LEX KOLLER – EINIGE KETZERISCHE GEDANKEN ZUM THEMA «AUFLAGEN»
Dr. iur. Hanspeter Geissmann, Rechtsanwalt
I. RECHTLICHE AUSGANGSLAGE
Das Bundesgesetz über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland (BewG, «Lex Koller») stammt vom 16. Dezember 1983. Die heutige Fassung ist (mit einigen Ausnahmen) Ergebnis einer umfassenden Revision aus dem Jahr 1997. Mit dieser Revision sind diverse Grundstückerwerbsgeschäfte, die bis dahin noch unter die Bewilligungspflicht fielen (wobei allerdings eine Bewilligung unter gewissen Umständen möglich war) aus der Bewilligungspflicht herausgefallen, mit anderen Worten wurde ein Erwerb für Ausländer bewilligungsfrei möglich. Im Vordergrund stand dabei einmal der Erwerb von Betriebstätten, der mit dieser Revision für Ausländer frei wurde bzw. für deren Erwerb keine Bewilligungspflicht mehr bestand (vgl. Art. 2 Abs. 2 lit. a BewG). Der zweite grosse Bereich, welcher mit dieser Revision aus der Bewilligungspflicht herausfiel, war eine Kategorie von Wohngrundstücken. Fortan war der Erwerb eines Grundstücks als Hauptwohnung für eine natürliche Person am Ort ihres rechtmässigen und tatsächlichen Wohnsitzes bewilligungsfrei möglich (Art. 2 Abs. 2 lit. b BewG). Vor der Revision waren Grundstückerwerbsgeschäfte im Zusammenhang mit Betriebsstätten und auch mit Hauptwohnungen für Ausländer zwar nicht unmöglich, unterstanden aber der Bewilligungspflicht und bedurften einer Bewilligung, welche in einem speziell geregelten Bewilligungsverfahren erteilt werden konnte (immer vorausgesetzt, es konnte einer der im BewG geregelten Bewilligungsgründe geltend gemacht werden).
II. PROBLEMATIK
Im BewG in der Fassung von 1983 befand sich Art. 14 BewG, welcher festhielt, dass eine Bewilligung unter Bedingungen und Auflagen erteilt werde, die sicherstellen, dass das Grundstück zu dem vom Erwerber geltend gemachten Zweck verwendet werde. Dem Bundesrat wurde die Kompetenz bzw. die Verpflichtung erteilt, im Rahmen solcher Bewilligungen die zu erlassenden Mindestauflagen festzulegen, was dieser in Art. 11 BewV auch getan hat. Mit diesen im Zusammenhang mit einer erteilten Bewilligung zu erlassenden Auflagen sollte sichergestellt werden, dass das Grundstück immer zu dem Zweck gebraucht würde, welcher Grund für die Bewilligungserteilung war. Und es wurden auch Regelungen erlassen, wie die Einhaltung der Auflagen gesichert werden sollte bzw. wurden die Konsequenzen einer Nichteinhaltung festgelegt. Details interessieren in diesem Zusammenhang nicht.
Im Rahmen der Revision der Lex Koller im Jahr 1997, wobei wie erwähnt insbesondere der Erwerb von Betriebsstätten und derjenige von Hauptwohnungen aus der Bewilligungspflicht herausfielen, wurde der Regelung der Auflagen wohl zu wenig Augenmerk geschenkt. Es ist darauf hinzuweisen, dass Art. 14 BewG auch noch in der heutigen Fassung nur die Regelung enthält, dass «Bewilligungen» an Auflagen zu knüpfen sind (die in der Regel zudem im Grundbuch anzumerken sind). Es wurde im Rahmen dieser Revision der Lex Koller aber unterlassen, eine spezielle Regelung zu erlassen zur Frage, ob auch Auflagen im Zusammenhang mit dem bewilligungsfreien Erwerb z. B. von Betriebsstätten oder z. B. einer Hauptwohnung erlassen werden konnten. Mit anderen Worten steht in der Lex Koller bis heute nirgends der Satz, dass im Zusammenhang mit dem bewilligungsfreien Erwerb einer Betriebsstätte oder einer Hauptwohnung eine Auflage verknüpft werden könne, die sicherstellt, dass das Grundstück dauernd als Betriebsstätte bzw. als Hauptwohnung des Erwerbers genutzt wird, mit anderen Worten das Grundstück dauernd die Funktion haben muss, welche verantwortlich dafür war, dass der seinerzeitige Erwerb des Grundstücks bewilligungsfrei möglich war. Daraus könnte grundsätzlich gefolgert werden, dass darin ein qualifiziertes Schweigen des Gesetzgebers zu sehen sei, indem er eben Auflagen wirklich nur im Zusammenhang mit der Erteilung von Bewilligungen sehen wollte und als zulässig erachtete, aber nicht im Zusammenhang mit einem bewilligungsfreien Erwerb.
