DAS AUSKUNFTSRECHT DES AKTIONÄRS
lic. iur. Patricia Geissmann, Rechtsanwältin
Gemäss Art. 697 OR ist jeder Aktionär berechtigt, an der Generalversammlung vom Verwaltungsrat Auskunft über die Angelegenheiten der Gesellschaft zu verlangen. Wie weit dieses Auskunftsrecht geht bzw. wie detailliert die Auskünfte des Verwaltungsrates sein müssen, ist immer wieder Thema diverser rechtlicher Abhandlungen und Lehrmeinungen. Kürzlich hat sich auch das Bundesgericht wieder einmal mit dieser Frage befasst: Mit Entscheid vom 25. Februar 2021 (4A_561/2020) hat es einen weiteren wegweisenden Entscheid gefällt, der die strengen Einschränkungen dieses Auskunftsrecht erneut aufzeigt.
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I. DAS AUSKUNFTSRECHT ALS INFORMATIONS- UND KONTROLLRECHT DES AKTIONÄRS
Art. 697 OR regelt ein individuelles Recht auf Auskunft und Einsicht des Aktionärs. Die Gesellschaft bzw. der Verwaltungsrat ist dadurch unter gewissen Voraussetzungen zur Informationsoffenlegung gegenüber einem Aktionär verpflichtet. Grundsätzlich umfasst das Auskunftsrecht alle Informationen, die entscheidend sind, um die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Lage der Aktiengesellschaft beurteilen zu können. Jeder Aktionär muss die Möglichkeit haben, sich ein Bild der Gesellschaft zu machen, da dieses Bild letztlich für den Entscheid ausschlaggebend ist, ob sich der Aktionär weiterhin an der Gesellschaft beteiligen wird oder seine Anteile gegebenenfalls zu veräussern versucht.
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II. INHALTLICHE SCHRANKEN DES AUSKUNFTSRECHTS
Was auf den ersten Blick umfassend und detailliert anmuten mag, ist in der Praxis weitgehenden Schranken ausgesetzt. So kann ein Aktionär sein Auskunftsrecht insb. nur für solche Informationen ausüben, die allgemeiner Natur sind. Einzelheiten zur Geschäftsführung sind grundsätzlich nicht zu erstatten, es sei denn, der betreffende Aktionär kann nachweisen, dass eine detaillierte Auskunft über einen Geschäftsgang für die Ausübung seiner Aktionärsrechte zwingend erforderlich ist. Es wird also ein aktuelles Rechtschutzinteresse des Aktionärs an der betreffenden Information verlangt. Zudem dürfen Auskünfte immer dann verweigert werden, wenn ihr Geschäftsgeheimnisse oder andere schutzwürdige Interessen der Gesellschaft entgegenstehen.
Mit der Frage, wann eine Auskunft effektiv notwendig ist, d.h. wann ein aktuelles Rechtschutzinteresse eines Aktionärs zu bejahen ist, hat sich das Bundesgericht in einem kürzlich erschienenen Entscheid erneut befasst. Dem Entscheid 4A_561/2020 lag ein Fall zugrunde, in dem eine Aktionärin Auskunft über die konkrete Aufschlüsselung der Verwaltungsratshonorare verlangte. Die Doktrin hatte sich in der Vergangenheit bereits intensiv mit der Frage befasste, ob der Verwaltungsrat die Auszahlung seiner Honorare mit Blick auf die Privatsphäre der einzelnen Mitglieder generell nicht aufzuschlüsseln hat oder ob er gegebenenfalls dazu verpflichtet werden kann. Teilweise wird die Lehrmeinung vertreten, dass Auskünfte über die Aufschlüsselung nie verhältnismässig seien. Diesbezüglich hat das Bundesgericht in seinem neusten Entscheid nun festgehalten, dass diese Frage basierend auf der gesetzlichen Bestimmung nicht generell mit ja oder nein beantwortet werden könne. Vielmehr sei auch bei dieser Frage entscheidend, ob die betreffende Information für die Wahrung der konkret geltend zu machenden Aktionärsinteressen notwendig sei.
