DAS EIGENE BAUPROJEKT DAMIT DER TRAUM VOM EIGENHEIM NICHT ZUM ALBTRAUM WIRD
lic. iur. Christoph Schärli, Rechtsanwalt
Das eigens geplante und gebaute Eigenheim – für Viele ein erstrebenswerter Traum. Das Grundstück erworben, die Ideen für Raumgestaltung reichlich vorhanden, lukrative Offerten auf dem Tisch: Achtung! Stürzen Sie sich nicht übereilt und ohne Vorbereitung in das Abenteuer! Das eigene Bauprojekt ist kein Sonntagsspaziergang, sondern eine Bergtour durch abschüssiges und unwegsames Gelände. Fehltritte können gravierende Konsequenzen haben, die Absturzgefahr ist hoch. Fast Jeder kennt in seinem Umfeld Personen, welche mit dem eigenen Bauprojekt viel Geld, Zeit und Nerven verloren haben. Die Probleme auf der eigenen Baustelle oder bei später auftretenden Mängeln können nicht nur für das Bankkonto, sondern in gravierenden Fällen auch für Berufs- und Familienleben zur Belastung werden.
Mit den richtigen Vorkehrungen können Sie als private Bauherren und Bauherrinnen das Risiko von Fehltritten und Abstürzen jedoch beträchtlich minimieren. Die nachfolgende kurze Checkliste fasst die wichtigsten Massnahmen zusammen, welche helfen können, die Trittsicherheit bei der Verwirklichung des eigenen Bauprojektes zu erhöhen:
I. PLANEN SIE ZEITLICHE UND FINANZIELLE RESERVEN EIN
Der Zeitaufwand eines Bauprojektes wird meist unterschätzt. Prognosen sind schwierig zu erstellen. So sind viele der für die Projektdauer relevanten Faktoren (Baubewilligungsverfahren, Änderung Projektumfang, Probleme mit Vertragspartnern etc.) bei Projektbeginn noch nicht abschliessend abschätzbar. Ein zu knapper Zeitplan kann ein Projekt schnell in finanzielle und/oder organisatorische Schieflage bringen. Im Zeitplan sollten deshalb immer genügend zeitliche Reserven eingeplant werden.
Dasselbe gilt für die Kosten. Oft wird zu knapp bzw. viel zu optimistisch gerechnet und geplant. In einem sorgfältigen Budget sind nicht nur die veranschlagten Kosten für Planung und Bau, sondern auch sämtliche Bewilligungsgebühren und weitere Abgaben sowie die im Zusammenhang der Bautätigkeit anfallenden Begleitkosten einzurechnen. Diese werden immer wieder vergessen. Während eines Bauprojektes fallen meist noch (zusätzliche) Wohnkosten für die Zeit der Bauphase, Fahrspesen, unbezahlte Ferientage oder auch Kosten für externe Beratung an. Diese «Nebenkosten» können sich – gerade wenn sich das Projekt verzögert – schnell summieren.
Während eines Projektes kann es zudem immer zu unliebsamen Überraschungen kommen. Erfordert etwa der Baugrund zusätzliche bauliche Massnahmen, kann dies schnell ins Geld gehen. Bei Beginn eines Bauprojekts sind zudem die Wünsche der Bauherrschaft meist noch nicht genügend konkretisiert. So tauchen während der Planungs- und der Bauphase nicht selten Änderungs- oder Anpassungswünsche auf. Solche lassen die Baukosten schnell steigen. Dies gilt auch, wenn mit dem Vertragspartner ein Pauschalpreis vereinbart worden ist. Der mit einer Projektänderung verbundene Mehraufwand für Umplanung und Erstellung ist im Pauschalpreis meist nicht mitenthalten und kann regelmässig Mehrvergütungsansprüche der Unternehmer und Planer begründen.