III. EIN WICHTIGER BUNDESGERICHTSENTSCHEID
Das Bundesgericht hat in einem Urteil aus dem Jahr 2003 allfälligen Spekulationen bezüglich Betriebsstätten ein Ende gesetzt. Obwohl das Urteil in der amtlichen Sammlung publiziert wurde (französisch in BGE 129 II 361 ff.; deutsch in Praxis 93/2004, Nr. 112), hat es meines Erachtens kaum grosse Aufmerksamkeit erregt, obwohl es eine solche wohl verdient hätte, und obwohl dieses Urteil sogar weitergehende und bis heute noch nicht klar übersehbare Folgen haben könnte. Das Bundesgericht hat in diesem Entscheid klar festgehalten, dass entsprechende Auflagen nicht nur im Rahmen eines Bewilligungsverfahrens, sondern auch dann erlassen werden können, wenn ein Erwerb bewilligungsfrei möglich ist und z. B. von den Behörden eine sogenannte «Nichtunterstellungsverfügung» ergeht. Es ist aber weit darüber hinausgegangen und hat gesagt, dass eine solche Auflage nicht einmal ausdrücklich erlassen werden müsse, sondern quasi dem Grundgeschäft immanent sei, indem der Wille des Gesetzesgebers derjenige sei, dass das Grundstück dauernd diejenige Funktion haben muss, die Grund dafür war, dass das Grundstück bewilligungsfrei erworben werden konnte. In diesem konkreten Fall, wo es um den Erwerb einer Betriebsstätte ging, hat das Bundesgericht klar gesagt, dass dieses Grundstück dauernd als Betriebsstätte dienen müsse. Ausdrücklich sagt das Bundesgericht in der deutschen Übersetzung des Urteils in Praxis 93/2004, S. 632: «Somit ist bei einer Nichtunterstellung eines Grundstückerwerbs unter die Bewilligungspflicht wegen der wirtschaftlichen Nutzung desselben (ständige Betriebsstätte) davon auszugehen, diese Ausnahme setze definitionsgemäss die Dauerhaftigkeit der fraglichen Nutzung voraus. Trifft dies nicht zu, könnte das allgemeine Ziel des Gesetzes, nämlich die Verhinderung der Überfremdung schweizerischen Bodens (Art. 1 BewG) leicht umgangen werden, da es genügte, dass ein Grundstück während einer gewissen – auch nur kurzen – Zeit als ständige Betriebsstätte dient, um dann endgültig jeglicher zwingenden Vorschrift entzogen und gegebenenfalls als Ferienwohnung verkauft werden zu können.»
IV. ANWENDUNG DIESER RECHTSPRECHUNG DES BUNDESGERICHTS AUCH AUF GRUNDSTÜCKERWERBSGESCHÄFTE, DIE NICHT VON «LEX KOLLER – BEHÖRDEN» BEURTEILT WERDEN?
