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ABÄNDERUNG DES KINDESUNTERHALTS

lic. iur. Judith Rhein, Rechtsanwältin, und Gabriel Hüni, MLaw

Der Kindesunterhalt wird jeweils in einem Urteil oder einem Unterhaltsvertrag für die Zukunft festgelegt. Dabei stellt die Bemessung des Kindesunterhalts auf die Umstände ab, welche zum Zeitpunkt der Festlegung bestehen oder für die Zukunft vorhergesehen werden. Nun entspricht es der Lebenswirklichkeit, dass solche Umstände sich verändern können. Erfüllen diese Veränderungen die folgend dargelegten Kriterien, ist eine Anpassung der Unterhaltsbeiträge gerechtfertigt und mit der Abänderungsklage (Art. 286 ZGB) durchsetzbar.

I. VORAUSSETZUNGEN DER ABÄNDERUNGSKLAGE

Die Abänderungsklage (Art. 286 ZGB) setzt stets voraus, dass das Kindesverhältnis feststeht und bereits ein Unterhaltsbeitrag festgelegt wurde. Dies kann entweder über ein Gerichtsurteil (oftmals das Scheidungsurteil) oder durch einen Unterhaltsvertrag geschehen. Die Voraussetzungen an die Veränderung sind jeweils dieselben, in anderen Belangen (z.B. Zuständigkeit, Kosten) bestehen teilweise Unterschiede.

Um eine Abänderung der Kindesunterhaltsbeiträge zu rechtfertigen, müssen sich die wirtschaftlichen Verhältnisse massgeblich verändern. Davon abzugrenzen sind somit Veränderungen in den persönlichen Verhältnissen. Ein Zerwürfnis zwischen dem unterhaltspflichtigen Elternteil und unmündigem Kind begründet in der Regel keinen Anspruch auf Anpassung der Beiträge. Eine Ausnahme kann vorliegen, wenn sich dadurch die wirtschaftlichen Verhältnisse ändern – wenn z.B. der unterhaltspflichtige Elternteil einen erheblich geringeren Unterhalt bezahlte, da er zugleich zu grossem Teil das Kind direkt bei sich versorgte, dies aber nun nach dem Zerwürfnis dauerhaft nicht mehr der Fall ist.

Nicht jede kleinere Veränderung reicht, um eine Anpassung verlangen zu können. Urteile und Unterhaltsverträge sollen grundsätzlich Bestand haben, zudem soll – auch dem Kind zuliebe – nicht wegen kleineren Veränderungen stets prozessiert werden. Nach gefestigter Rechtsprechung muss die Veränderung daher erheblich, auf Dauer angelegt und nicht vorhersehbar sein. Dies sind die zentralen Kriterien, welche selbstredend noch präzisiert werden müssen.

Wann eine Veränderung erheblich ist, beurteilt der Richter nach eigenem Ermessen. In der Regel wird dabei die Höhe der Veränderung an der Höhe des Unterhaltsbeitrages gemessen. Eine Veränderung kann daher bei einem kleinen Unterhaltsbeitrag erheblich sein, hingegen bei einem grossen Unterhaltsbeitrag nicht. Zudem wird die Veränderung in Relation gesetzt zu den gesamten wirtschaftlichen Verhältnissen. Das heisst, dass bei knappen Verhältnissen bereits kleinere Veränderungen ausreichen, bei guten Verhältnissen braucht es dagegen mehr. Vielerorts werden Prozentzahlen genannt, um welche die neuen wirtschaftlichen Verhältnisse von denjenigen zum Zeitpunkt des Urteils abweichen müssen, um als erheblich zu gelten. Diese Zahlen sind indes mit Vorsicht zu geniessen. Sie können durchaus als Richtgrösse dienen, beweisen alleine für sich jedoch noch nichts. Wo z.B. bei guten wirtschaftlichen Verhältnisse eine Veränderung von 20 % vorausgesetzt werden könnte, kann bei knappen Verhältnisse eine Veränderung von 5 % genügen.

