DAS BAUKOSTENHONORAR BEI PLANERVERTRÄGEN – EINE FORMEL MIT VIELEN VARIABLEN

lic. iur. Christoph Schärli, Rechtsanwalt

lic. iur. Christoph Schärli, Rechtsanwalt bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden und Zürich

Bauherrschaften sehen sich bei Offerten von Planern oft mit dem Vergütungsmodell nach aufwandbestimmenden Baukosten konfrontiert. Dieses wird auch als „Baukostenhonorar“ bezeichnet. Der Bauherrschaft wird dabei gestützt auf die entsprechende SIA-Honorarordnung 102 (Architekten) oder 103 (Ingenieurleistungen) eine Honorarofferte vorgelegt, welche für die Berechnung des Honorars auf eine komplexe, nicht einfach nachzuvollziehende und damit auch schwer kontrollierbare Formel zurückgreift. Die mathematische Formel mag den Anschein erwecken, dass die Honorarberechnung sehr exakt ist und wenig Interpretations- und Verhandlungsspielraum bietet. Dem ist jedoch gerade nicht so.

I. PROGNOSTIZIERTER ZEITAUFWAND ALS REFERENZGRÖSSE

Das Vergütungsmodell nach Baukosten beruht auf der (statistisch erwiesenen) Annahme, dass der Aufwand des Planers mit den Baukosten in einem Zusammenhang steht – somit bei steigenden Baukosten steigt und bei geringeren Baukosten sinkt. Ob dies effektiv zutrifft und inwieweit ein solches Vergütungsmodell genügend Anreize für den Planer schafft, die Baukosten für den Bauherrn tief zu halten oder gar zu optimieren, wird an dieser Stelle offengelassen. Der Newsletter konzentriert sich auf eine zusammenfassende Darstellung der „technischen“ Fragen der entsprechenden Honorarformeln.

Statt dass der Planer seinen effektiven Zeitaufwand erfasst und dann mit seinem Stundenansatz multipliziert, wird beim Baukostenhonorar eine fiktive „Stundenaufwandprognose bzw. -durchschnitt“ anhand der Baukosten und weiteren Faktoren hergeleitet. Die Herleitung erfolgt in drei Schritten (nachfolgend rückwärts dargestellt). Die drei Formeln zur Herleitung des Honorars sind nachfolgend aufgelistet:

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Formel für die Berechnung des Honorars (H):

Tp (progn. Zeitaufwand) × (Faktor Sonderleistungen) × (Stundenansatz)

Der prognostizierte Zeitaufwand in Stunden (Tp) wird mit dem vertraglich vereinbarten Stundenansatz (h) sowie einem Faktor für allfällige Sonderleistungen (s) multipliziert was das Honorar (H) ergibt.

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Formel für die Berechnung des prognostizierten Zeitaufwandes (Tp):

Tp Tm (durchschn. Zeitaufwand) × (Teamfaktor)

Der prognostizierte Zeitaufwand (Tp) errechnet sich aus dem durchschnittlichen Zeitaufwand (Tm) multipliziert mit dem Teamfaktor (i). Der Teamfaktor ist normalerweise 1.0 (womit Tp meist Tm entspricht) und wird nur in besonderen Fällen angepasst.

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Formel zur Herleitung des durchschnittlichen Zeitaufwandes (Tm):
Tm (aufwandbest, Baukosten) × ((Grundfaktor)/100) × (Schwierigkeitsgrad) × ((Leistungsanteil)/100) × r (Anpassungsfaktor)
Die beiden für das Honorar in erster Linie massgebenden bzw. entscheidenden Grössen sind dabei die aufwandbestimmenden Baukosten (B) sowie der Leistungsanteil (q)

Aufwandbestimmende Baukosten (B):

Generell sind nur diejenigen Baukosten aufwandbestimmend, welche den Aufwand des Planers beeinflussen. Wird ein Planer (etwa ein Ingenieur) als Spezialist nur für bestimmte Bauteile beigezogen, so sind entsprechend nur die Baukosten für die Teile, welche der Planer bearbeitet, aufwandbestimmend. Etwas Anderes wäre nicht im Sinn des Modells. Nur wenn der Planer (wie etwa der Architekt, welcher sich um den ganzen Bau kümmert) das ganze Gebäude bearbeitet, sind die gesamten Baukosten aufwandbestimmend. Im Vertrag ist zu regeln, ob sich die aufwandbestimmenden Baukosten anhand der Kostenschätzung oder anhand der Schlussrechnung errechnen. Wichtig ist, dass nicht alle im Zusammenhang mit dem Bau anfallenden Kosten aufwandbestimmend sind, sondern nur die Kosten, welche die SIA als aufwandbestimmend vorsieht. Nicht aufwandbestimmend sind etwa die Honorare der Planer und Spezialisten, Grundstückkosten, öffentliche Gebühren, Versicherungen, MwSt. etc. Die Abgrenzung ist nicht immer einfach, gerade wenn nur Leistungen für Teile eines Bauwerkes erbracht werden. Je detaillierter man im Vertrag geregelt hat, welche Kosten aufwandbestimmend sein sollen, desto weniger Unklarheiten bleiben.