Die Finanzierung ist so sicherzustellen, dass ein genügend hoher Betrag für Unvorhergesehenes und Projektänderungen auf dem Baukonto reserviert bleibt. Eine zu optimistische Planung kann das Projektbudget und damit oft auch den gesamten Finanzhaushalt schnell in Schieflage bringen.
II. PRÜFEN SIE IHRE VERTRAGSPARTNER VOR VERTRAGSABSCHLUSS SORGFÄLTIG
Der Wahl der Vertragspartner kommt für das Bauprojekt entscheidende Bedeutung zu. Ist man mit der falschen Seilschaft unterwegs, nützen die besten Verträge nichts. Wie einem Treuhänder oder einer Bank überträgt man als Bauherr auch dem Planer und den Unternehmern viel Geld und Verantwortung. Für Bauunternehmen und Architekten gibt es jedoch weder Zulassungsvorschriften noch Aufsichtsbehörden. Die Unterschiede auf dem Markt in Bezug auf Qualität und Seriosität sind gross.
Vor einem Vertragsabschluss sollten deshalb zwingend Empfehlungen/Referenzen von den betreffenden Unternehmern und Architekten eingeholt werden. Am besten von Personen, welche man kennt und welche mit den zukünftigen Vertragspartnern schon zusammengearbeitet haben. Sich nur von einem schönen Portfolio auf einer Website oder einem Prospekt leiten zu lassen, kann gefährlich sein. Es kommt leider immer wieder vor, dass sich Unternehmen in solchen Publikationen mit falschen Federn schmücken. Auch sagen schöne Bilder nichts über die Qualität eines Bauprojektes aus.
Seriöse Unternehmungen geben einem Bauherrn jederzeit und gerne Auskunft über ihre bisherigen Projekte, ihr Personal und die Ausbildung ihrer für das Projekt vorgesehenen Mitarbeiter. Gedenkt der Vertragspartner Subunternehmer beizuziehen, sind diese ebenfalls zu prüfen und schriftlich zu regeln, dass nur die geprüften Subunternehmer für das Bauprojekt beigezogen werden dürfen.
Ebenfalls sollten Nachweise über die finanzielle Situation der Vertragspartner verlangt bzw. eingeholt werden. Dazu ist ein Betreibungsregisterauszug beizuziehen. Auch ein Blick ins Handelsregister ist zu empfehlen: Gab es in letzter Zeit Wechsel bei der Geschäftsführung oder beim Firmensitz? Lassen sonstige Eintragungen aufhorchen?
Mit der Wahl der Vertragspartner werden entscheidende Weichen für das Bauprojekt gestellt. Das Gelingen des Bauprojektes hängt in grossen Massen von diesen ab. Einer sorgfältigen Prüfung und Wahl der Vertragspartner ist somit absolute Priorität einzuräumen. Der damit verbundene Aufwand ist gut investiert, sind die Verzögerungen und Kosten im Falle einer späteren Vertragsauflösung oder gar eines Konkurses eines Vertragspartners um ein Vielfaches höher.
III. VORSICHT BEI TIEFPREISANGEBOTEN UND UNKLAREM LEISTUNGSBESCHRIEB
Qualitatives Bauen hat seinen Preis. Baukosten lassen sich nur sehr beschränkt optimieren. Substantielle Einsparungen können (bei gleichbleibendem Projektumfang) nur über die Reduktion des in das Projekt investierten Zeit-, Personal- oder Materialaufwandes erzielt werden. Dies kann verheerende Konsequenzen für das Projekt haben. Bauen ist komplex und benötigt grosses Fachwissen. Unausgebildetes Personal und Einsparungen bei Material oder Ausführung führen zu Pfusch auf der Baustelle. Baumängel können die Liegenschaft massiv entwerten. Qualitativ schlechte Bauten müssen häufiger und kostspieliger saniert werden. Zu grosse Einsparungen bei den Baukosten rächen sich über kurz oder lang häufig mit hohen Renovations- und Unterhaltskosten. Viele Mängel treten zudem erst nach der gesetzlichen 5-jährigen Mängelhaftung auf. In solchen Fällen können Planer und Unternehmer meist nicht mehr dafür belangt werden.