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III. DAS ERFORDERNIS DER NOTWENDIGKEIT
Das Erfordernis der Notwendigkeit einer Auskunft für die Wahrnehmung der Aktionärsrechte stellt damit eine der wesentlichen Voraussetzungen für den Anspruch eines Aktionärs auf Auskunft gegenüber dem Verwaltungsrat dar. Zugleich werden an die Erfüllung dieser Voraussetzung hohe Anforderungen gestellt. Dies hat das Bundesgericht in seinem neusten Entscheid erneut bestätigt. Im zu behandelnden Fall hat die auskunftsersuchende Aktionärin hinsichtlich der Notwendigkeit geltend gemacht, dass sich die Verwaltungsratsmitglieder, die alle Mitglieder ihrer Familie waren, bereits in der Vergangenheit stets dort «bedient» hätten, «wo es am besten geht». Sie schilderte das Bild einer eigentlichen «Gefahrensituation», ohne jedoch detailliert auf einzelne Ereignisse einzugehen, die sie zur Annahme veranlassten, dass die einzelnen Familien- und Verwaltungsratsmitglieder auch hinsichtlich der betreffenden Aktiengesellschaft ein übersetztes Honorar beziehen und sich damit ungerechtfertigt an der Gesellschaft bereichern. Die Klägerin machte lediglich geltend, dass es sich rechtfertige, gestützt auf diese Gefahrensituation «näher hinzusehen», um ein weiteres rechtswidriges Verhalten zu verhindern.
Das Bundesgericht hielt fest, dass die Darstellungen der betreffenden Aktionärin und Klägerin zu wenig konkret seien, um eine solch detaillierte Auskunft wie die Aufschlüsselung von Verwaltungsratshonoraren zu rechtfertigen. Die von ihr vorgetragene Gefahrensituation wurde als zu pauschal qualifiziert, als dass sich daraus ein aktuelles Rechtsschutzinteresse hinsichtlich einer Rückforderungs- oder Verantwortlichkeitsklage gegen einzelne Mitglieder des Verwaltungsrats ergeben könnte. Diese Rechtsbehelfe bestünden in der jetzigen Situation der Klägerin erst als abstrakte Möglichkeit und es sei nicht dargelegt worden, dass das Ergreifen dieser Rechtsbehelfe bei entsprechender Information bereits konkret in Betracht falle. Ebenso wenig fehlten dem obersten Gericht konkrete Anhaltpunkte dafür, dass die Voraussetzungen für eine Rückerstattungs- oder Verantwortlichkeitsklage auch effektiv erfüllt sein könnten.
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IV. FAZIT UND WÜRDIGUNG DES ENTSCHEIDS
Der Entscheid des Bundesgerichts ist insofern zu begrüssen, als dass er wieder einmal etwas Klarheit darüber schafft, wann das Erfordernis der Notwendigkeit einer Auskunft für die Wahrnehmung der Aktionärsrechte gegeben ist und welche Anforderungen an dieses Kriterium zu setzen sind. Inhaltlich stellt sich allerdings die Frage, ob das Auskunftsrecht des Aktionärs damit nicht seines eigentlichen Sinnes entleert wird. Wenn der Verdacht, dass sich einzelne Verwaltungsratsmitglieder ungerechtfertigt am Vermögen der Gesellschaft bereichern, im Zeitpunkt der Einforderung der Auskunft über die Honorare bereits dermassen konkretisiert sein muss, dass beinahe schon die Voraussetzungen für die Einleitung einer Rückforderungs- oder Verantwortlichkeitsklage erfüllt sind, fragt sich, ob eine Auskunft dann überhaupt noch erforderlich ist. Bei einem dermassen konkreten Verdacht, wenn nicht gar bereits Wissen, könnten die entsprechenden Unterlagen grundsätzlich auch bereits in einem entsprechenden Gerichtsprozess (Rückforderungs- oder Verantwortlichkeitsklage) zur Edition verlangt werden. Ob dies wirklich Sinn und Zweck des Auskunftsrechts ist, wagt die Autorin zu bezweifeln.
25. Juni 2021 / lic. iur. Patricia Geissmann
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