen, ob der Erbe durch den Erwerb des gesamten Nachlasses tatsächlich nicht mehr Rechte erwirbt als er vorher bereits hatte – dies ist vielleicht eine etwas spitzfindige Frage. Der Erbe ist praktisch die «Fortsetzung» des Erblassers. Mit dem Tod des Erblassers tritt der Erbe an die Stelle des Erblassers bezüglich seines Nachlasses. Somit dürfte auch gesagt werden, dass der Erbe eigentlich bereits beim Vermögensanfall durch Universalsukzession schon mindestens eine eigentümerähnliche Stellung über das gesamte Nachlassvermögen hatte und er in diesem Sinne nichts anderes als die «Fortsetzung» oder der Ersatz des Erblassers ist. Ich würde anregen, dass die Rechtsprechung sich einmal mit diesem vielleicht etwas neuen oder gewagten Gedanken befassen und sogar zur Lösung gelangen sollte, dass zumindest dann, wenn ein Erbe durch Universalsukzession als Alleinerbe das gesamte Nachlassvermögen erwirbt, er für den Erwerb der sich im Nachlassvermögen befindenden (auch bewilligungspflichtigen) Grundstücke nicht der Bewilligungspflicht unterliegt.


19. Oktober 2020 / Hanspeter Geissmann




LEX KOLLER: WEM GEHÖREN DIE GRÖSSTEN SCHWEIZER UNTERNEHMEN?

Dr. iur. Hanspeter Geissmann, Rechtsanwalt

Dr. iur. Hanspeter Geissmann, Rechtsanwalt bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

Die folgenden Ausführungen beziehen sich ausschliesslich auf juristische Personen, deren Anteile an einer Schweizer Börse kotiert sind. Und im Speziellen geht es nur um die Gesellschaften und Aktientitel, die im Swiss Leader Index (SLI) enthalten sind, welcher die 30 liquidesten und grössten Schweizer Aktientitel enthält. Der Grund für die Konzentration auf diese Unternehmen liegt darin, dass in der NZZ am Sonntag vom 19.04.2020 unter dem Titel «Ausländische Aktionäre dominieren Schweizer Konzerne» ein Artikel erschien, der sich insbesondere auf eine Studie von Ernst & Young Schweiz unter dem Titel «Wem gehört der SLI?» abstützte und diese Studie auch zitierte. Die folgenden Ausführungen basieren ebenfalls auf dieser Studie von Ernst & Young; dabei steht die Frage im Zentrum, inwiefern Unternehmen des SLI unter die Lex Koller fallen könnten.

I. RECHTLICHE AUSGANGSLAGE GEMÄSS LEX KOLLER

Der Erwerb von Anteilen an juristischen Personen, die an einer Börse in der Schweiz kotiert sind, ist auch für Ausländer bewilligungsfrei möglich. Mit anderen Worten ist der Erwerb entsprechender Anteile auch an den Unternehmen des SLI für jeden Ausländer bewilligungsfrei möglich. Insofern stellen sich vorderhand keine Probleme. Dies kann zur Folge haben, dass Ausländer sehr grosse Anteile an solchen Gesellschaften erwerben können, was dazu führen kann, dass die entsprechende Gesellschaft gemäss Lex Koller als ausländisch beherrscht gilt.

Ein Unternehmen, welches als ausländisch
beherrscht gilt, unterliegt für eigene spätere Grundstückerwerbsgeschäfte in
der Schweiz möglicherweise der Bewilligungspflicht. Der Erwerb von
Betriebsstättengrundstücken ist unproblematisch, weil der Erwerb von
Betriebsstätten in der Schweiz nicht unter die Bewilligungspflicht gemäss Lex
Koller fällt. Etwas anderes gilt für den Erwerb von Bauland bzw. für
Wohngrundstücke. Falls nämlich diese juristische Person (sprechen wir in der
Folge von Gesellschaften) als ausländisch beherrscht gilt, dann unterliegt sie
für den Erwerb von Bauland bzw. von Wohngrundstücken in der Schweiz der
Bewilligungspflicht (Art. 5 Abs. 1 lit. c BewG), wobei gleich beizufügen ist,
dass die in diesem Fall zur Verfügung stehenden Bewilligungsgründe (die also
den Erwerb gemäss Lex Koller dann trotzdem erlauben würden) äusserst dürftig
sind und nur in speziellen Fällen angerufen werden können (vgl. Art. 8 BewG).

Eine ausländische beherrschende
Stellung dieser Gesellschaft liegt gemäss Lex Koller vor, wenn eine Person im
Ausland entweder allein oder gemeinsam mit anderen Personen im Ausland die
Verwaltung oder Geschäftsführung entscheidend beeinflussen kann (Art. 6 Abs. 1
BewG). Zudem wird eine solche beherrschende Stellung durch Personen im Ausland
gesetzlich vermutet, wenn Ausländer mehr als einen Drittel am Aktien-, Stamm-
oder Genossenschaftskapital besitzen oder über mehr als einen Drittel der
Stimmen in der General- oder Gesellschafterversammlung verfügen (Art. 6 Abs. 2
lit. a und b BewG). Bei dieser gesetzlichen Vermutung handelt es sich um eine widerlegbare
gesetzliche Vermutung – wenn also die Vermutung der ausländischen Beherrschung
gesetzlich vorliegt, kann die betroffene Gesellschaft den Beweis des Gegenteils
führen, indem sie beweist, dass trotz erheblichem ausländischem Aktien- oder
Stimmenbesitz die Gesellschaft als nicht ausländisch beherrscht gilt und sie
deswegen für entsprechende Grundstückserwerbsgeschäfte (insbesondere von
Bauland und von Wohngrundstücken) nicht der Bewilligungspflicht unterliegt. So
viel zur gesetzlichen Ausgangslage und zu den damit verbundenen Mechanismen.

II. ZENTRALE AUSSAGEN IN DER STUDIE VON ERNST & YOUNG ÜBER DIE AKTIONÄRSSTRUKTUR DER 30 UNTERNEHMEN DES SWISS LEADER INDEX (SLI)

Untersucht wurde der Zeitraum von
2012-2019. Dabei wurden die Durchschnittszahlen für diese Jahre erhoben; bei
den Aktionären wurde unterteilt in Schweizer (bzw. inländische) Aktionäre sowie
in Aktionäre aus Europa, Nordamerika und übrige Welt. Dabei konnten nur
diejenigen Aktienbesitzer nach diesen Aktionärsgruppen aufgeteilt werden,
soweit es sich um sogenannte «zuordenbare» Aktien handelte, also um
Aktieneigentum, welches aufgrund von Publizitätsvorschriften offen gelegt
werden muss (entsprechend also bei Aktienerwerben von mehr als 3% des
Aktienkapitals). Der entsprechend nicht zuordenbare Anteil macht – nicht ganz
erstaunlich – den grössten Teil der Aktionärsstruktur aus.

Das Ergebnis ist das folgende: Im
Durchschnitt hielten Schweizer Aktionäre an diesen SLI-Gesellschaften rund 27%
(2012: 28.2%, 2019: 27.6%). Das europäische Ausland hielt zwischen 14.8% (2012)
und 14.4% (2019) der SLI Aktien. Nordamerikanische Aktionäre hielten zwischen
17.8% (2012) und 19.8% (2019); ein kleiner Rest «übrige Welt» hielt
1% (2012) bis 3% (2019). Die nicht zuordenbaren Aktien betrugen zwischen 38.1%
(2012) und 35.3% (2019).

III. INTERPRETATION DIESER RESULTATE AUS SICHT DER LEX KOLLER

Grundsätzlich ist das Ergebnis eigentlich eindeutig: 1/3 des Aktienbesitzes entspricht 33.33% – vorliegend würde der ausländische Aktienbesitz im Jahr 2012 33.6% (nämlich 14.8% EU, 17.8% USA; 1.0 % übriges Ausland) und im Jahr 2019 sogar 37.2% (14.4% EU; 19.8% USA; 3.0% übriges Ausland) betragen. Der Grenzwert von einem Drittel ausländischem Aktenbesitz wäre grundsätzlich überschritten, was zur gesetzlichen Vermutung der ausländischen Beherrschung führt.

Nun muss man aber aufpassen: Hier handelt
es sich um Durchschnittswerte für die 30 Unternehmen, deren Aktientitel
zum SLI gehören, und nicht um Einzelaufnahmen entsprechender Unternehmen. Es
ist aber ein klares Indiz, dass sich der ausländische Aktienbesitz bei diesen
30 Unternehmen mindestens teilweise oder eben bei einigen dieser Unternehmen
jenseits des Grenzwertes von einem Drittel bewegt, weshalb die entsprechenden
Unternehmen als ausländisch beherrscht im Sinne von Art. 6 Abs. 2 lit. a BewG
gelten müssten. Ob auch eine beherrschende Stellung nach Art. 6 Abs. 2 lit. b
BewG (Stimmrechte) vorliegen könnte, müsste noch im Einzelnen abgeklärt werden,
kann hier aber offen bleiben.