Erst wenn eine Veränderung von Dauer ist, vermag sie eine dauerhafte Anpassung der Unterhaltsbeiträge zu rechtfertigen. Anders betrachtet heisst dies aber auch, dass kürzere Schwankungen zu Lasten (oder zu Gunsten) des Unterhaltspflichtigen gehen. Auch hier entscheidet das Gericht nach eigenem Ermessen. Hilfreich dabei ist ein Bundesgerichtsentscheid, in welchem eine Arbeitslosigkeit von mehr als vier Monaten als dauerhaft bezeichnet wurde. Diese Frist wurde teilweise auch für andere Fälle als Faustregel herangezogen. Auch hier gilt die Frist jedoch nicht als starre Grösse, sondern es sind jeweils die Umstände des Einzelfalles (insbes. Vermögen und Einkommen) zu berücksichtigen.

Der festgelegte Unterhaltsbeitrag stellt sowohl auf die damaligen Verhältnisse als auch auf die allfällig berücksichtigten zukünftigen Verhältnisse ab. Wurde eine Veränderung also bereits zum Zeitpunkt des Urteils vorhergesehen und berücksichtigt, rechtfertigt diese bei ihrem Eintreffen keine Anpassung des Unterhaltsbeitrages. Nun ist es in der Praxis teilweise problematisch, im Nachhinein festzustellen, ob eine bestimmte Veränderung effektiv berücksichtigt wurde. Es gilt dabei die Vermutung, dass vorhersehbare Veränderungen berücksichtigt wurden, wodurch die klagende Partei den Beweis erbringen muss, dass eine Tatsache effektiv unberücksichtigt blieb. Oftmals wird z.B. die Teuerung bereits im Urteil bzw. im Unterhaltsvertrag mit einer Teuerungsklausel berücksichtigt – oder auch explizit auf eine Anpassung an diese Veränderung verzichtet.

II. FALLGRUPPEN

I. Veränderungen beim Kind

In der Regel steigt der Bedarf des Kindes mit zunehmendem Alter. Gerade dieser steigende Bedarf stellt jedoch keinen Abänderungsgrund dar. Erzielt das Kind ein Einkommen, ist dies angemessen zu berücksichtigen. Der Lehrlingslohn ist jedoch nicht ganz, sondern lediglich teilweise dem Einkommen des Elternteils anzurechnen, wobei die Urteile stark variieren zwischen 30 – 80 %. Beim Kindesvermögen gilt der etwas altmodisch formulierte Grundsatz „Kindesgut ist eisern Gut“. Es darf höchstens mit Zustimmung der Kindesschutzbehörde angetastet werden und wird bei der Unterhaltsbemessung nicht berücksichtigt.

II. Veränderungen beim Unterhaltsschuldner

Eine wirtschaftliche Veränderung kann darin liegen, dass der Unterhaltsschuldner mehr oder weniger verdient. Verdient er – erheblich, dauerhaft und unvorhersehbar – mehr, ist dies zu berücksichtigen, wenn der effektive Bedarf des Kindes noch nicht gedeckt ist. Darüber hinaus hingegen kann nur noch eine massive Steigerung des Einkommens eine Abänderung bewirken. Verdient der Unterhaltsschuldner erheblich weniger, empfindet er oftmals eine Senkung des Unterhaltsbeitrages als gerechtfertigt. Dabei ist jedoch danach zu fragen, ob er die Einkommensminderung selbst zu verschulden hat. Hat der Schuldner zum Beispiel die Arbeitsstelle selbst gekündigt, um sich selbständig zu machen, eine Weiterbildung zu beginnen oder ins Ausland zu ziehen; hat er sein Pensum freiwillig reduziert oder sich frühzeitig pensionieren lassen, so gehen diese Einbussen zu seinen Lasten und er kann keine Reduktion verlangen. Es wird dem Schuldner ein hypothetisches Einkommen angerechnet, d.h. er bezahlt Unterhaltsbeiträge gestützt auf das Einkommen, welches er bei vollem Einsatz seiner Arbeitskraft auf dem Markt erzielen könnte. Dabei kann es vorkommen, dass eine verschuldete Einkommenseinbusse zwar verschuldet, aber zugleich auch irreversibel ist. In diesen Fällen kann trotz dem Verschulden ein höheres hypothetisches Einkommen unzumutbar und eine Senkung des Unterhalts gerechtfertigt sein.

