KÜNDIGUNGEN ÖFFENTLICH-RECHTLICHER ANSTELLUNGSVERHÄLTNISSE IM KANTON AARGAU

MLaw Kim Wysshaar, Rechtsanwältin

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Arbeitnehmende öffentlich-rechtlicher Anstellungsbehörden profitieren im Gegensatz zu Arbeitnehmenden privatrechtlicher Arbeitgeber in der Regel von einem erhöhten Kündigungsschutz. Dies wird von den öffentlich-rechtlichen Anstellungsbehörden oftmals vergessen, was zu hohen Entschädigungszahlungen an die gekündigten Arbeitnehmenden führen kann. Im vorliegenden Newsletter sollen die zu berücksichtigenden Rechtsquellen sowie die allgemeinen Voraussetzungen für eine Kündigung öffentlich-rechtlicher Anstellungsverhältnisse im Kanton Aargau, deshalb kurz zusammengefasst werden.

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I. RECHTSQUELLEN ÖFFENTLICHES PERSONALRECHT IM KANTON AARGAU

Bei Arbeitsverhältnissen im öffentlichen Dienst muss für die Frage, welche Rechtsquellen auf das Anstellungsverhältnis konkret Anwendung finden, vorgängig zwischen Anstellungen beim Kanton und bei den einzelnen Gemeinden unterschieden werden. Auf Arbeitnehmende des Kantons kommt grundsätzlich das Personalgesetz des Kantons Aargau (nachfolgend «PersG») sowie die dazugehörige Personal- und Lohnverordnung zur Anwendung. Das Personalgesetz des Kantons Aargau verweist zudem in verschiedenen Belangen auf die Bestimmungen des Obligationenrechts als öffentliches Recht, welches sonst nur für privatrechtliche Arbeitsverhältnisse gilt.

Die Gemeinden des Kantons Aargau können hingegen gemäss § 50 des Gesetzes über die Einwohnergemeinden (Gemeindegesetz, nachfolgend «GG») selbst ein Dienst- und Besoldungsreglement für ihr Personal erlassen und damit von den gesetzlichen Bestimmungen des Personalgesetzes / der Personal- und Lohnverordnung abweichen. Nur, wenn ein solches fehlt oder Lücken enthält, gelten sinngemäss die entsprechenden Bestimmungen des kantonalen Personalrechts. In der Regel wird das Gemeindepersonal – wie kantonal angestellte Arbeitnehmende – durch öffentlichen Vertrag oder Verfügung angestellt. Den Gemeinden bleibt es jedoch vorbehalten, ihr Personal auch durch privatrechtlichen Arbeitsvertrag anzustellen (§ 49 Abs. 1 GG). Diesfalls kommen auf das Anstellungsverhältnis grundsätzlich die zivilrechtlichen Bestimmungen zur Anwendung.

Für Lehrer und Lehrerinnen des Kantons und der Gemeinde gelten zudem die Spezialbestimmungen im Gesetz über die Anstellung von Lehrpersonen, die Verordnung über die Anstellung und Löhne der Lehrpersonen und das Dekret über die Löhne der Lehrpersonen.

Des Weiteren kommen auf öffentlich-rechtliche Arbeitsverhältnisse allgemein die in der Bundesverfassung festgehaltenen Grundsätze staatlichen Handelns, namentlich das Verhältnismässigkeitsprinzip, das Prinzip der Rechtsgleichheit, das Willkürverbot und das Prinzip von Treu und Glauben, zur Anwendung. Je nachdem, ob eine Gemeinde oder der Kanton Anstellungsbehörde ist, sind somit unterschiedliche Rechtserlasse zu berücksichtigen. Die Rechtszersplitterung des öffentlichen Personalrechts im Kanton Aargau führt insbesondere bei Gemeindepersonal regelmässig zu Unklarheiten. Um diese in Bezug auf die anwendbaren Rechtsnormen im Vorneherein bestmöglich zu minimieren, wird den einzelnen Gemeinden empfohlen, ihre Dienst- und Besoldungsreglemente regelmässig überprüfen zu lassen.