Das Resultat dieser Studie und die
Interpretation betreffend der Durchschnittswerte muss dazu führen, dass
Unternehmen, welche dem SLI angehören (die gleiche Empfehlung dürfte sich für
alle Unternehmen aufdrängen, deren Anteile an einer Börse in der Schweiz
kotiert sind), nur die eine sein kann: Es darf nicht selbstverständlich davon
ausgegangen werden, dass – da man ja an einer Schweizer Börse kotiert ist –, es
sich bei diesen Unternehmen um schweizerische bzw. um nicht ausländisch beherrschte
Unternehmen handelt, sondern es muss intern geklärt werden, ob der Grenzwert
von einem Drittel überschritten ist oder nicht. Gleiches gilt für die Behörden,
und speziell für die Grundbuchämter. Einfach daraus, dass die Anteile eines
Unternehmens an einer Schweizer Börse kotiert sind, den Schluss zu ziehen, dass
es sich dann auch um ein schweizerisch beherrschtes Unternehmen handelt und um
ein Unternehmen, das für gewisse Grundstückserwerbsgeschäfte nicht der
Bewilligungspflicht gemäss Lex Koller unterliegt, wäre falsch. Die
entsprechenden Behörden dürfen danach fragen und dazu die Beweismittel
einverlangen, ob nicht die Vermutung der Auslandsbeherrschung vorliegt. In
Zweifelsfällen sind sie sogar dazu verpflichtet. Insbesondere denjenigen
Unternehmen, die sich regelmässig oder sogar ständig mit Grundstückerwerbsgeschäften
(auch von Bauland und von Wohnliegenschaften) beschäftigen, wie insbesondere
den Versicherungsgesellschaften und den Banken, wäre dringend angeraten, dafür
besorgt zu sein, dass jederzeit belegt werden kann, dass keine
Auslandsbeherrschung bzw. nicht einmal die gesetzliche Vermutung einer
Auslandsbeherrschung vorliegt.

IV. PROBLEME DER «NICHT ZUORDENBAREN AKTIEN»

Bei diesen Aktien im Streubesitz kann es sich um solche von Schweizern, aber auch von Ausländern handeln – dies weiss die Studie nicht. Die Unternehmen wissen es zumindest teilweise oder annähernd bzw. haben zumindest zusätzliche Kenntnisse. Ich bin nicht der Meinung, dass generell aus einer solchen Studie abgeleitet werden dürfte, dass der Streubesitz generell entweder dem Bestand der ausländischen Aktien oder demjenigen der Schweizer Aktien zugerechnet werden darf. Genau so unzulässig wäre es, diese Aktien proportional nach den zuordenbaren Aktien auf Ausländer und Schweizer aufzuteilen.

V. RECHTLICHE MÖGLICHKEITEN BEI EINTRITT DER GESETZLICHEN VERMUTUNG

Es kann für ein Unternehmen nicht Sinn
machen, sich um die Frage herumzudrücken, ob man nun der Bewilligungspflicht
gemäss Lex Koller unterliegt oder nicht. Der Erwerber hat nämlich die Pflicht,
sich um die Frage der Bewilligungspflicht zu kümmern, wenn sich eine solche
nicht ohne weiteres ausschliessen lässt (Art. 17 Abs. 1 BewG). Wenn er sich
darüber hinweg setzt und ein bewilligungspflichtiges Rechtsgeschäft ohne
Bewilligung abschliesst bzw. vollzieht, ist das entsprechende Rechtsgeschäft
unwirksam bzw. nichtig – mit sehr unangenehmen Rechtsfolgen betreffend
Rückabwicklung etc. Wenn der Grundbuchverwalter die Bewilligungspflicht nicht
ohne weiteres ausschliessen kann, so hat er gemäss Art. 18 BewG das Verfahren
auszusetzen und dem Erwerber eine Frist anzusetzen, um bei der zuständigen
Behörde die Bewilligung oder die Feststellung der Nichtbewilligungspflicht
einzuholen. Der Handelsregisterführer verfährt genau gleich. Und ohnehin haben
die Behörden sehr umfassende Rechte, nachträglich eine Untersuchung zu eröffnen
mit der Möglichkeit, die Bewilligungspflicht (oder die Nichtbewilligungspflicht)
nachträglich noch festzustellen. Auch sehr unangenehme strafrechtliche
Konsequenzen können eintreten.

Wenn die gesetzliche Vermutung der Auslandsbeherrschung
vorliegt oder bei Verdachtsmomenten von den Behörden die Frage der
Auslandsbeherrschung thematisiert wird, ist trotzdem noch nicht alles verloren:
Das Unternehmen hat die Möglichkeit und das Recht, den Beweis anzutreten, dass
allenfalls trotz gesetzlicher Vermutung oder trotz gewisser Verdachtsmomente gleichwohl
keine Auslandsbeherrschung vorliegt, weil zum Beispiel einem ausländischen
Streubesitz ein sehr starker konzentrierter schweizerischer Aktienbesitz gegenüber
steht, der zudem noch durch Aktionärbindungsverträge gefestigt wird, oder wo
trotz relativ bedeutendem ausländischem Aktenbesitz eine schweizerische
funktionierende Aktienmehrheit entgegensteht (zum Beispiel eben auch durch
Aktionärbindungsvertrag abgesichert). Auch wenn erheblichem ausländischem
Aktienbesitz z.B. durch die Schaffung von Stimmrechtsaktien sich ein sehr hoher
Stimmenanteil in Schweizer Hand befindet, kann dies dazu führen, dass
(allenfalls zusammen mit weiteren Faktoren) nicht von einer Auslandsbeherrschung
auszugehen ist. Dann ist es möglich, bzw. wäre es auch angebracht, dass je nach
Beweislage die Auslandsbeherrschung verneint und die Nichtbewilligungspflicht
festgestellt wird. Das Unternehmen, das von einer Bewilligungsbehörde eine
solche Feststellungsverfügung auf Nichtbewilligungspflicht erhält, darf in der
Regel darauf vertrauen, dass andere örtlich zuständige Bewilligungsbehörden in
der Schweiz sich daran halten und nicht nochmals ein neues Verfahren einleiten.
Meines Erachtens müsste dann aber die von der ersten Bewilligungsbehörde
ausgestellte Verfügung auf Feststellung der Nichtbewilligungspflicht mit der
Auflage verbunden sein, bei wesentlichen Veränderungen im Aktionariat erneut
bei der Bewilligungsbehörde ein entsprechendes Gesuch um Erlass einer Nichtunterstellungsverfügung
zu stellen.

VI. FAZIT

Die Untersuchung bzw. Studie von Ernst & Young hat ergeben, dass bei diversen Unternehmen, deren Anteile an einer Börse in der Schweiz kotiert sind, und erst recht bei denjenigen, die zu den grössten Unternehmen der Schweiz mit den meist gehandelten Aktien gehören, ein erheblicher Anteil vermutungsweise ausländisch beherrscht sein dürfte. Möglich ist, dass sich einige oder alle diese Unternehmen bereits abgesichert haben und entsprechende Feststellungsverfügungen auf Nichtbewilligungspflicht eingeholt haben – aber sicher ist dies bei weitem nicht. Möglich könnte es auch sein, dass angesichts der Bedeutung dieser Unternehmen, angesichts des Umstandes, dass sie doch zumindest in der Schweiz ihren Sitz haben und in der Schweiz auch wesentlich tätig sind, angesichts der Tatsache, dass vielleicht mindestens einige oder sogar mehrere der bedeutendsten Funktionen im Rahmen dieser Unternehmen von Schweizern ausgeübt werden, manchmal von den Behörden ein Auge zu viel zugedrückt wird. Ob – immer für den Fall, dass dies teilweise zutreffen würde – dies die richtige Strategie wäre, bezweifle ich. Es können sich für diese Unternehmen zu einem späteren Zeitpunkt unangenehme rechtliche Auseinandersetzungen ergeben, die mit ausserordentlich unangenehmen Folgen verbunden wären. Deshalb gibt es meines Erachtens nur einen einzigen Rat: Es muss intern im Unternehmen abgeklärt werden, ob allenfalls die Gefahr einer Auslandsbeherrschung vorliegt. Wenn Unsicherheiten bestehen, müssen diese geklärt werden – zum Beispiel dadurch, dass das zuordenbare Aktionariat in dem Sinn bereinigt wird, dass ganz klar keine Vermutung der Auslandsbeherrschung vorliegt. Auf rechtlicher Ebene ist zu raten, dass Unternehmen im Zweifelsfall eine Bewilligungsbehörde gemäss Lex Koller kontaktieren mit dem Antrag, es sei eine Feststellungsverfügung zu erlassen, dass das Unternehmen nicht ausländisch beherrscht ist.


16. Juni 2020 / Hanspeter Geissmann

Der Autor ist Verfasser bzw.
Mitverfasser verschiedener Kommentare zum Bundesgesetz über den Erwerb von
Grundstücken durch Personen im Ausland (Lex Friedrich/Lex Koller) sowie
diverser Publikationen in Zeitschriften und Zeitungen. Er beschäftigt sich
intensiv seit mehr als 30 Jahren mit Fragen im Zusammenhang mit dem Erwerb von
Grundstücken durch Ausländer, und er berät und vertritt Ausländer wie auch
Schweizer und daselbst vor allem auch Investoren und institutionelle Anleger.