Hat sich hingegen sein Einkommen unverschuldeterheblich, dauerhaft und unvorhergesehen reduziert, so hat er Anspruch auf eine Reduktion der Unterhaltsbeiträge. Natürlich keine Reduktion verlangen kann der Schuldner hingegen auch bei unverschuldeten Einkommenseinbussen, wenn ihm bereits ein hypothetisches Einkommen angerechnet wurde und er neuerdings noch weniger verdient.

Eine häufige Veränderung bei dem Unterhaltsschuldner ist, dass zusätzliche Kinder bzw. zusätzliche Unterhaltspflichten hinzu kommen. Hier gilt der Grundsatz der Gleichberechtigung aller Kinder. Diese wird dadurch erreicht, dass das Einkommen, welches das betreibungsrechtliche Existenzminimum des Schuldners übersteigt, gleichmässig auf sämtliche Kinder verteilt wird, bis deren Bedarf gedeckt ist. Ist der Schuldner mittlerweile wieder verheiratet, gelten zwei Besonderheiten: Erstens muss dem Schuldner bei der Berechnung der Unterhaltsbeiträge wie üblich das Existenzminimum belassen werden. Es gilt jedoch nicht das gemeinsame Existenzminimum mit der Ehefrau, sondern ein isoliertes, nur auf den Schuldner bezogenes Existenzminimum. Zweitens ist ein Ehegatte im Rahmen der elterlichen Unterstützungspflicht angehalten, für die eigenen Kinder mehr zu bezahlen, wenn das Geld des andern Ehegatten sonst nicht für alle seine Unterhaltsverpflichtungen ausreicht.

III. Veränderungen beim obhutsinhabenden Elternteil

Ein Unterhaltsschuldner, welcher unter der finanziellen Belastung leidet, führt oftmals das Argument ins Feld, der anderen Partei gehe es doch wirtschaftlich viel besser als ihm oder ihr. Gerade wenn es bei der Partei, welche für das Kind sorgt, wirtschaftlich bergauf geht, juckt dies in der Regel das Gerechtigkeitsempfinden der Unterhaltsschuldner.

Aus rechtlicher Sicht ist hier jedoch Vorsicht geboten: Während der Schuldner in angespannten Zeiten den Schutz seines Existenzminimums geniesst, kommt in guten Zeiten der wirtschaftliche Aufschwung des Unterhaltsberechtigten dem Kind zu Gute. Erst wenn das Verhältnis stossend ist, kann eine Reduktion geltend gemacht werden. Konkret muss dafür der Unterhaltsschuldner auf den minimalsten Existenzbedarf reduziert sein, während auf Seiten der Berechtigten wirtschaftlich gute bis sehr gute Verhältnisse herrschen. In der Regel kann daher bei wirtschaftlichem Aufschwung der obhutsinhabenden Person keine Anpassung

verlangt werden.

VIII. FAZIT

Die Abänderungsklage nach Art. 286 ZGB ist erfolgsversprechend, wenn sich die massgebenden wirtschaftlichen Verhältnisse erheblich, dauerhaft und unvorhergesehen bzw. unberücksichtigt verändert haben. Nicht möglich ist hingegen die generelle Anfechtung eines als ungerecht empfundenen Unterhaltsentscheides. Zu berücksichtigen bleibt, dass die Unterhaltsregelung neben der Abänderungsklage auch einvernehmlich im Rahmen einer Vereinbarung angepasst werden kann. Auch solche Vereinbarungen müssen den rechtlichen Anforderungen entsprechen und sind durch das Gericht oder die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde zu genehmigen. – In beiden Fällen ist der Beizug einer Anwältin / eines Anwaltes zu empfehlen.

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4. April 2014 / lic. iur. Judith Rhein

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