Das Bundesgericht hat im genannten Entscheid mehrere Male darauf hingewiesen und sogar betont, dass (gemäss Rechtsprechung) der Erwerber «auch bei Fehlen einer ausdrücklichen Auflage das Grundstück in Übereinstimmung mit dem im ursprünglichen Gesuch angegebenen Zweck nutzen» müsse (Pra 93, S. 629); es hat weiter ausgeführt, dass davon auszugehen sei, dass die Nichtunterstellung eines Grundstückerwerbs unter die Bewilligungspflicht definitionsgemäss «die Dauerhaftigkeit der fraglichen Nutzung» voraussetze (Pra 93, S. 632); und es hat weiter betont, «dass der Erwerber fortdauernd gehalten ist, das Grundstück entsprechend dem in seinem Bewilligungsgesuch angegebenen Zweck zu nutzen» (Pra 93, S. 632). Mit anderen Worten geht das Bundesgericht gemäss jenem Urteil m. E. davon aus, dass der einmal in irgendeiner Form geltend gemachte Grund, welcher eine Bewilligung für den Grundstückserwerb rechtfertigt oder zu einer Nichtunterstellung unter die Bewilligungspflicht führt, dauernd vorhanden sein muss und quasi mit diesem Grundstück verhaftet bleibt, und dass eben dauernd diese ursprünglich geltend gemachte Nutzung des Grundstücks bestehen bleiben muss. Diese «Auflage» bleibt mit dem Grundstück verhaftet – anders kann man es wohl kaum ausdrücken. Das Bundesgericht führt dabei auch an, dass anders der Zweckartikel des BewG, der in der Verhinderung der Überfremdung des einheimischen Bodens liegt, sonst leicht umgangen und damit Art. 1 des BewG unterlaufen werden könnte.
Dies könnte nun – oder müsste allenfalls sogar – zur Schlussfolgerung führen, dass jeder bewilligungsfreie Erwerb, gelange er nun zu einer «Lex Koller-Behörde» oder nicht, unter diesem Vorbehalt steht bzw. jedes Erwerbsgeschäft quasi mit der immanenten und dauernden Auflage der ursprünglichen und geltend gemachten Nutzung verbunden wäre. Dies könnte (oder müsste sogar) dazu führen, dass solche Auflagen auch dort gelten, wo z. B. der Grundbuchverwalter einen Grundstückserwerb als bewilligungsfreien Erwerb im Grundbuch einträgt, ohne den Erwerber an die Bewilligungsbehörde zu verweisen. Der Grundbuchverwalter hat unter gewissen Umständen (und sogar sehr verbreitet und immer dann, wenn sich keine weiteren Abklärungen aufdrängen) das Recht, den Erwerb eines nicht der Bewilligungspflicht unterliegenden Grundstücks durch einen Ausländer im Grundbuch einzutragen. Meines Erachtens sind die soeben gestellten Fragen hier genau gleich zu beantworten. Der Erwerber geht zum Grundbuchverwalter mit dem «Antrag,» dass er als Erwerber dieses Grundstücks (Betriebsstätte) als neuer Eigentümer im Grundbuch eingetragen wird. Damit macht er geltend, dass er einen Grund habe, ein Grundstück bewilligungsfrei zu erwerben (eben als Betriebsstätte). Und damit macht er meines Erachtens ganz klar geltend, das Grundstück dauernd als Betriebsstätte zu nutzen – selbst wenn er dies in einem entsprechenden Eintragungsverfahren nicht ausdrücklich so sagen muss, so macht er diese Aussage mindestens implizit in dem Zusammenhang, indem er beantragt, dass er als neuer Eigentümer im Grundbuch eingetragen wird. An diese Aussage ist er meines Erachtens gebunden. Der Grundbuchverwalter verfügt die Eintragung im Grundbuch gestützt auf die gesamten Umstände, welche der Erwerber darlegt (dass er eben das Grundstück, weil es eine Betriebsstätte ist, bewilligungsfrei erwerben darf). Und dieser Grund bleibt immanent vorhanden, und daran ist der Erwerber gebunden – dies ist vom Bundesgericht seither noch nie in dieser Form und in dieser Absolutheit festgehalten worden, ergibt sich meines Erachtens aber klar aus dem genannten Bundesgerichtsentscheid.