VERKAUF VON AXPO – EIN FALL FÜR DIE LEX KOLLER?

Dr. iur. Hanspeter Geissmann, Rechtsanwalt

Dr. iur. Hanspeter Geissmann, Rechtsanwalt bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden
Dr. iur. Hanspeter Geissmann, Rechtsanwalt

I. AUSGANGSLAGE

Aktuell wird in der Presse über eine mögliche neue Axpo-Strategie berichtet. Der über 100 Jahre alte Gründungsvertrag soll per Anfang 2021 durch einen neuen Aktionärbindungsvertrag und eine neue Eignerstrategie ersetzt werden, welche den Eigentümern (Kantone und kantonale Werke) als Aktionären mehr Freiheit bringen würde. Zudem sollen auch die Statuten abgeändert werden. Gemäss heute geltendem Gründungsvertrag dürfen die Beteiligten ihre Anteile nicht an Dritte verkaufen. Es besteht offenbar der weit verbreitete Wunsch verschiedener Aktionäre, dass längerfristig die Möglichkeit geschaffen wird, ihre Anteile verkaufen zu können. Dies soll im neuen Vertragswerk, jedoch teils mit längeren Übergangsfristen, verwirklicht werden. Offenbar ist vorgesehen, dass während einer Frist von 5 Jahren für die Aktionäre noch ein Veräusserungsverbot der Aktien gilt, und dass nach Ablauf dieser Frist noch mindestens 51 % der Aktien in den Händen der bisherigen Aktionäre verbleiben müssen. Offenbar ist diese vorgesehene Regelung aber nur für eine Laufzeit von 8 Jahren angelegt und würde nach Ablauf dieser 8 Jahre dahinfallen (ausser es würde eine neue Regelung vereinbart). Somit könnte die Möglichkeit bestehen, dass die Aktien nach Ablauf von 8 Jahren frei an Dritte veräussert werden könnten – entsprechende Dritte könnten durchaus auch Ausländer sein.

In verschiedenen Kantonen gibt es dazu Opposition, wobei die beiden Parteien SVP und SP an vorderster Front tätig sind. Diese richtet sich vor allem gegen eine freie Verkäuflichkeit von Anteilen an Axpo – vor allem deshalb, weil damit auch die Möglichkeit (oder die Gefahr?) verbunden ist, dass eher unbeliebte ausländische Käufer Axpo übernehmen könnten. Was ist von diesen Befürchtungen zu halten?

II. HINTERGRUND

Es stellt sich tatsächlich die Frage, ob es richtig bzw. sinnvoll oder im Gegenteil sogar gefährlich ist, wenn zentrale Infrastrukturen unseres Landes wie z.B. Stromerzeugungsanlagen, Stromverteilungsnetze, Infrastrukturen bezüglich Wasser wie etwa Quellen, Wasserverteilungsnetze etc. an ausländische Eigentümer übergehen können. Damit ist der Kreis der «heiklen» bzw. für unser Land zentralen Infrastrukturanlagen nicht abschliessend definiert. Der Gedanke, dass die schweizerische Wasserversorgung, die schweizerische Stromversorgung etc. in ausländischen Händen sein könnten, macht Unbehagen bzw. löst sogar in gewissen (allenfalls grossen?) Kreisen so etwas wie Angst aus, die nicht einfach negiert werden kann, sondern bei den weiteren Entscheidungen in diesem Zusammenhang mitberücksichtigt werden muss. Das Gegenargument, das man etwa hört, geht in etwa in die Richtung, dass auch ein ausländischer Eigentümer bzw. ein ausländischer Investor sich nach den gängigen ökonomischen Regeln verhalten würde und es ihm deshalb sicher nicht in den Sinn käme, sein Eigentum (bzw. die entsprechende Infrastruktur) nicht möglichst gut und nachhaltig zu unterhalten oder entsprechende Infrastrukturen sogar gegen unser Land einzusetzen. Wir leben heute in einem relativen Frieden – ob dieser Friede so sicher ist, bleibe einstweilen dahingestellt. Die Vorstellung allerdings, dass sich in einer unfriedlichen Zeit die schweizerischen Behörden mit ausländischen Eigentümern zentraler schweizerischer Infrastrukturwerke auseinandersetzen müssten, die einem Land angehören, das im Moment mit der Schweiz nicht im friedlichsten Einvernehmen steht, trägt nicht gerade zur Beruhigung bei – im Gegenteil. Solche zentralen Infrastrukturen könnten auch als Druck- bzw. Erpressungsmittel eingesetzt werden, und diese Aussicht ist nicht sehr erfreulich.

III. ANWENDUNGSFALL DER LEX KOLLER

Was hat dies alles mit der Lex Koller zu tun? – Vielleicht gar nicht so wenig. Tatsache ist, dass gemäss heutiger Fassung der Lex Koller der Verkauf solcher Infrastrukturen an ausländische Eigentümer ohne weiteres und bewilligungsfrei zulässig ist. Dass diese ausländischen Käufer auch Staaten sein können, ist selbstverständlich. Solche Anlagen fallen unter den Begriff der Betriebsstätte, und der Erwerb von Betriebsstätten ist gemäss Artikel 2 Abs. 2 lit.a BewG für jedermann, also auch für jeden Ausländer, bewilligungsfrei zulässig. Vor gut zwei Jahren gab es ernstgemeinte Bestrebungen, die Lex Koller massgeblich zu revidieren (verschärfen). Ein Vorentwurf des Bundesrates wurde in die Vernehmlassung gegeben, blieb dann allerdings in der Schublade liegen und wurde nicht weiterbearbeitet. Auch in diesem Vorentwurf sowie in den Erläuterungen dazu fanden sich diverse Aussagen, dass auch der freie Erwerb von Betriebsstätten eingeschränkt werden könnte. Auch bei anderer Gelegenheit in den letzten Jahren fanden sich Stimmen in der Politik, dass der bewilligungsfreie Verkauf von Betriebsstätten-Grundstücken an Ausländer aufgehoben werden solle und stärker reglementiert werden müsse. Erinnert sei auch an die parlamentarische Initiative von Nationalrätin Jacqueline Badran aus dem Jahr 2016, welche zum Inhalt hat, dass der Erwerb strategischer Infrastrukturen der Energiewirtschaft (namentlich die Wasserkraftwerke, die Stromnetze und die Gasnetze) der Lex Koller unterstellt werden sollen. Diese Initiative hat bereits in einigen Kommissionen eine sehr grosse Zustimmung erfahren. Und immer bei diesen Bestrebungen fand sich auch das Argument, dass die Gefahr bestehe, dass gerade für die Versorgung unseres Landes zentrale Infrastrukturanlagen in dem Sinne gesichert werden müssen, dass sie nicht in ausländische Hand übergehen können.

IV. FAZIT

Von daher liegt es auf der Hand, dass eine Lockerung des «Axpo-Statuts» dahingehend, dass entsprechende Anteile frei an Ausländer verkauft werden könnten, mit absoluter Garantie zur Forderung führen würde, dass man dann eben die Lex Koller verschärfen müsse.

Ich meine, dass es durchaus legitim ist, sich die Frage zu stellen, ob es in unserem Land derart zentrale Infrastrukturanlagen gibt, bei denen dafür gesorgt sein müsste, dass sie nicht in ausländische Hand übergehen können. Wenn das Ergebnis dieser Diskussion ist, dass entsprechende Infrastrukturanlagen nicht in ausländische Hand kommen sollen, dann ist die Lex Koller allerdings das falsche Mittel, um dies umzusetzen. Die Beschränkung des Erwerbs von Grundstücken durch Personen im Ausland hat den Zweck, die Überfremdung des einheimischen Bodens zu verhindern (vergleiche Art. 1 BewG). Bei der vorliegend thematisierten Frage geht es um andere Zwecke, die etwa so umschrieben werden könnten, dass für unser Land zentrale Infrastrukturanlagen nicht in ausländische Hand fallen sollen, weil damit eine Gefahr für die Sicherheit unseres Landes und deren Bevölkerung verbunden sein könnte, weil entsprechende Anlagen zur politischen Einflussnahme oder gar als Erpressungsmittel eingesetzt werden könnten, was die Souveränität unseres Staates beeinträchtigen könnte. Dies hat mit Überfremdung des einheimischen Bodens nichts zu tun. Aus diesem Grund wäre die Lex Koller genau das falsche Mittel, um hier einzugreifen – im Gegenteil müsste die Politik darauf auf anderem (allenfalls gesetzlichem?) Weg eine Antwort finden, welche spezifisch auf diese Problematik reagieren würden. Es müsste ganz klar und eindeutig definiert werden, welche Infrastrukturen davon betroffen wären, und wie ein entsprechender Schutz auszusehen hätte.