Es ist zu empfehlen, verschiedene Offerten einzuholen. Diese sollten in Bezug auf den Preis aber auch den Leistungsinhalt verglichen werden. Es empfiehlt sich, dazu einen Fachmann beizuziehen. So erkennt man unseriöse Angebote relativ schnell. Immer wieder sind die Bauherrschaften an solchen Angeboten auch mitschuldig, indem sie versuchen, ihr Wunschprojekt zu unrealistisch tiefen Baukosten durchzudrücken. Ein mängelfreies Haus mit guter Bausubstanz zum Tiefstpreis gibt es jedoch nur auf dem Papier.
Vor Vertragsabschluss ist sodann genau zu prüfen, ob im offerierten Preis alle für die Fertigstellung des Projektes notwendigen Leistungen enthalten sind. Als Bauherr ist darauf zu bestehen, dass im vereinbarten Preis die «schlüsselfertige» Erstellung d.h. alle für die Planung, Erstellung und Abnahme notwendigen Arbeiten unter Beachtung sämtlicher Vorschriften enthalten sind. Eine ungenaue oder fehlende Definierung des Leistungsumfangs im Vertrag ist eine Einfallstüre für spätere Nachtragsrechnungen und Mehrkosten.
IV. LASSEN SIE DIE VERTRAGSGRUNDLAGEN FACHMÄNNISCH PRÜFEN
Vor Vertragsabschluss liegt die Verhandlungsmacht bei der Bauherrschaft. Diese sollte genutzt werden, um zwar faire, jedoch vollständige und gute vertragliche Grundlagen zu schaffen. Dies bedeutet, dass der Bauherr seine Interessen im Vertrag einbringt. Es liegt in der Natur der Sache, dass die von den Unternehmern und Auftraggebern vorgelegten Verträge teilweise nicht sehr bauherrenfreundlich ausformuliert sind. Zumindest sollten die anerkannten Vertragsbedingungen der SIA-Ordnungen (SIA-Ordnung 102 für Architektenverträge sowie SIA- Ordnung 118 für Werkverträge) als minimale Anforderungen verlangt werden.
Entscheidend ist die Regelung der Vergütung und des damit abgegoltenen Leistungsumfanges. Es gibt verschiedene Vergütungsmodelle (Pauschalpreise, Abrechnung nach Zeitaufwand, Abrechnung nach Ausmass, Stückzahl, Baukosten etc.). Jedes der Modelle hat gewisse Vorteile aber auch Nachteile und Risiken. Bei einem Pauschalpreismodell kommt der Leistungsumschreibung grosse Bedeutung zu. Bei einem Abrechnungsmodell nach Aufwand sind die Regelungen zur Kosten- und Leistungskontrolle sowie die Vereinbarung von verbindlichen Kostendächern matchentscheidend.
Für einen bauunerfahrenen Bauherrn ist es schwierig, im Dschungel der verschiedenen Vertrags- und Vergütungsmodelle die Übersicht zu behalten und für ihn nachteilige Klauseln zu erkennen. Es ist in solchen Fällen zu empfehlen, sich für die Ausarbeitung eines Vertrages von einem in Bausachen erfahrenen Rechtsanwalt oder Baujuristen beraten zu lassen, bzw. den Vertrag vor Unterzeichnung einem solchen zumindest zur Kontrolle vor- zulegen. Dies ist zwar mit gewissen Kosten verbunden. Diese sind jedoch überschaubar, ist doch ein solcher Vertrag in wenigen Stunden aufgesetzt bzw. kontrolliert. Ist der für die Bauherrschaft nachteilige oder unvollständige Vertrag einmal unterzeichnet, können die Folgen und damit auch die Kosten gravierend sein.
