DIGITALE NACHLASSPLANUNG – WAS PASSIERT MIT MEINEN KRYPTOWÄHRUNGEN NACH DEM TOD?
MLaw Kim Wysshaar, Rechtsanwältin
Bitcoin, Ethereum, Litecoin und Co. – aktuell investieren mehr Leute in Kryptowährungen als in herkömmliche Wertschriften oder Immobilien. Doch nur wenige machen sich dabei Gedanken darüber, was mit ihren Kryptowährungen nach ihrem Tod passieren soll. Wie wichtig es aber ist, bei Investitionen in Kryptowährungen bereits frühzeitig seinen Nachlass zu planen, zeigt der Fall des amerikanischen Unternehmers und Kryptowährungsinvestors Matthew Mellon, welcher unerwartet starb, das Passwort für seinen Kryptowährungsvorrat im Wert von 500 Millionen US-Dollar nirgends niedergeschrieben hatte und das Kryptovermögen damit für immer verloren war. Nachfolgend wird aufgezeigt, ob Kryptowährungen nach geltendem Schweizer Recht überhaupt vererbbar sind und wie diese in der Nachlassplanung berücksichtigt werden müssen.
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I. RECHTLICHE QUALIFIKATION VON KRYPTOWÄHRUNGEN
Kryptowährungen, wie Bitcoin, Ethereum und Co. sind virtuelle Werteinheiten, über die in einem dezentralen softwarebasierten System, der sog. Blockchain, Buch geführt wird und durch eine Verschlüsselungstechnologie gesichert sind.
Die erbrechtliche Behandlung von Kryptowährungen ist von ihrer zivilrechtlichen Qualifikation abhängig. In der Literatur ist aktuell umstritten, wie Kryptowährungen in rechtlicher Hinsicht zu qualifizieren sind. Einige Autoren sehen in Kryptowährungen eine «Sache» im Sinne des Zivilgesetzbuches. Folgt man dieser Meinung, kann an Kryptowährungen ohne weiteres Eigentum und damit ein absolutes Recht begründet werden. Nach der heute (noch) überwiegenden Lehre und auch Ansicht des Bundesrates wird jedoch davon ausgegangen, dass es sich bei Kryptowährungen mangels Körperlichkeit gerade nicht um «Sachen» im zivilrechtlichen Sinne handelt, sondern um rein faktische Vermögenswerte, woran kein Eigentum begründet werden kann und für die kein Wert garantiert wird.
Obwohl an Krypotwährungen gemäss herrschender Lehre kein Eigentum begründet werden kann und somit kein absolutes Recht an Kryptowährungen besteht, können sogenannte relative Rechte daran begründet werden. Das relative Recht ist ein subjektives Recht, das im Gegensatz zum absoluten Recht nur gegenüber bestimmten Personen wirkt und nur von diesen verletzt oder durchgesetzt werden kann. Im Rahmen von Kryptowährungen dürfte dies jedoch nur der Fall sein, wenn der Erblasser seine Kryptowährungen in einem sogenannten Custodial Wallet aufbewahrt, welches von einem Dritten, beispielsweise einer Krypto-Bank verwahrt wird.
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II. VERERBBARKEIT VON KRYPTOWÄHRUNGEN
Verwaltet der Inhaber seine Kryptowährungen selbst, so ist fraglich, ob und inwiefern die Erben des verstorbenen Inhabers der Kryptowährungen auch diese umfasst werden. Mit der Mehrheit der Lehre ist jedoch – auch mangels die Kryptowährungen regulierender Gesetzgebung – von einer weiten Auslegung von Art. 560 ZGB auszugehen, womit mit von der Erbschaft auch Kryptowährungen umfasst wären und kraft Gesetzes auf die Erben übergehen würden. Eine Abweichung von dieser Meinung führte dazu, dass Kryptowährungen und damit die Vermögenswerte im Todesfall verloren gehen würden.