29. Oktober 2019 / Hanspeter Geissmann




LEX KOLLER UND ZIVILRECHT (TEIL I)

Dr. iur. Hanspeter Geissmann, Rechtsanwalt

Dr. iur. Hanspeter Geissmann, Rechtsanwalt bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

I. AUSGANGSLAGE

Das Bundesgesetz über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland (BewG, «Lex Koller») stellt grundsätzlich bezüglich der Frage, welche Erwerbsgeschäfte unter die Bewilligungspflicht des BewG fallen, öffentliches Verwaltungsrecht dar. Es enthält aber auch einige strafrechtliche Artikel sowie insbesondere auch, was vorliegend interessiert, zwei Artikel zum Zivilrecht. In Art. 26 BewG wird vorab festgehalten, dass Rechtsgeschäfte über einen der Bewilligungspflicht unterliegenden Erwerb ohne entsprechende rechtskräftige Bewilligung unwirksam bleiben und unter gewissen einzeln aufgezählten Umständen nichtig werden. Zudem wird festgehalten, dass Unwirksamkeit und Nichtigkeit von Amtes wegen zu beachten sind. In Art. 26 Abs. 4 lit. a und b BewG wird zudem festgehalten, dass die Folgen von Unwirksamkeit und Nichtigkeit diejenigen sind, dass versprochene Leistungen nicht gefordert werden dürfen, und dass erbrachte Leistungen innerhalb einer bestimmten und hier festgelegten Frist zurückgefordert werden können. Mit anderen Worten wird im Einzelnen festgelegt, welches die Konsequenzen für die Parteien sind, die an einem solchen unwirksamen bzw. nichtigen Rechtsgeschäft beteiligt sind. In Art. 26 Abs. 4 lit. c BewG wird dann noch auf die Behördenklage zur Beseitigung eines rechtswidrigen Zustandes hingewiesen; in Art. 27 BewG wird im Einzelnen das behördliche Verfahren zwecks Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes bzw. der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes geregelt.

Im Folgenden interessieren die zivilrechtlichen Bestimmungen, welche sich an die Parteien wenden, welche an einem unwirksamen bzw. nichtigen Rechtsgeschäft beteiligt sind.

II. GRUNDSATZ

Bewilligungspflichtige Erwerbsgeschäfte, bei welchen (noch) keine Bewilligung vorliegt, sind unwirksam und geben keinen Anspruch auf irgendwelche Forderungen, seien dies Forderungen auf Übertragung von Grundstücken oder Beteiligungen, Einräumung von beschränkten dinglichen Rechten, Geldzahlungen etc. Dies stellt vorab keine riesigen Probleme dar. Bewilligungspflichtige Geschäfte, die bereits vollzogen wurden, ohne dass um eine Bewilligung nachgesucht wurde oder bevor die Bewilligung in Rechtskraft tritt, werden ebenfalls nichtig. Zudem tritt die Nichtigkeit ein, wenn die Bewilligungsbehörde eine Bewilligung rechtskräftig verweigert oder widerrufen hat, wenn der Grundbuchverwalter oder der Handelsregisterführer die Anmeldung abweist (dies in dem Fall, dass die Bewilligungsbehörde nicht bereits vorher die Bewilligung verweigert hat) oder wenn die Steigerungsbehörde den Zuschlag aufhebt (wiederum in denjenigen Fällen, bei denen nicht vorher schon eine Bewilligungsbehörde die Bewilligung verweigert hat). Solche Geschäfte werden nichtig und haben zur Folge, dass innert bestimmten Fristen (relative Frist von einem Jahr seit Kenntnis des Rückforderungsanspruchs, relative Frist von einem Jahr seit Abschluss eines Strafverfahrens, absolute Frist von 10 Jahren seit Erbringung der Leistung) diese Leistungen zurückgefordert werden können. Es geht bei dieser Bestimmung um Leistungen, die mit der Kondiktionsklage bzw. einer Klage obligatorischer Art auf Rückforderung von Leistungen, insbesondere von Geldzahlungen, eingefordert werden müssen. Grundsätzlich kommen hier die Regeln der ungerechtfertigten Bereicherung zur Anwendung, wobei klar ist, dass für diese Kondiktionsforderungen die in Art. 26 Abs. 4 lit. b BewG genannten Fristen lex specialis sind und dem allgemeinen Zivilrecht bzw. den Bestimmungen im OR über die ungerechtfertigte Bereicherung vorgehen (BGE 110 II 335 E. 2b / Pra74 (1985) Nr. 6).

Auf der «anderen Parteiseite», also auf der Seite dessen, der als Partei ein Grundstück übertragen hat, ein beschränktes dingliches Recht eingeräumt hat, eine Beteiligung an einer Immobiliengesellschaft übertragen hat oder dergleichen, stehen andere Ansprüche zur Diskussion, die der Rückabwicklung des eben nichtigen Rechtsgeschäftes dienen. Es geht z. B. um die Rückübertragung eines Grundstücks, die Rückübertragung einer Beteiligung an einer Immobiliengesellschaft, die Beseitigung bzw. Löschung eines beschränkten dinglichen Rechts (z. B. Baurecht, Wohnrecht, Nutzniessung etc.). Hier stellt sich immer die Frage, ob solche Ansprüche bzw. Klagen im Zusammenhang mit der Rückabwicklung von nichtigen Geschäften zeitlichen Fristen unterliegen bzw. zeitlich beschränkt sind oder nicht; insbesondere ist auch die Frage aufgetaucht, ob für solche Klagen ebenfalls die in Art. 26 Abs. 4 lit. b BewG genannten Fristen als lex specialis gelten. Die Antwort ist klar: Nein. Lehre und Rechtsprechung wiederholen geradezu wie ein Mantra, dass die «Vindikationsklage» auch hier selbstverständlich jederzeit und insbesondere zeitlich unbefristet erhoben werden kann, und dass entsprechende Ansprüche aus eingetretener Nichtigkeit sogar von Amtes wegen zu beachten sind. Etwas präziser ausgedrückt heisst dies, dass z. B. bei einem nichtigen Grundstückserwerb die Grundbuchberichtigungsklage ohne Fristbegrenzung zur Verfügung steht, dass dies für die Vindikationsklage (denkbar etwa bei in Wertpapieren verbrieften Beteiligungen an Immobiliengesellschaften, in Wertpapieren verbrieften Pfandrechten etc.) genau gleich gilt. Ebenfalls dürfte die Grundbuchberichtigungsklage zur Verfügung stehen bei nichtigen beschränkten dinglichen Rechten (die im Grundbuch ebenfalls eingetragen wurden). Etwas komplizierter wird es dann bei anderen Rechten, die nicht so ganz eindeutig oder überhaupt nicht als dingliche Rechte bezeichnet werden können, sondern wobei es sich um Rechte handelt, die als «eigentümerähnliche» Rechte im Zusammenhang mit dem BewG bezeichnet werden, wo also einer Person ein eigentümerähnliches Recht übertragen wird, das zwar wirtschaftlich relativ klar definiert werden kann, juristisch aber relativ schwierig zu umschreiben ist. Unter diese Kategorie dürften Rechte fallen, bei denen es genügen dürfte, dass deren Nichtigkeit festgestellt wird (etwa bei sehr langfristiger Miete oder Pacht eines Grundstücks mit speziellen Abreden, bei der Begründung von Bauverboten und ähnlichen Eigentumsbeschränkungen, die z. B. nur obligatorische Wirkung haben, welche ein Nachbargrundstück betreffen). Dies dürfte auch gelten bei der Begründung von Kaufs-, Vorkaufs- und Rückkaufsrechten, die bloss obligatorisch eingeräumt werden bzw. – man denke an solche Rechte an Anteilen einer Immobiliengesellschaft – gar nirgends eingetragen werden können: Dort dürfte es ebenfalls genügen, dass festgestellt wird, dass die entsprechende Rechtseinräumung nichtig ist. Zurückzuübertragen oder zu beseitigen gibt es dann auf Seiten dieser Rechte nicht viel.

III. PROBLEMATIK

In diesem Zusammenhang wird relativ schnell offensichtlich, wo das Problem liegt: Nämlich dort, wo auf der einen Seite nicht verjährbare Ansprüche auf Rückabwicklung (wie zum Beispiel bei der Grundbuchberichtigungsklage, bei einer Vindikationsklage, aber wohl auch bei einer Feststellungsklage auf Nichtbestehen eines Rechts) bestehen, auf der andern Seite derjenige, der dann sein «Recht verliert» (weil es eben nichtig ist), dafür viel Geld bezahlt hat und nun grundsätzlich das Bezahlte, weil die andere Partei ungerechtfertigt bereichert ist, zurückfordern möchte, aber sich mit der Situation konfrontiert sieht, dass ihm Art. 26 Abs. 4 lit. b BewG sagt, dass sein Anspruch verjährt ist. Es stellt sich die Frage, ob diejenige Partei, gegen die eine fristlich unbeschränkte Klage (Vindikationsklage, Grundbuchberichtigungsklage etc.) eingereicht wird, währenddem ihre eigene Gegenforderung aus ungerechtfertigter Bereicherung bereits verjährt ist, schutzlos dasteht oder nicht bzw. was diese Partei dagegen tun kann.