V. ÜBERPRÜFEN SIE IHRE VERSICHERUNGSSITUATION
Als Bauherr geht man hohe Risiken ein. Zu beachten ist, dass die üblicherweise abgeschlossenen privaten Versicherungspolicen (wie Privathaftpflicht, Rechtsschutz) die Risiken bei einem Bauprojekt oft nicht (oder nicht genügend) abdecken. Vor dem Start in ein Bauprojekt sollte deshalb die eigene Versicherungssituation überprüft und bei seiner Versicherung abgeklärt werden, ob die Risiken im Zusammenhang mit dem Bauprojekt vollständig abgedeckt oder allenfalls noch zusätzliche Versicherungen zu empfehlen sind.
VI. ZIEHEN SIE UNABHÄNGIGE FACHLICHE UNTERSTÜTZUNG BEI
Bauen ist oft mit Hektik verbunden. Von der Bauherrschaft müssen im Laufe des Projektes viele Entscheidungen gefällt werden. Zwar obliegt sowohl Architekt als auch den Unternehmern eine vertragliche Aufklärungs- und Abmahnungspflicht. Sobald es jedoch zu gewissen Differenzen betreffend Mängel oder Vergütungsfragen kommt, geraten die Vertragspartner diesbezüglich in einen Interessenskonflikt. Dies gilt umso mehr, wenn Planung und Bau und damit auch die Bauleitung aus einer Hand, d.h. von einem einzigen Vertragspartner erbracht werden (sog. Totalunternehmermodell). Als privater Bauherr ist man in solchen Situationen oft auf sich alleine gestellt.
Für bauunerfahrene Bauherren empfiehlt es sich deshalb, bereits zu Projektbeginn einen nicht in das Bauprojekt involvierten unabhängigen Bauherrenberater oder eine fachlich kompetente Person zur Unterstützung beizuziehen. Dies kann auch aufwandmässig sehr reduziert und im Hintergrund erfolgen. Wichtig ist, dass diese Person von der Bauherrschaft bei Fragen und Problemen schnell und ohne Einarbeitungszeit beigezogen werden kann.
VII. KONTROLLIEREN SIE DEN PROJEKTABLAUF UND DEN KOSTENSTAND LAUFEND
Auch wenn eine Bauleitung engagiert oder ein Bauherrenberater beigezogen wird, erfordert ein Bauprojekt von der Bauherrschaft selber regelmässige Präsenz und Kontrolle. Die dafür notwendigen zeitlichen Ressourcen sollten während des ganzen Bauprojekts sichergestellt sein. Zahlungen und Zusatzaufträge sind von der Bauherrschaft zu prüfen und freizugeben. Dies erfordert, dass man als Bauherr über Kosten und Baufortschritt aber auch über die vertraglichen Grundlagen stets informiert ist. Bei Problemen auf der Baustelle muss schnell reagiert werden können. Differenzen mit Unternehmern und Architekten sollten sofort angegangen werden. Mängel oder anderweitige Vertragsverletzungen sind umgehend schriftlich und zu Beweiszwecken eingeschrieben an die betreffenden Unternehmer und Architekten zu rügen. Sitzungen mit den Vertragspartnern sind zu protokollieren.
VIII. FAZIT
Auch bei Befolgung der vorstehenden Ratschläge bleibt das eigene Bauprojekt ein schwieriges Unterfangen. Gerade aber bei der Wahl der Vertragspartner sowie der Vertragsredaktion kann die Bauherrschaft selber die Weichen in die richtige Richtung stellen. Es lohnt sich deshalb, dafür genügend Zeit einzuplanen, diese Punkte sorgfältig zu prüfen und dafür allenfalls Beratung beizuziehen. Ist man einmal in die falsche Richtung abgebogen, ist eine Rückkehr auf die richtige Spur meist nur noch mit grossen Kosten und Verzögerungen möglich.
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12. April 2018 / lic. iur. Christoph Schärli