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III. FRÜHZEITIGE NACHLASSPLANUNG
Aufgrund der noch unsicheren Rechtslage ist Inhabern von Kryptowährungen zu empfehlen, sich frühzeitig mit ihrem Nachlass zu befassen. Bei der Ausarbeitung von Verfügungen von Todes wegen über kryptobasierte Vermögenswerte (insbesondere Erbeinsetzungen, Teilungsvorschriften, Vermächtnisse) sind dabei die erbrechtlichen Formvorschriften sowie die allfälligen Pflichtteile der Erben zu beachten.
Des Weiteren ist entscheidend, dass die Verschaffung der Zugriffsmöglichkeit (Übermittlung relevanter Zugangsdaten) an die Erben geregelt wird. Die Zugriffsmöglichkeit muss nicht zwingend in einem Testament oder Erbvertrag festgehalten werden und kann auch auf andere Weise sichergestellt werden. Aufgrund der Gefahr, dass derjenige welche über den «Private Key» oder die «Seed-Phrase» verfügt, faktisch über die Kryptowährungen verfügen kann, ist dabei bereits bei der Nachlassplanung sicherzustellen, dass die Zugangsinformationen auf sicherem Wege an die richtigen Erben gelangen.
Entscheidend für die Nachlassplanung ist zudem, ob die Kryptowährungen in einem Custodial Wallet oder Non-Custodial Wallet gehalten werden. Sofern die Kryptowährungen in einem Custodial Wallet gehalten werden, hat allein der Finanzintermediär Zugriff zum Wallet und zu den Kryptowährungen. Das zwischen dem Inhaber der Kryptowährungen und dem Dritten zugrundeliegende Vertragsverhältnis entspricht dabei regelmässig einem Auftrag. Im Todesfall des Inhabers treten die Erben deshalb mittels Universalsukzession gemäss Art. 560 ZGB in das Rechtsverhältnis des verstorbenen Inhabers ein. Entsprechend haben die Erben dessen Auskunfts- und Informationsrechte. In diesem Fall hat der Inhaber von Kryptowährungen somit nur dafür besorgt zu sein, dass die Erben von der Vertragsbeziehung mit dem Dritten Kenntnis nehmen können. Regelmässig sind diese Informationen bereits aus der Steuererklärung ersichtlich; sicherheitshalber empfiehlt es sich dennoch, dies mittels Verfügung von Todes wegen ausdrücklich festzuhalten.
Hält der Inhaber seine Kryptowährungen hingegen in einem Non-Custodial Wallet, müssen die Erben darüber informiert werden, wie auf die Kryptowährungen zugegriffen werden kann. Kennen die Erben weder die Zugangsdaten, noch wie sie diese anwenden können, besteht das Risiko, dass die Kryptowährungen nach dem Tod des Erblassers für immer verloren gehen. Der Inhaber muss seinen künftigen Erben deshalb den Zugang zum Non-Custodial Wallet inklusive Pin/Passwort oder zur Seed-Phrase sicherstellen. Hierfür empfiehlt es sich einen Krypto-Zugangsplan aufzustellen, der neben einer Auflistung der vorhanden Kryptowährungen und Wallets auch den Aufbewahrungsort des Wallet PINs bzw. Passworts und der Seed Phrase enthält. Es empfiehlt sich sodann den Krypto-Zugangsplan separat vom Wallet und der Seed Phrase aufzubewahren.
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IV. FAZIT
Fest steht: Die zunehmende Digitalisierung führt zu neuen Herausforderungen in der Nachlassplanung. Da die Rechtslage betreffend Kryptowährungen äusserst unsicher ist, ist die Nachlassplanung für Inhaber von Bitcoins, Ethereum und Co. umso wichtiger. Damit die Kryptowährungen nach dem Tod nicht für immer verloren gehen, müssen gewisse Vorbereitungsmassnahmen getroffen und im Idealfall schriftlich festgehalten werden. Allgemein empfiehlt es sich sodann, einen kryptoversierten Willensvollstrecker einzusetzen, um die Erben im Zusammenhang mit den sich im Nachlass befindlichen Kryptowährungen und ihrem Zugang zu unterstützen und damit der Missbrauchsgefahr durch einen Unberechtigten entgegenzuwirken.
22. Dezember 2021 / MLaw Kim Wysshaar
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