IV. NEUER ENTSCHEID DES BUNDESGERICHTS

Am 24. September 2018, Entscheid Nr. 4A_235/2018, hat das Bundesgericht einige hier zur Diskussion gestellte Fragen aufgegriffen, zum Teil entschieden, zum grossen Teil aber leider offengelassen. Aus diesem Grund muss nach wie vor davon ausgegangen werden, dass diverse sich hier stellende Fragen nach wie vor höchstrichterlich nicht entschieden sind. Das Bundesgericht hatte einen Fall zu beurteilen, bei welchem zwei Parteien über ein bewilligungspflichtiges Grundstück in der Schweiz einen nicht öffentlich beurkundeten Kaufvertrag abgeschlossen hatten, der gegen das BewG verstossen hätte, von Anfang an aber formnichtig war. Der bewilligungspflichtige Ausländer hatte in diesem Zusammenhang einen Betrag von CHF 220’000.00 offenbar in bar dem «Verkäufer» übergeben. Anstelle des beabsichtigten aber nicht formrichtig beurkundeten (und ohnehin gegen das BewG verstossenden) Kaufvertrages schlossen die Parteien einen Mietvertrag, der aber als simuliert zu betrachten war, und nach welchem in der Folge während der meisten Zeit auch nicht gelebt wurde. Zudem gab es weitere klare Indizien dafür, dass die der Bewilligungspflicht unterliegende Person sich wie ein Eigentümer dieser Wohnung verhielt, und nicht etwa wie ein Mieter.

Grundbuchlich war nichts eingetragen worden, entsprechend war grundbuchlich auch nichts zu berichtigen. Es war bloss festzustellen, dass der Kaufvertrag nichtig war, und es blieb die Feststellung, dass der Mietvertrag simuliert und entsprechend ebenfalls nichtig war. Und trotzdem sass der Ausländer noch in der Wohnung und wollte nicht raus bzw. wollte Eigentum beanspruchen. Der eingetragene Eigentümer kündigte dann den «Mietvertrag» – der Ausländer widersetzte sich der Kündigung und machte geltend, es sei tatsächlich ein Kaufvertrag gewollt worden und nicht ein Mietvertrag, weshalb die Kündigung nichtig sei. Zudem weigerte er sich, den vom bisherigen Eigentümer gemäss simuliertem Vertrag eingeforderten Mietzins zu bezahlen.

Als der Fall ans Bundesgericht kam, war vom Sachverhalt her klar, dass kein formrichtig beurkundeter Kaufvertrag vorlag. Klar war auch, dass kein Mietvertrag gewollt war, sondern dass beide Parteien eigentlich den Erwerb des Grundstückes beabsichtigt hatten. Dieser Grundstückerwerb war nichtig, er hätte auch gegen das BewG verstossen, war aber auch formnichtig. Nachdem auch klar war, dass der Mietvertrag nicht gewollt war, hatte die «Kündigung» zumindest die Folge, dass mit Ablauf der Kündigungsfrist der Ausländer kein Recht mehr hatte, sich in der Wohnung aufzuhalten oder sonstwie irgendwelche Ansprüche bezüglich dieser Wohnung zu erheben. Entsprechend führte das Bundesgericht aus: «Ist der Beschwerdegegner nicht mehr berechtigt, die Wohnung zu besitzen, kann der Eigentümer gemäss Art. 641 Abs. 2 ZGB die Herausgabe des Eigentums verlangen.» – Dies ist eben die Vindikationsklage, die unverjährbar ist. Klar war auch, dass die Bereicherungsklage im Zusammenhang mit dem bezahlten «Kaufpreis» (es wurde offenbar immer nur eine Rückzahlung von CHF 200’000.00 in den Raum gestellt) gemäss Art. 26 Abs. 4 lit. b BewG absolut verjährt war. Unbestritten war sodann für das Bundesgericht, «dass der Verknüpfung der gegenseitigen Leistungen beim zweiseitigen Rechtsgeschäft auch im Falle der Rückabwicklung zufolge Unverbindlichkeit Rechnung zu tragen ist, mit anderen Worten gilt die Rückerstattung der empfangenen Leistungen «Zug um Zug» im Sinne von Art. 82 OR». Klar war und ist auch gemäss diesem Entscheid grundsätzlich, dass einer Vindikationsklage (im weiteren Sinn) die Gegenforderung aus ungerechtfertigter Bereicherung entgegengehalten werden kann, und dass die Rückerstattung der empfangenen Leistungen «Zug um Zug» im Sinne von Art. 82 OR zu erfolgen hat. Noch offen war für das Bundesgericht in diesem Entscheid – und dies war auch in einem früheren Entscheid (BGE 111 II 195 E. 4d) nicht entschieden worden –, ob in einem solchen Fall und unter Anwendung von Art. 82 OR auch bereits verjährte Forderungen aus ungerechtfertigter Bereicherung einredeweise geltend gemacht werden können. Diese Frage stellte sich nun dem Bundesgericht. Leider liess es die Frage erneut offen, da es feststellen musste, dass die entsprechende Einrede des Entreicherten, dass nämlich eine Verpflichtung zur Leistung nur «Zug um Zug» bestand, prozessual rechtzeitig und formrichtig gegenüber dem Herausgabeanspruch der Gegenpartei hätte erhoben werden müssen, was nicht getan wurde. Entsprechend konnte vom Bundesgericht diese Frage gar nicht geprüft werden bzw. konnte einer (eben nicht existierenden) Einrede gar nicht Folge gegeben werden. Entsprechend wurde die Vindikationsklage gutgeheissen, und zwar ohne dass «Zug um Zug» die Bereicherung zurückgegeben werden musste. Und weil eben dieser prozessual notwendige Antrag fehlte, konnte und musste das Bundesgericht (leider) auch die Frage offenlassen, ob auch eine verjährte Forderung gestützt auf ungerechtfertigte Bereicherung in diesem Zusammenhang einredeweise geltend gemacht werden kann oder nicht. Entsprechend wurde das vorinstanzliche Urteil, welches noch die verjährte Forderung berücksichtigt hatte (aus den genannten prozessualen Gründen zu Unrecht gemäss Ansicht des Bundesgerichts) korrigiert, und die Verpflichtung zur Rückgabe der Wohnung konnte nicht von einer Rückzahlung des Betrages von CHF 200’000.00 abhängig gemacht werden.

Es ist schwierig, diesen Entscheid richtig einzuordnen und es ist schade, ist diese Frage auch dieses Mal nicht entschieden worden. Somit ist nur zu hoffen, dass irgendeinmal diese Frage entschieden wird. Es ist eigentlich nicht einzusehen, warum Art. 67 Abs. 2 OR gerade in solchen hier vorliegenden Fällen keine Anwendung finden sollte und warum auch verjährte Forderungen aus ungerechtfertigter Bereicherung in solchen Fällen nicht einredeweise geltend gemacht werden könnten. Nicht verschwiegen werden soll, dass das Bundesgericht in diesem genannten Entscheid am Schluss, aus welchen Gründen auch immer, noch festhielt, dass das Ergebnis dieses Prozesses nicht stossend sei, indem der Ausländer immerhin während rund 20 Jahren eine Wohnung als Quasi-Eigentümer genutzt und weitervermietet habe, und dass das Ergebnis, dass er dafür den Betrag von CHF 200’000.00 (mehr oder weniger dem bezahlten «Kaufpreis» entsprechend) nicht zurückerhalte, nicht stossend sei.

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22. Mai 2019 / Dr. H.P. Geissmann (unter Mitarbeit von MLaw Andrea Meier)

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Der Autor ist Verfasser bzw. Mitverfasser verschiedener Kommen- tare zum Bundesgesetz über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland (Lex Friedrich/Lex Koller) sowie diverser Publikationen in Zeitschriften und Zeitungen. Er beschäftigt sich intensiv seit mehr als 30 Jahren mit Fragen im Zusammenhang mit dem Erwerb von Grundstücken durch Ausländer, und er berät und vertritt Ausländer wie auch Schweizer und daselbst vor allem auch Investoren und institutionelle Anleger.