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II. KÜNDIGUNGSVORAUSSETZUNGEN IM ÖFFENTLICHEN PERSONALRECHT

In privatrechtlichen Anstellungsverhältnissen gilt das Prinzip der Kündigungsfreiheit, d.h. eine ordentliche Kündigung kann grundlos erfolgen, solange sie nicht zur Unzeit ergeht oder missbräuchlich ist. Bei öffentlich-rechtlichen Anstellungsverhältnissen werden für eine ordentliche Kündigung hingegen sachlich zureichende Gründe vorausgesetzt. Eine Kündigung kann somit nicht grundlos ausgesprochen werden. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber an die Grundsätze der Verfassung, namentlich das Verhältnismässigkeitsprinzip, gebunden sind und damit keine Kündigung aussprechen dürfen, wenn sie nicht sachlich gerechtfertigt ist – persönliche Empfindungen sind dabei nicht zu beachten. Für eine fristlose Kündigung wird hingegen sowohl im Privatrecht als auch im öffentlichen Recht ein wichtiger Grund vorausgesetzt.

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II.I SACHLICHE KÜNDIGUNGSGRÜNDE

Für Kantonsangestellte ergeben sich die sachlichen Gründe aus § 10 Abs. 1 PersG. Die Dienst- und Besoldungsreglemente der Gemeinden enthalten zudem in der Regel eine eigene Aufzählung von sachlichen Kündigungsgründen. Das Erfordernis des sachlichen Grundes ergibt sich jedoch allgemein aus der Verfassung und gilt auch, wenn dem Personalerlass nichts Konkretes dazu entnommen werden kann.

In § 10 Abs. 1 PersG werden als sachliche Kündigungsgrunde namentlich folgende genannt:

–     Aufhebung der Stelle aus organisatorischen oder wirtschaftlichen Gründen, nach Prüfung der Möglichkeit einer anderen zumutbaren Stelle (lit. a)

–     Mangelnde Eignung für die im Arbeitsvertrag vereinbarte Arbeit (lit. b)

–     Mängel in der Leistung oder im Verhalten, die sich trotz schriftlicher Mahnung während der angesetzten Bewährungszeit fortsetzen (lit. c)

–     Mangelnde Bereitschaft während oder nach der Bewährungszeit, die im Anstellungsvertrag vereinbarte Arbeit oder eine zumutbare andere Arbeit zu verrichten (lit. d)

Der häufigste Kündigungsgrund dürfte im Vorliegen von Mängeln in der Leistung oder im Verhalten liegen, wobei vor Aussprechen der Kündigung eine (am besten schriftliche) Abmahnung zu erfolgen hat. Damit soll dem Arbeitnehmenden die Möglichkeit gegeben werden, sein Verhalten oder seine Leistungen in einer gewissen Zeit zu verbessern. Wichtig ist zudem, dass in der Abmahnung die gegen den Arbeitnehmenden bestehenden Rügen konkret abgefasst werden. Ein pauschaler Hinweis, man sei mit dem Verhalten oder den Leistungen nicht zufrieden, genügt nicht.

Im Gegensatz zum Erfordernis eines wichtigen Grundes für eine fristlose Kündigung bedeutet das Erfordernis eines sachlichen Grundes aber nicht, dass die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses geradezu unzumutbar sein muss. Vielmehr genügt es, wenn die Weiterbeschäftigung dem öffentlichen Interesse an einem gut funktionierenden Betrieb wiederspricht. Dies dürfte regelmässig der Fall sein, wenn ein Vertrauensverlust besteht. Allgemein ist sodann vor dem Aussprechen einer Kündigung der verfassungsrechtliche Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu beachten. Sofern sachliche Kündigungsgründe vorliegen, ist zusätzlich zu prüfen, ob nicht mildere Massnahmen zum gleichen Ziel geführt hätten und, ob sich die Kündigung aufgrund der gesamten Umstände rechtfertigen lässt. Hierfür ist das Interesse an einem funktionierenden Betrieb gegen das Interesse des Arbeitnehmenden an einer Weiterbeschäftigung abzuwägen.

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II.II. RECHTLICHES GEHÖR

Vor Kündigung des Anstellungsverhältnisses ist der betroffene Arbeitnehmende anzuhören. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ergibt sich aus Art. 29 Abs. 2 BV und der ständigen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte. Einzelne Gemeinden haben den Anspruch auf rechtliches Gehör auch ausdrücklich in ihren Dienst- und Besoldungsreglementen festgehalten.

