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ABGRENZUNG ZWISCHEN ARBEITSVERTRAG UND AUFTRAG

MLaw Kim Wysshaar, Rechtsanwältin

Das Bundesgericht bestätigte kürzlich den Entscheid des Kantonsgerichts Genf, wonach Uber Fahrer und Fahrerinnen als Angestellte und nicht selbständig Erwerbende gelten würden (BGer 2C_34/2021 vom 30.05.2022). Der Entscheid des Bundesgerichts ist das Ergebnis eines jahrelangen Prozesses, welcher aufzeigt, dass flexible Arbeitsmodelle in rechtlicher Hinsicht nicht immer leicht zu qualifizieren sind. In der Praxis ist insbesondere die Abgrenzung zwischen Arbeitsvertrag und Auftrag im Einzelfall schwierig und oftmals Thema gerichtlicher Auseinandersetzungen. Die wesentlichen Merkmale der beiden Vertragstypen sowie deren Unterschiede werden in vorliegendem Newsletter deshalb kurz zusammengefasst.

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I. WESENSMERKMALE DES ARBEITVSERTRAGES

Nach Art. 319 Abs. 1 OR verpflichtet sich der Arbeitnehmer durch einen Einzelarbeitsarbeitsvertrag auf bestimmte oder unbestimmte Zeit zur Leistung von Arbeit im Dienst des Arbeitgebers und dieser zur Entrichtung eines Lohnes. Nach der gesetzlichen Definition weist der Arbeitsvertrag somit folgende Hauptmerkmale auf:

  • Erbringen einer Arbeitsleistung
  • Entgeltlichkeit
  • Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation (sog. Subordinationsverhältnis)
  • Vorliegen eines Dauerschuldverhältnisses

Der Arbeitsvertrag stellt ein Dauerschuldverhältnis dar, welches sich nicht in einem einmaligen Austausch von Vertragsleistungen erschöpft. Ebenfalls als Einzelarbeitsvertrag gilt auch ein Vertrag, durch welchen sich ein Arbeitnehmer zur regelmässigen Leistung von stunden-, halbtage- oder tageweiser Arbeit (Teilzeitarbeit) im Dienst des Arbeitgebers verpflichtet. Für die entsprechenden Arbeitsleistungen ist dem Arbeitnehmer zwingend ein Entgelt im Sinne eines Zeit- oder Akkordlohnes zu bezahlen. Bei einer unentgeltlichen Tätigkeit liegt kein Arbeitsvertrag vor.

Das wohl bedeutendste Kriterium für das Vorliegen eines Arbeitsvertrages, welchen den Arbeitsvertrag auch von anderen Vertragstypen abgrenzt, ist jedoch die Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation. Durch die Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation entsteht das für das Arbeitsverhältnis typische Abhängigkeitsverhältnis, das den Arbeitnehmer im Arbeitsvollzug persönlich, organisatorisch, zeitlich und wirtschaftlich der Weisungsgewalt des Arbeitgebers unterstellt.

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II. WESENSMERKMALE DES AUFTRAGES

Der Beauftragte verpflichtet sich durch die Annahme eines Auftrages gemäss Art. 394 Abs. 1 OR, die ihm übertragenen Geschäfte oder Dienste vertragsgemäss zu besorgen. Beim Auftrag handelt es sich somit wie beim Arbeitsvertrag um einen Arbeitsleistungsvertrag. Der Beauftragte hat gewisse Dienstleistungen im Hinblick auf ein bestimmtes Resultat zu erbringen, ohne dabei einen Erfolg zu schulden. Er führt fremde Geschäfte und wahrt damit fremde Interessen. Die entsprechende Treueverpflichtung ist für den Auftrag typisch. Geschäftsherr bleibt der Auftraggeber, weshalb dessen Weisungen vom Beauftragten zu befolgen sind. Zudem besteht zwischen dem Auftraggeber und Beauftragten grundsätzlich ein besonderes Vertrauensverhältnis.