LEX KOLLER – EINIGE KETZERISCHE GEDANKEN ZUM THEMA «AUFLAGEN»

Dr. iur. Hanspeter Geissmann, Rechtsanwalt

Dr. iur. Hanspeter Geissmann, Rechtsanwalt bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

I. RECHTLICHE AUSGANGSLAGE

Das Bundesgesetz über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland (BewG, «Lex Koller») stammt vom 16. Dezember 1983. Die heutige Fassung ist (mit einigen Ausnahmen) Ergebnis einer umfassenden Revision aus dem Jahr 1997. Mit dieser Revision sind diverse Grundstückerwerbsgeschäfte, die bis dahin noch unter die Bewilligungspflicht fielen (wobei allerdings eine Bewilligung unter gewissen Umständen möglich war) aus der Bewilligungspflicht herausgefallen, mit anderen Worten wurde ein Erwerb für Ausländer bewilligungsfrei möglich. Im Vordergrund stand dabei einmal der Erwerb von Betriebstätten, der mit dieser Revision für Ausländer frei wurde bzw. für deren Erwerb keine Bewilligungspflicht mehr bestand (vgl. Art. 2 Abs. 2 lit. a BewG). Der zweite grosse Bereich, welcher mit dieser Revision aus der Bewilligungspflicht herausfiel, war eine Kategorie von Wohngrundstücken. Fortan war der Erwerb eines Grundstücks als Hauptwohnung für eine natürliche Person am Ort ihres rechtmässigen und tatsächlichen Wohnsitzes bewilligungsfrei möglich (Art. 2 Abs. 2 lit. b BewG). Vor der Revision waren Grundstückerwerbsgeschäfte im Zusammenhang mit Betriebsstätten und auch mit Hauptwohnungen für Ausländer zwar nicht unmöglich, unterstanden aber der Bewilligungspflicht und bedurften einer Bewilligung, welche in einem speziell geregelten Bewilligungsverfahren erteilt werden konnte (immer vorausgesetzt, es konnte einer der im BewG geregelten Bewilligungsgründe geltend gemacht werden).

II. PROBLEMATIK

Im BewG in der Fassung von 1983 befand sich Art. 14 BewG, welcher festhielt, dass eine Bewilligung unter Bedingungen und Auflagen erteilt werde, die sicherstellen, dass das Grundstück zu dem vom Erwerber geltend gemachten Zweck verwendet werde. Dem Bundesrat wurde die Kompetenz bzw. die Verpflichtung erteilt, im Rahmen solcher Bewilligungen die zu erlassenden Mindestauflagen festzulegen, was dieser in Art. 11 BewV auch getan hat. Mit diesen im Zusammenhang mit einer erteilten Bewilligung zu erlassenden Auflagen sollte sichergestellt werden, dass das Grundstück immer zu dem Zweck gebraucht würde, welcher Grund für die Bewilligungserteilung war. Und es wurden auch Regelungen erlassen, wie die Einhaltung der Auflagen gesichert werden sollte bzw. wurden die Konsequenzen einer Nichteinhaltung festgelegt. Details interessieren in diesem Zusammenhang nicht.

Im Rahmen der Revision der Lex Koller im Jahr 1997, wobei wie erwähnt insbesondere der Erwerb von Betriebsstätten und derjenige von Hauptwohnungen aus der Bewilligungspflicht herausfielen, wurde der Regelung der Auflagen wohl zu wenig Augenmerk geschenkt. Es ist darauf hinzuweisen, dass Art. 14 BewG auch noch in der heutigen Fassung nur die Regelung enthält, dass «Bewilligungen» an Auflagen zu knüpfen sind (die in der Regel zudem im Grundbuch anzumerken sind). Es wurde im Rahmen dieser Revision der Lex Koller aber unterlassen, eine spezielle Regelung zu erlassen zur Frage, ob auch Auflagen im Zusammenhang mit dem bewilligungsfreien Erwerb z. B. von Betriebsstätten oder z. B. einer Hauptwohnung erlassen werden konnten. Mit anderen Worten steht in der Lex Koller bis heute nirgends der Satz, dass im Zusammenhang mit dem bewilligungsfreien Erwerb einer Betriebsstätte oder einer Hauptwohnung eine Auflage verknüpft werden könne, die sicherstellt, dass das Grundstück dauernd als Betriebsstätte bzw. als Hauptwohnung des Erwerbers genutzt wird, mit anderen Worten das Grundstück dauernd die Funktion haben muss, welche verantwortlich dafür war, dass der seinerzeitige Erwerb des Grundstücks bewilligungsfrei möglich war. Daraus könnte grundsätzlich gefolgert werden, dass darin ein qualifiziertes Schweigen des Gesetzgebers zu sehen sei, indem er eben Auflagen wirklich nur im Zusammenhang mit der Erteilung von Bewilligungen sehen wollte und als zulässig erachtete, aber nicht im Zusammenhang mit einem bewilligungsfreien Erwerb.

III. EIN WICHTIGER BUNDESGERICHTSENTSCHEID

Das Bundesgericht hat in einem Urteil aus dem Jahr 2003 allfälligen Spekulationen bezüglich Betriebsstätten ein Ende gesetzt. Obwohl das Urteil in der amtlichen Sammlung publiziert wurde (französisch in BGE 129 II 361 ff.; deutsch in Praxis 93/2004, Nr. 112), hat es meines Erachtens kaum grosse Aufmerksamkeit erregt, obwohl es eine solche wohl verdient hätte, und obwohl dieses Urteil sogar weitergehende und bis heute noch nicht klar übersehbare Folgen haben könnte. Das Bundesgericht hat in diesem Entscheid klar festgehalten, dass entsprechende Auflagen nicht nur im Rahmen eines Bewilligungsverfahrens, sondern auch dann erlassen werden können, wenn ein Erwerb bewilligungsfrei möglich ist und z. B. von den Behörden eine sogenannte «Nichtunterstellungsverfügung» ergeht. Es ist aber weit darüber hinausgegangen und hat gesagt, dass eine solche Auflage nicht einmal ausdrücklich erlassen werden müsse, sondern quasi dem Grundgeschäft immanent sei, indem der Wille des Gesetzesgebers derjenige sei, dass das Grundstück dauernd diejenige Funktion haben muss, die Grund dafür war, dass das Grundstück bewilligungsfrei erworben werden konnte. In diesem konkreten Fall, wo es um den Erwerb einer Betriebsstätte ging, hat das Bundesgericht klar gesagt, dass dieses Grundstück dauernd als Betriebsstätte dienen müsse. Ausdrücklich sagt das Bundesgericht in der deutschen Übersetzung des Urteils in Praxis 93/2004, S. 632: «Somit ist bei einer Nichtunterstellung eines Grundstückerwerbs unter die Bewilligungspflicht wegen der wirtschaftlichen Nutzung desselben (ständige Betriebsstätte) davon auszugehen, diese Ausnahme setze definitionsgemäss die Dauerhaftigkeit der fraglichen Nutzung voraus. Trifft dies nicht zu, könnte das allgemeine Ziel des Gesetzes, nämlich die Verhinderung der Überfremdung schweizerischen Bodens (Art. 1 BewG) leicht umgangen werden, da es genügte, dass ein Grundstück während einer gewissen – auch nur kurzen – Zeit als ständige Betriebsstätte dient, um dann endgültig jeglicher zwingenden Vorschrift entzogen und gegebenenfalls als Ferienwohnung verkauft werden zu können.»

IV. ANWENDUNG DIESER RECHTSPRECHUNG DES BUNDESGERICHTS AUCH AUF GRUNDSTÜCKERWERBSGESCHÄFTE, DIE NICHT VON «LEX KOLLER – BEHÖRDEN» BEURTEILT WERDEN?

Das Bundesgericht hat im genannten Entscheid mehrere Male darauf hingewiesen und sogar betont, dass (gemäss Rechtsprechung) der Erwerber «auch bei Fehlen einer ausdrücklichen Auflage das Grundstück in Übereinstimmung mit dem im ursprünglichen Gesuch angegebenen Zweck nutzen» müsse (Pra 93, S. 629); es hat weiter ausgeführt, dass davon auszugehen sei, dass die Nichtunterstellung eines Grundstückerwerbs unter die Bewilligungspflicht definitionsgemäss «die Dauerhaftigkeit der fraglichen Nutzung» voraussetze (Pra 93, S. 632); und es hat weiter betont, «dass der Erwerber fortdauernd gehalten ist, das Grundstück entsprechend dem in seinem Bewilligungsgesuch angegebenen Zweck zu nutzen» (Pra 93, S. 632). Mit anderen Worten geht das Bundesgericht gemäss jenem Urteil m. E. davon aus, dass der einmal in irgendeiner Form geltend gemachte Grund, welcher eine Bewilligung für den Grundstückserwerb rechtfertigt oder zu einer Nichtunterstellung unter die Bewilligungspflicht führt, dauernd vorhanden sein muss und quasi mit diesem Grundstück verhaftet bleibt, und dass eben dauernd diese ursprünglich geltend gemachte Nutzung des Grundstücks bestehen bleiben muss. Diese «Auflage» bleibt mit dem Grundstück verhaftet – anders kann man es wohl kaum ausdrücken. Das Bundesgericht führt dabei auch an, dass anders der Zweckartikel des BewG, der in der Verhinderung der Überfremdung des einheimischen Bodens liegt, sonst leicht umgangen und damit Art. 1 des BewG unterlaufen werden könnte.