Die Gewährung des rechtlichen Gehörs dient einerseits der Sachaufklärung und stellt andererseits ein persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht beim Erlass eines Entscheides dar, der in die Rechtsstellung einer Person eingreift. Wesentlicher Teilgehalt des rechtlichen Gehörs ist das Recht auf vorgängige Anhörung, welches auch in § 21 Abs. 1 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes des Kantons Aargau (nachfolgend «VRPG») ausdrücklich festgehalten wird. Dabei muss die Anstellungsbehörde die Äusserungen des betroffenen Arbeitnehmenden auch tatsächlich zur Kenntnis nehmen und sich in der Entscheidfindung sowie –begründung sachgerecht mit den Vorbringen des Arbeitnehmenden auseinandersetzen. Auf eine vorgängige Anhörung kann nur in einzelnen Ausnahmefällen verzichtet werden (vgl. § 21 Abs. 1 VRPG).

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III. ENTSCHÄDIGUNG BEI FEHLEN EINES SACHLICHEN KÜNDIGUNGSGRUNDES ODER VERLETZUNG DES RECHTLICHEN GEHÖRS

Fehlt ein sachlicher Kündigungsgrund oder wird der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, führt dies in der Regel zur Widerrechtlichkeit der Kündigung und damit zu deren Anfechtbarkeit. Nichtig und damit ungültig ist eine Kündigung ohne sachlichen Grund oder in Verletzung des rechtlichen Gehörs nur ausnahmsweise, nämlich wenn der Mangel besonders schwer und offensichtlich oder zumindest leicht erkennbar gewesen ist. Zudem darf die Rechtssicherheit durch die Annahme der Nichtigkeit nicht ernsthaft gefährdet werden. Inhaltliche Mängel einer Entscheidung führen deshalb nur ausnahmsweise zur Nichtigkeit einer Kündigung. Eine Gehörsverletzung oder eine Kündigung ohne sachlichen Grund führt somit in der Regel zu einem Entschädigungsanspruch des betroffenen Arbeitnehmenden gegen die Anstellungsbehörde. Ein Recht auf Weiterbeschäftigung besteht nur, wenn dies im Dienst- und Besoldungsreglement ausdrücklich vorgesehen wird (im PersG ist dies nicht vorgesehen). Das PersG verweist in Bezug auf die Entschädigung bei rechtswidriger Kündigung auf die Bestimmung des Obligationenrechts in Art. 336a Abs. 2 OR (Sanktion bei missbräuchlicher Kündigung), welche bei Vorliegen einer missbräuchlichen Kündigung eine Entschädigung von maximal sechs Monatslöhnen vorsieht. Die Höhe der Entschädigung wird vom Gericht nach pflichtgemässem Ermessen aufgrund der Umstände des Einzelfalls festgelegt. Massgebend für die Höhe der Entschädigung sind insbesondere die Dauer der Anstellung, das Alter des Arbeitnehmenden, die Auswirkungen der Kündigung, das Mass der Widerrechtlichkeit (beispielweise Erhöhung der Entschädigung, weil auch der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt wurde), die finanzielle Situation der Parteien sowie ein allfälliges Mitverschulden des Arbeitnehmenden. Die maximal vorgesehene Entschädigung von sechs Monatslöhnen wird betroffenen Arbeitnehmenden in der Praxis jedoch nur in absoluten Ausnahmefällen zugesprochen. In der Regel beläuft sich die Entschädigung wegen einer widerrechtlichen Kündigung auf zwei bis vier Monatslöhne.

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IV. FAZIT

Jede ordentliche Kündigung eines öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnisses setzt im Gegensatz zu Kündigungen privatrechtlicher Anstellungsverhältnisse das Vorliegen eines sachlichen Grundes voraus. Zudem ist den betroffenen Arbeitnehmenden vorgängig das rechtliche Gehör zu gewähren. Liegt kein sachlicher Grund vor oder wird das rechtliche Gehör verletzt, besteht für die Anstellungsbehörde das Risiko von nicht unerheblichen Entschädigungsforderungen der betroffenen Arbeitnehmenden wegen widerrechtlicher Kündigung. Um dieses Risiko im Einzelfall auszuschliessen, empfiehlt sich eine rechtliche Beratung vor Auflösung eines Anstellungsverhältnisses.


17. März 2023 / MLaw Kim Wysshaar