DER BETREUUNGSUNTERHALT NACH DEUTSCHEM RECHT

Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher, Rechtsanwältin 

Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher, Fachanwältin SAV Familienrecht bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

Der deutsche Betreuungsunterhalt im Vergleich zum Schweizerischen Betreuungsunterhalt. Im Januar 2017 tritt in der Schweiz die neue gesetzliche Regelung zum Kindesunterhalt in Kraft. Neu geregelt wird unter anderem der sogenannte Betreuungsunterhalt, welcher den Ausgleich nachhaltiger Einbussen in der Eigenversorgungskapazität des kindesbetreuenden Elternteils vorsieht. Klare Vorgaben über die Höhe, mithin die Bemessung des Kinderunterhalts, fehlen, weshalb diese voraussichtlich durch die zuständigen Behörden und Gerichte zu regeln sein werden. Ebenso ist unklar, wie lange ein Anspruch auf Betreuungsunterhalt besteht. Denn da der Betreuungsunterhalt – anders als in Deutschland – nicht als Anspruch des Elternteils, sondern des Kindes ausgestaltet ist, ist fraglich, wie dieser zeitlich befristet werden soll.

I. BETREUUNGSUNTERHALT NACH DEUTSCHEM RECHT

In Deutschland sind derartige Fragen durch den klaren Gesetzeswortlaut in §1570 BGB und die hierzu vorliegende Rechtsprechung geklärt. So sieht §1570 BGB einen Unterhaltsanspruch wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes für mind. drei Jahre nach der Geburt vor. Die Dauer dieses Unterhaltsanspruchs verlängert sich, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht, wobei hierfür unter anderem auf die Belange des Kindes und die bestehende Möglichkeit der Kinderbetreuung abzustellen ist (§1570 Abs. 1 BGB). Soweit die Eltern nicht verheiratet waren und gemeinsame Kinder vorhanden sind, hat die Kindesmutter ebenfalls einen Anspruch auf den Betreuungsunterhalt, der in §1615 BGB geregelt ist.

a) 

Beide Normen statuieren den Grundsatz, dass die persönliche Betreuung nur bis spätestens drei Jahre nach der Geburt des Kindes Vorrang vor der Drittbetreuung geniesst. Unter Berücksichtigung tatsächlich vorhandener Betreuungsmöglichkeiten geht der deutsche Gesetzgeber damit davon aus, dass Mütter, gleichwohl ob diese mit dem Kindsvater verheiratet waren oder nicht, spätestens mit dem dritten Lebensjahr des Kindes wieder einer Vollzeiterwerbstätigkeit nachgehen können. Anders als in der Schweiz wird in Deutschland – zumindest theoretisch – die Betreuung durch Kindertagesstätten bzw. Kindergärten garantiert, weshalb sich der betreuende Elternteil nicht ohne Weiteres darauf berufen kann, eine Betreuung durch Dritte sei nicht möglich. Nur im Ausnahmefall wird der Betreuungsunterhalt für einen längeren Zeitraum gewährt, wenn kind- oder elternbezogene Gründe dies erfordern. Hierbei wird bei geschiedenen Ehegatten im Sinne des §1570 Abs. 2 BGB auf den gemeinsamen in der Ehe gefassten Lebensplan, mithin den geplanten Wiedereinstieg der Kindesmutter in das Erwerbsleben oder die Möglichkeiten anderer Betreuungsformen abgestellt. Derartige Erwägungen gelten selbstverständlich nicht für den in §1615 Abs. 1 BGB ausgestalteten Betreuungsunterhalt für Unverheiratete, da es gerade an einem gemeinsamen Lebensplan verglichen mit Verheirateten fehlt.

b)

Weitere Unterschiede beim Betreuungsunterhalt geschiedener und unverheirateter Elternteile ergeben sich auch hinsichtlich der Höhe bzw. der Berechnung des zu zahlenden Unterhalts. So bemisst sich der Betreuungsunterhalt nach §1570 BGB nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Dagegen bestimmt sich das Mass des Unterhaltsanspruchs Unverheirateter nach der Lebensstellung der Mutter und richtet sich damit grundsätzlich nach ihrem Einkommen, welches sie ohne die Geburt des Kindes erzielt hätte. Ging die Kindsmutter vor der Geburt des Kindes keiner Erwerbstätigkeit nach, ist der minimale Bedarf geschuldet, der üblicherweise dem Sozialhilfesatz entspricht.

II. KINDERUNTERHALT

Neben dem Betreuungsunterhalt schuldet der Kindsvater bzw. der das Kind nicht betreuende Elternteil immer auch einen Kinderunterhalt. Dieser bemisst sich in Deutschland nach der Düsseldorfer Tabelle. Für die Berechnung des Betreuungsunterhaltes wird von dem bereinigten Nettoeinkommen des Kindsvaters vorab der Kinderunterhalt in Abzug gebracht. Verbleibt dem Kindsvater hiernach sein Selbstbehalt, kann das darüber hinausgehende Einkommen für den Betreuungsunterhalt beansprucht. Zu berücksichtigen ist im deutschen Recht allerdings immer der sogenannte Halbteilungsgrundsatz, der besagt, dass dem Unterhaltspflichtigen so viel verbleiben soll, wie auch dem Unterhaltsberechtigten durch eigene Einkünfte und den ergänzenden Unterhalt insgesamt zur Verfügung steht. Bei nur einem unterhaltsberechtigten Ehegatten ist der Unterhalt damit begrenzt auf die Hälfte des gesamten unterhaltsrelevanten Einkommens der ehemaligen bzw. getrennt lebenden Eheleute.

III. ZUSAMMENFASSUNG

Zusammenfassend lässt sich damit festhalten, dass der Betreuungsunterhalt in Deutschland jeweils als eigener Anspruch des das Kind betreuenden Elternteils ausgestaltet ist. Dieser wird, je nachdem, ob die Eltern verheiratet waren, nach §1570 BGB oder nach §1615 BGB beurteilt. Der Betreuungsunterhalt Geschiedener berücksichtigt die ehelichen Lebensverhältnisse und wird üblicherweise durch die Verteilung eines Überschusses im Umfang von 3/7 des in der Ehe zur Verfügung stehenden Einkommens ermittelt. Stammt ein Kind dagegen aus einer Beziehung Unverheirateter, ist der Unterhaltsanspruch auf die Höhe des Verdienstes der Kindesmutter begrenzt, sofern der Kindsvater überhaupt in der Lage ist, diesen Betrag zu leisten.

Da der ab Januar 2017 in der Schweiz massgebliche Betreuungsunterhalt als Unterhalt des Kindes ausgestaltet wird, ist fraglich, wie bei der Bemessung des Unterhalts zwischen dem Anspruch von Kindern gegenüber ihren Eltern aus einer Ehe einerseits und Unverheirateten andererseits unterschieden wird. Eine Gleichbehandlung zwischen geschiedenen und unverheirateten Paaren wäre mit dem Institut der Eheschliessung und den damit verbundenen Folgen der gegenseitigen Solidarität nicht vereinbar, weshalb Differenzierungen zu erwarten sind.

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27. Januar 2016 / Dr. iur. Gesine Wirth-Schuhmacher