Dies könnte nun – oder müsste allenfalls sogar – zur Schlussfolgerung führen, dass jeder bewilligungsfreie Erwerb, gelange er nun zu einer «Lex Koller-Behörde» oder nicht, unter diesem Vorbehalt steht bzw. jedes Erwerbsgeschäft quasi mit der immanenten und dauernden Auflage der ursprünglichen und geltend gemachten Nutzung verbunden wäre. Dies könnte (oder müsste sogar) dazu führen, dass solche Auflagen auch dort gelten, wo z. B. der Grundbuchverwalter einen Grundstückserwerb als bewilligungsfreien Erwerb im Grundbuch einträgt, ohne den Erwerber an die Bewilligungsbehörde zu verweisen. Der Grundbuchverwalter hat unter gewissen Umständen (und sogar sehr verbreitet und immer dann, wenn sich keine weiteren Abklärungen aufdrängen) das Recht, den Erwerb eines nicht der Bewilligungspflicht unterliegenden Grundstücks durch einen Ausländer im Grundbuch einzutragen. Meines Erachtens sind die soeben gestellten Fragen hier genau gleich zu beantworten. Der Erwerber geht zum Grundbuchverwalter mit dem «Antrag,» dass er als Erwerber dieses Grundstücks (Betriebsstätte) als neuer Eigentümer im Grundbuch eingetragen wird. Damit macht er geltend, dass er einen Grund habe, ein Grundstück bewilligungsfrei zu erwerben (eben als Betriebsstätte). Und damit macht er meines Erachtens ganz klar geltend, das Grundstück dauernd als Betriebsstätte zu nutzen – selbst wenn er dies in einem entsprechenden Eintragungsverfahren nicht ausdrücklich so sagen muss, so macht er diese Aussage mindestens implizit in dem Zusammenhang, indem er beantragt, dass er als neuer Eigentümer im Grundbuch eingetragen wird. An diese Aussage ist er meines Erachtens gebunden. Der Grundbuchverwalter verfügt die Eintragung im Grundbuch gestützt auf die gesamten Umstände, welche der Erwerber darlegt (dass er eben das Grundstück, weil es eine Betriebsstätte ist, bewilligungsfrei erwerben darf). Und dieser Grund bleibt immanent vorhanden, und daran ist der Erwerber gebunden – dies ist vom Bundesgericht seither noch nie in dieser Form und in dieser Absolutheit festgehalten worden, ergibt sich meines Erachtens aber klar aus dem genannten Bundesgerichtsentscheid.

V. ANWENDUNG DIESER RECHTSAUSLEGUNG AUCH AUF WOHNUNGEN?

Wie steht es nun mit dem Erwerb einer Hauptwohnung? Gemäss Art. 2 Abs. 2 lit. b BewG kann ein Ausländer als natürliche Person ein Grundstück erwerben, das ihm als Hauptwohnung am Ort seines rechtmässigen und tatsächlichen Wohnsitzes dient. Was geschieht nun, wenn er dieses Grundstück nicht mehr als seine Hauptwohnung verwenden will? – Wenn er sie z. B. vermieten will, wenn er sie als Ferienwohnung oder als Zweitwohnsitz verwenden will etc.? – Die bis heute gängige Antwort darauf ist absolut klar und findet sich noch im erläuternden Bericht des Bundesrates vom März 2017 betreffend Änderung des BewG, wo auf S. 4 dieses Berichtes (Ziff. 1.2.1. «Hauptwohnungen») festgestellt wird, dass ein Ausländer, wenn er bewilligungsfrei ein solches Grundstück als Hauptwohnung erworben habe und dieses nicht mehr als Hauptwohnung verwenden wolle, nach geltendem Recht diese Wohnung ohne weiteres behalten (auch vermieten etc.) könne, dass ihn insbesondere keine Veräusserungspflicht treffe. Der unterzeichnende Autor dieses Artikels hat bis heute ebenfalls diese Meinung vertreten, ist sich darin allerdings bei näherer Betrachtung der Problematik nicht mehr ganz so sicher, ob diese Auffassung in einem behördlichen bzw. gerichtlichen Verfahren bestätigt würde. Mit den gleichen Argumenten, welche das Bundesgericht im Zusammenhang mit Betriebsstätten-Grundstücken anwendet, dass nämlich dieses Grundstück dauernd zu dem Zweck verwendet werden müsse, welcher der Grund für den bewilligungsfreien Erwerb war, dass es nämlich immer als Betriebsstätte genutzt werden müsse, kann man auch argumentieren, dass der Erwerb eines Grundstücks als Hauptwohnung (und zwar als Hauptwohnung des Erwerbers selbst) verlange, dass die erworbene Wohnung das bleiben müsse, was sie beim (bewilligungsfreien) seinerzeitigen Erwerb war, eben eine Hauptwohnung des Erwerbers an seinem rechtmässigen und tatsächlichen Wohnsitz. Wenn dies aber nicht mehr der Fall wäre, dann – so könnte man ebenfalls schlussfolgern – könnte sich die Frage stellen, ob der (ausländische) Eigentümer dieses Grundstücks, das ihm nicht mehr zu dem Zweck dient, zu welchem er es bewilligungsfrei erwerben durfte, überhaupt noch ein Recht hat, es zu behalten. Man könnte sich fragen, ob nicht auch in diesem Fall die immanente Auflage des seinerzeitigen Erwerbs weiterhin besteht, dass ihm dieses Grundstück weiterhin als seine Hauptwohnung dienen müsse (nicht etwa als Hauptwohnung irgendeines Mieters).

VI. WAS GESCHIEHT, WENN DIE «AUFLAGE» NICHT MEHR EINGEHALTEN WIRD?

Meines Erachtens ist in einem solchen Fall nach Art. 25 Abs. 1 BewG, vorzugehen. Es handelt sich m. E. auch dort, wo es sich um «immanente Auflagen» handelt bzw. um solche, die gar nicht verfügt werden, sondern einfach (wie oben dargestellt) als Rechtfertigungsgrund für den bewilligungsfreien Grundstückserwerb zur Verfügung stehen, ebenfalls um Auflagen im weiteren Sinn und um solche, welche unter Art. 14 bzw. 25 BewG fallen. Wenn diese «Auflage» nicht mehr eingehalten wird, wenn also das Grundstück nicht mehr als Betriebsstätte genutzt wird, dann kann (bzw. muss) dies meines Erachtens so ausgelegt werden, dass dann eine Auflage nicht mehr eingehalten wird. Dann hat die Bewilligungsbehörde die Möglichkeit bzw. die Pflicht, den Erwerber zu mahnen und dann, wenn trotz Mahnung diese Auflage nicht eingehalten wird, die Möglichkeit und wohl die Pflicht, nachträglich die Bewilligungspflicht festzustellen und eine Bewilligung zu verweigern (ausser es bestehe ein Bewilligungsgrund).

Der gleiche Mechanismus könnte meines Erachtens dann zur Anwendung kommen, wenn die Rechtsprechung des Bundesgerichts bezüglich Auflagen auch auf Hauptwohnungen angewendet würde. Wenn diese Wohnung dem Erwerber nicht mehr als Hauptwohnung am Ort seines rechtmässigen und tatsächlichen Wohnsitzes dienen würde, dann hätte die Bewilligungsbehörde wohl ebenfalls die Möglichkeit bzw. die Pflicht, den Erwerber zu mahnen und dann, wenn trotz Mahnung diese Auflage nicht eingehalten wird, ebenfalls die Möglichkeit und wohl sogar die Pflicht, nachträglich die Bewilligungspflicht festzustellen und eine Bewilligung zu verweigern (ausser es bestehe ein Bewilligungsgrund).

VII. SCHLUSSBEMERKUNG

Dem unterzeichnenden Autor dieses Artikels ist kein Entscheid, insbesondere nicht des Bundesgerichtes, bekannt, der diese offenen Fragen je geklärt hätte. Diese Gedanken widersprechen z. T. auch klar der herrschenden Lehre. Die hier geäusserten Gedanken, auch diejenigen zur Problematik der Hauptwohnungen, sind absolut nicht abwegig und fügen sich meines Erachtens ohne grosse Probleme in die vom Bundesgericht im genannten Entscheid entwickelte Rechtsprechung ein. Insbesondere darf auch nicht vergessen werden, dass das Bundesgericht in jenem Entscheid klar betont hat, dass der Zweckartikel der Lex Koller, nämlich die Verhinderung der Überfremdung des einheimischen Bodens, ernst zu nehmen ist. In diesem Sinne würde es nicht erstaunen, wenn dereinst – sofern die Lex Koller überhaupt bestehen bleibt – ein vielleicht doch etwas überraschendes Urteil des Bundesgerichtes zu dieser Frage fallen könnte.

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18. April 2018 / Dr. H.P. Geissmann




DAS ZWEITWOHNUNGSGESETZ: DIE ÄNDERUNGEN DES STÄNDERATES

Dr. iur. Hanspeter Geissmann, Rechtsanwalt, und Sandra Berner, MLaw 

Dr. iur. Hanspeter Geissmann, Rechtsanwalt bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

I. AUSGANGSLAGE

Am 11. März 2012 hat sich der Souverän mit Annahme der Initiative „Schluss mit uferlosem Bau von Zweitwohnungen!“

für eine strenge Beschränkung des Zweitwohnungsbaus ausgesprochen. Der mit der Abstimmung in Kraft getretene Art. 75b BV sieht vor, dass der Anteil Zweitwohnungen am Gesamtbestand der Wohneinheiten und der für Wohnzwecke genutzten Bruttogeschossfläche einer Gemeinde 20 Prozent nicht überschreiten darf.