Die entscheidenden Wesensmerkmale des Auftrages sind somit die Folgenden:

  • Treueverpflichtung
  • besonderes Vertrauensverhältnis und Persönlichkeitsbezug
  • oft vorhandene inhaltliche Unbestimmtheit
  • die selbständige Beauftragtenstellung (der Beauftragte handelt auf fremde Rechnung und fremde Gefahr)

Der Auftrag stellt einen zweiseitigen Schuldvertrag dar, welcher entgeltlich oder unentgeltlich ausgestaltet sein kann. Er ist ebenfalls oft als Dauerschuldverhältnis ausgestaltet, wobei das Auftragsverhältnis jederzeit widerrufen werden kann. Der Inhalt vieler Aufträge lässt sich zum Voraus nicht genau bestimmen, da die vom Beauftragten zu besorgenden Angelegenheiten in der Regel ständigen Veränderungen ausgesetzt sind. 

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III. ABGRENZUNG ZWISCHEN ARBEITSVERTRAG UND AUFTRAG

Vergleicht man die Wesensmerkmale des Arbeitsvertrages mit denjenigen des Auftrages zeigt sich, dass die Abgrenzung zwischen den beiden Vertragstypen in der Praxis äusserst schwierig sein kann. Beide Vertragstypen beinhalten insbesondere eine gewisse Weisungsgewalt des Arbeitgebers bzw. Auftraggebers. 

Für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses und gegen das Vorliegen eines Auftrages sprechen gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung insbesondere folgende Merkmale:

  • Einbindung des Arbeitnehmers in die Hierarchie des Arbeitgebers bzw. Einbettung in fremde Arbeitsorganisation. Der Auftragnehmer ist demgegenüber nicht in eine fremde Arbeitsorganisation eingebunden.
  • Klare Instruktion in Bezug auf Zeitpunkt, Ort und Art und Weise, wie die Arbeitsleistungen zu erbringen sind. Je freier der Arbeitnehmer in Bestimmung seiner Arbeitszeit, seines Arbeitsortes und Art, wie er die Arbeitsleistungen erbringen will, ist, desto weniger wird ein Subordinationsverhältnis und damit ein Arbeitsverhältnis angenommen. Der Auftragnehmer verfügt über weitgehende Freiheit bei der Bestimmung wann, wo und wie die Dienstleistungen ausgeführt werden.
  • Die Arbeitsleistungen erfolgen mit einer gewissen Regelmässigkeit und für eine bestimmte Dauer.
  • Vereinbarung von typisch arbeitsvertraglichen Rechten und Pflichten, wie Lohnfortzahlung bei Krankheit, nachvertragliches Konkurrenzverbot, Ferien etc.
  • Arbeit mit Arbeitsgeräten und Materialien des Arbeitgebers, Büro am Sitz des Arbeitgebers, Visitenkarten mit dem Namen und Logo des Arbeitgebers, E-Mail-Adresse des Arbeitgebers etc.

Obwohl die obgenannten Merkmale den Parteien als Hilfestellung bei der Abgrenzung zwischen Arbeitsvertrag und Auftrag dienen können, muss stets sorgfältig geprüft werden, welches Vertragsverhältnis nun konkret vorliegt. Es kann dabei insbesondere nicht ohne Weiteres auf die Bezeichnung des jeweiligen Vertrages abgestellt werden. Entscheidend ist vielmehr die gelebte Realität der Vertragsparteien. Je nachdem, ob ein Auftrag oder ein Arbeitsvertrag vorliegt, sind zudem unterschiedliche gesetzliche Bestimmungen zu beachten. Bei Vorliegen eines Arbeitsvertrages gilt es insbesondere die sozialversicherungsrechtlichen Vorgaben sowie die Bestimmungen betreffend Arbeitnehmerschutz einzuhalten.  

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IV. FAZIT

Flexible Arbeitsmodelle können für die beteiligten Parteien gleichermassen attraktiv sein. Je nachdem, ob das konkrete Beschäftigungsmodell jedoch als Auftrag oder Arbeitsvertrag qualifiziert wird, gilt es unterschiedliche gesetzliche Bestimmungen zu beachten. Es empfiehlt sich daher, bereits vor Abschluss eines nicht konkret definierten Beschäftigungsmodells zu prüfen, ob die Wesensmerkmale eines Arbeitsvertrages oder Auftrages erfüllt sind. Wird ein Vertragsverhältnis nachträglich als Arbeitsvertrag qualifiziert, kann dies insbesondere für den Arbeitgeber einschneidende Konsequenzen (u.a. in Bezug auf Sozialversicherungsbeiträge und Steuern) haben. 


10. Oktober 2022 / MLaw Kim Wysshaar

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