Leistungsanteil (q):

Neben der Höhe der Baukosten (Faktor B) kommt dem Faktor q entscheidende Bedeutung zu. Die obgenannte Formel des SIA errechnet den durchschnittlichen Zeitaufwand für alle Grundleistungen des Leistungskataloges der drei SIA Phasen Projektierung, Ausschreibung und Realisierung (SIA Phasen 3-5). Nur wenn der Planer alle im SIA-Leistungskatalog definierten Grundleistungen dieser drei Phasen erbringt, ist der Faktor =100 (d.h. 100 % Leistungsanteil). In der SIA-Leistungstabelle sind die einzelnen Teilphasen mit Teilprozenten beschrieben. Wir etwa nur das Vorprojekt beauftragt, ist der Faktor q = 9 %. Der SIA-Leistungskatalog umschreibt die Aufgaben des Pla- ners funktional und nicht quantitativ. Der quantitative Aufwand wird im Zusammenspiel mit den aufwandbestimmenden Baukosten errechnet. Ausgehend von den 100 % Gesamtleistungen ist deshalb immer festzulegen, wie viele Leistungen/Aufgaben der Beauftragte aus dem Katalog der als in der SIA-Tabelle als 100 % Gesamtleistung definierten Leistungen erbringen muss. Zu beachten ist, dass diese Leistungsprozente sehr pauschalisierend sind und die Realität oft nicht wiedergeben, was zu Diskussionen führen kann, wenn nur einzelne Leistungen in einer Phase erbracht werden müssen.

Aus Sicht der Bauherrschaften (aber auch der Planer) ist dem Faktor q deshalb vor Vertragsunterzeichnung ein besonderes Augenmerk zu schenken, hat der Leistungsanteil enorme Auswirkung auf die Höhe der Vergütung und auch den beauftragten Leistungsumfang. Besondere Schwierigkeiten bietet die Festlegung des Leistungsanteils q, wenn der Bauherr noch weitere Spezialisten beizieht und so gewisse Leistungen aus dem Leistungskatalog des Planers wegfallen. Wird etwa die Bauleitung ausgeklammert, so reduziert sich der Honoraranteil entsprechend um den wegfallenden Leistungsanteil. Will der Bauherr hier nicht eine Leistung doppelt vergüten, so muss der Leistungskatalog und auch der Leistungsanteil überprüft und die Festlegung des Faktors q anhand des genauen Leistungsbeschriebs angepasst werden.

Weitere Faktoren:

Neben den Faktor der aufwandbestimmenden Baukosten (B) und dem Leistungsanteil (q) enthält die Formel noch den sogenannten „Grundfaktor“ (p) für den Stundenaufwand, ein vom SIA vorgegebener Faktor, welcher den Zusammenhang zwischen den Baukosten und Zeitaufwand ausdrücken soll, sowie den Faktor „Schwierigkeitsgrad“ (n), welcher nach der Baukategorie (n) festgelegt wird. Auch da ist zu empfehlen, im Vertrag diese Faktoren verbindlich zu regeln, wobei normalerweise diese Faktoren standardmässig nach den Vorgaben des SIA verwendet werden. Mit dem Anpassungsfaktor (r) können allfällige äussere Einflüsse berücksichtigt werden. Normalerweise gilt jedoch auch hier der Anpassungsfaktor 1.0.

II. EMPFEHLUNG UND FAZIT

Die komplex erscheinende Formel mit den diversen Faktoren darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es bei der Herleitung des Honorars entscheidend auf die beiden Faktoren der aufwandbestimmenden Baukosten (B) sowie des Leistungsanteils (q) ankommt. Diese Faktoren sind nicht vorgegeben, sondern vom effektiven Projektumfang und den Verhandlungen der Parteien abhängig. Bei der Prüfung einer entsprechenden Offerte und vor Vertragsabschluss ist deshalb ein besonderes Augenmerk auf diese beiden Faktoren zu legen.

Bei den aufwandbestimmenden Baukosten empfiehlt es sich, bereits im Vertrag festzuhalten, welche Baukosten aufwandbestimmenden und damit honorarrelevant sind. Erbringt ein Planer nur bei gewissen Gewerken Leistungen dürfen nur die Baukosten dieser Gebäudeteile honorarwirksam sein. Teile wo keine Leistungen erbracht werden, müssen für die Herleitung des Honorars aus den aufwandbestimmenden Baukosten (B) entfernt werden. Sollte die Schlussrechnung als Referenzgrösse gewählt werden, ist zu empfehlen eine Obergrenze bei den aufwandbestimmenden Baukosten festzulegen und so das Honorar noch oben zu begrenzen. So kann der Bauherr unliebsame Überraschungen vermeiden. Auch beim Faktor q (Leistungsanteil) ist zu prüfen, welche Leistungen überhaupt beauftragt werden sollen. Der Leistungskatalog der SIA ist nicht sakrosankt, sondern kann je nach Projekt Anpassungen erfordern. Gerade wenn mehrere Planer oder Spezialisten im Projekt involviert sind, ist der jeweilige Leistungsanteil kritisch zu hinterfragen, will der Bauherr nicht Gefahr laufen, zweimal dieselbe Leistung zu bezahlen.

Auch eine detaillierte Prüfung ändert jedoch nichts daran, dass es sich beim Vergütungsmodell nach den aufwandbestimmenden Baukosten um ein stark pauschalisierendes Festpreismodell handelt, welches im Einzelfall mehr oder weniger von der effektiven Leistungsrealität abweichen kann. (Für einzelne Zusatzleistungen und Aufträge, ist dieses Modell deshalb nicht geeignet.) Sowohl Planer wie Bauherrschaften müssen sich in jedem Fall diesem Umstand bewusst sein, wenn sie sich für eine Vergütung nach diesem Modell entscheiden.

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26. September 2018 / lic. iur. Christoph Schärli