Am 19. Februar 2014 hat der Bundesrat die Botschaft zum Zweitwohnungsgesetz zuhanden des Parlaments verabschiedet. Die kleine Kammer hat als erster Rat am 25. September 2014 über den Gesetzesvorschlag des Bundesrates debattiert. Der Ständerat sieht verschiedene Änderungen vor. Nachfolgend werden insbesondere die Änderungen für die Vermietung von touristisch bewirtschafteten Wohnungen und für den Bau neuer Zweitwohnungen in erhaltenswerten Bauten thematisiert.

II. VERMIETUNG VON TOURISTISCH BEWIRTSCHAFTETEN WOHNUNGEN

Der Bundesrat sieht in Art. 7 des Gesetzesvorschlages vor, dass in Gemeinden mit einem Zweitwohnungsanteil von über 20 Prozent die Erstellung neuer Wohnungen unter gewissen Voraussetzungen bewilligt werden darf. Abs. 2 lit. c dieser Bestimmung regelt die Vermietung von touristisch bewirtschafteten Wohnungen und setzt voraus, dass die Wohnung dauerhaft zur ausschliesslich kurzzeitigen Nutzung durch Gäste zu markt- und ortsüblichen Bedingungen und auf einer auf den internationalen Markt ausgerichteten, kommerziellen Vertriebsplattform angeboten wird.

In der Botschaft zum Zweitwohnungsgesetz hat der Bundesrat zur Vermietung von touristisch bewirtschafteten Wohnungen festgehalten, dass an den Standard, den Vertrieb und die Vermarktung solcher Wohnungen hohe Anforderungen gestellt werden müssen. Beispielsweise kann dies dadurch erfolgen, dass eine vertragliche Vereinbarung mit dem Betreiber einer kommerziell bewirtschafteten Vertriebsplattform verlangt wird, die Wohnung nicht individuell ausgestaltet ist und über eine Qualitätszertifizierung, zum Beispiel des Schweizer Tourismus-Verbandes, verfügt, sowie die zeitliche Eigennutzung während der Hauptsaison auf 3 Wochen beschränkt ist. Zudem muss die Plattform eine grosse Reichweite haben und damit ein grosses Nachfragepotenzial sicherstellen.

Der Ständerat hat diese Bestimmung mit 24 zu 13 Stimmen geändert und sie neu wie folgt formuliert: Eine touristisch bewirtschaftete Wohnung setzt voraus, dass sie „aufgrund ihrer Charakteristik tatsächlich vermietbar ist und auf einer kommerziellen Vertriebsplattform angeboten wird“. Die ständerätliche Fassung knüpft demnach an die „Charakteristik der Vermietbarkeit“ an. Was genau unter diesem Begriff zu verstehen ist, ist den ständerätlichen Materialien nicht zu entnehmen. Es wird nur festgehalten, dass auf die Kriterien des Bundesrates „individuelle Ausgestaltung der Wohnung“, „Qualitätszertifizierung“ und „zeitliche Beanspruchung“ verzichtet werden soll. Gemäss Bundesrat stellen diese Kriterien jedoch sicher, dass diese Wohnungen auch tatsächlich belegt und nicht neue „kalte Betten“ geschaffen werden.

Mit welchen Kriterien der Ständerat sicherstellen will, dass die neuen Zweitwohnungen in einer gewissen Intensität genutzt werden, ist nicht ersichtlich. Diese offene Norm führt zumindest vorläufig zu einiger Rechtsunsicherheit und dürfte auch eine uneinheitliche Rechtsanwendung durch die Gemeinden (als Bewilligungsbehörden) nicht verhindern. Noch nicht beantwortet ist natürlich die Frage, was der Nationalrat mit dieser ständerätlichen Fassung macht. Sollte diese Regelung Gesetz werden, müsste wohl aus Gründen grösserer Rechtssicherheit gehofft werden, dass der Bundesrat in der Verordnung diesen mehr als unbestimmten Rechtsbegriff konkretisiert. Ansonsten würde grössere Rechtssicherheit erst durch die Praxis der Behörden und allenfalls der Gerichte erreicht werden.

Des Weiteren beschränkt der Ständerat – entgegen dem Bundesrat – den Bau von touristisch bewirtschafteten Wohnungen, die zur Vermietung angeboten werden, nicht nur auf strukturschwache Gebiete (Art. 8). Vielmehr möchte er die Kompetenz und die Verantwortung für die Raumplanung wie auch für die touristische Entwicklung der Kompetenz der Kantone beziehungsweise der Gemeinden überlassen. Damit sind touristisch bewirtschaftete Wohnungen, die aufgrund ihrer Charakteristik auch tatsächlich vermietbar sind, auch in einem bereits sehr intensiv genutzten Gebiet zugelassen.

III. NEUE WOHNUNGEN IN ERHALTENSWERTEN BAUTEN

Der bundesrätliche Gesetzesvorschlag sieht in Art. 10 Abs. 1 vor, dass in Gemeinden mit einem Zweitwohnungsanteil von über 20 Prozent neue Wohnungen in geschützten Kulturdenkmälern sowie in ortsbild- und in landschaftsprägenden Bauten ohne Nutzungsbeschränkung erstellt werden dürfen. Mit dieser Ausnahme möchte der Bundesrat den Erhalt geschützter Bauten mittels einer Umnutzung in Zweitwohnungen sichern. Diese Möglichkeit soll aber nur subsidiär zu anderen Nutzungsmöglichkeiten gewährt werden.

Der Ständerat hat mit Stichentscheid des Präsidenten mit 22 zu 21 Stimmen entschieden, dass solche Baubewilligungen nicht nur bei geschützten Baudenkmälern, sondern ganz allgemein bei „erhaltenswerten“ Bauten erteilt werden können. Hierbei handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff; der Ständerat hat bewusst einen solchen unbestimmten Rechtsbegriff gewählt, da er der Meinung ist, dass er auf Verordnungsebene beziehungsweise in der Praxis durch Behörden und Gerichte definiert beziehungsweise konkretisiert werden soll. Bis dahin werden kommunale Baubewilligungsbehörden entscheiden, was erhaltenswert ist und was nicht. Dies im Unterschied zu den schützenswerten Bauten, die Gegenstand eines von einer Fachbehörde des Denkmalschutzes durchgeführten formellen Verfahrens sind. Es besteht somit die Möglichkeit (beziehungsweise ist vorauszusehen), dass die Umnutzungsmöglichkeiten in Zweitwohnungen massiv grösser werden, da die Gemeinden (falls dies gewünscht ist oder in ihrer Absicht steht) praktisch jede Baute noch irgendwie als erhaltenswert betrachten können. Immerhin verlangt Art. 10 Abs. 1 lit. b den Nachweis, dass die dauernde Erhaltung der Baute nicht anders als durch die Umnutzung zu einer Zweitwohnung sichergestellt werden kann. Durch die kommunale Baubewilligungsbehörde ist somit zu prüfen, ob nicht auch eine Nutzung als Erstwohnung oder als touristisch bewirtschaftete Wohnung möglich wäre. Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Interessen, schützenswerte und erhaltenswerte Bauten zu erhalten, je nach Schutzwert von unterschiedlichem Gewicht sein können. Nicht jedes beliebige Interesse kann als höherrangig als das Verfassungsinteresse an der Limitierung der Zweitwohnungen eingestuft werden. Es muss demnach in jedem Einzelfall eine Interessenabwägung vorgenommen werden.

Tatsache ist, dass den Gemeinden in der ständerätlichen Fassung ein enormer Entscheidungsspielraum gewährt wird, der voraussichtlich zu unterschiedlicher Rechtsanwendung führen dürfte. Zu bedenken ist zudem, dass die Gerichte bei der Überprüfung der Anwendung von unbestimmten Rechtsbegriffen Zurückhaltung üben und den Verwaltungsbehörden einen gewissen Beurteilungsspielraum zubilligen, wenn der Entscheid besonderes Fachwissen oder Vertrautheit mit den tatsächlichen Verhältnissen voraussetzt. Es stellt sich die Frage, ob die Fassung des Ständerates tatsächlich der Weisheit letzter Schluss ist.

IV. FAZIT UND AUSBLICK

Es wurde schon verschiedentlich kritisiert, dass das Zweitwohnungsgesetz mit seinen Verweisungen und Verwinkelungen eine sehr komplizierte Gesetzgebung sei. Dem Ständerat ist es nicht gelungen, diese Kritik zu entkräften; das Gegenteil dürfte der Fall sein, indem er neue unbestimmte Begriffe einführt, die zu Rechtsunsicherheit und unterschiedlicher Rechtsanwendung führen können, zumindest bis sie auf Verordnungsebene oder durch die Gerichte definiert werden. Die Vorlage mit den vom Ständerat vorgeschlagenen Änderungen geht nun in den Nationalrat.

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7. November 2014 / Dr. iur. Hanspeter Geissmann