V. ANWENDUNG DIESER RECHTSAUSLEGUNG AUCH AUF WOHNUNGEN?
Wie steht es nun mit dem Erwerb einer Hauptwohnung? Gemäss Art. 2 Abs. 2 lit. b BewG kann ein Ausländer als natürliche Person ein Grundstück erwerben, das ihm als Hauptwohnung am Ort seines rechtmässigen und tatsächlichen Wohnsitzes dient. Was geschieht nun, wenn er dieses Grundstück nicht mehr als seine Hauptwohnung verwenden will? – Wenn er sie z. B. vermieten will, wenn er sie als Ferienwohnung oder als Zweitwohnsitz verwenden will etc.? – Die bis heute gängige Antwort darauf ist absolut klar und findet sich noch im erläuternden Bericht des Bundesrates vom März 2017 betreffend Änderung des BewG, wo auf S. 4 dieses Berichtes (Ziff. 1.2.1. «Hauptwohnungen») festgestellt wird, dass ein Ausländer, wenn er bewilligungsfrei ein solches Grundstück als Hauptwohnung erworben habe und dieses nicht mehr als Hauptwohnung verwenden wolle, nach geltendem Recht diese Wohnung ohne weiteres behalten (auch vermieten etc.) könne, dass ihn insbesondere keine Veräusserungspflicht treffe. Der unterzeichnende Autor dieses Artikels hat bis heute ebenfalls diese Meinung vertreten, ist sich darin allerdings bei näherer Betrachtung der Problematik nicht mehr ganz so sicher, ob diese Auffassung in einem behördlichen bzw. gerichtlichen Verfahren bestätigt würde. Mit den gleichen Argumenten, welche das Bundesgericht im Zusammenhang mit Betriebsstätten-Grundstücken anwendet, dass nämlich dieses Grundstück dauernd zu dem Zweck verwendet werden müsse, welcher der Grund für den bewilligungsfreien Erwerb war, dass es nämlich immer als Betriebsstätte genutzt werden müsse, kann man auch argumentieren, dass der Erwerb eines Grundstücks als Hauptwohnung (und zwar als Hauptwohnung des Erwerbers selbst) verlange, dass die erworbene Wohnung das bleiben müsse, was sie beim (bewilligungsfreien) seinerzeitigen Erwerb war, eben eine Hauptwohnung des Erwerbers an seinem rechtmässigen und tatsächlichen Wohnsitz. Wenn dies aber nicht mehr der Fall wäre, dann – so könnte man ebenfalls schlussfolgern – könnte sich die Frage stellen, ob der (ausländische) Eigentümer dieses Grundstücks, das ihm nicht mehr zu dem Zweck dient, zu welchem er es bewilligungsfrei erwerben durfte, überhaupt noch ein Recht hat, es zu behalten. Man könnte sich fragen, ob nicht auch in diesem Fall die immanente Auflage des seinerzeitigen Erwerbs weiterhin besteht, dass ihm dieses Grundstück weiterhin als seine Hauptwohnung dienen müsse (nicht etwa als Hauptwohnung irgendeines Mieters).
VI. WAS GESCHIEHT, WENN DIE «AUFLAGE» NICHT MEHR EINGEHALTEN WIRD?
Meines Erachtens ist in einem solchen Fall nach Art. 25 Abs. 1 BewG, vorzugehen. Es handelt sich m. E. auch dort, wo es sich um «immanente Auflagen» handelt bzw. um solche, die gar nicht verfügt werden, sondern einfach (wie oben dargestellt) als Rechtfertigungsgrund für den bewilligungsfreien Grundstückserwerb zur Verfügung stehen, ebenfalls um Auflagen im weiteren Sinn und um solche, welche unter Art. 14 bzw. 25 BewG fallen. Wenn diese «Auflage» nicht mehr eingehalten wird, wenn also das Grundstück nicht mehr als Betriebsstätte genutzt wird, dann kann (bzw. muss) dies meines Erachtens so ausgelegt werden, dass dann eine Auflage nicht mehr eingehalten wird. Dann hat die Bewilligungsbehörde die Möglichkeit bzw. die Pflicht, den Erwerber zu mahnen und dann, wenn trotz Mahnung diese Auflage nicht eingehalten wird, die Möglichkeit und wohl die Pflicht, nachträglich die Bewilligungspflicht festzustellen und eine Bewilligung zu verweigern (ausser es bestehe ein Bewilligungsgrund).
Der gleiche Mechanismus könnte meines Erachtens dann zur Anwendung kommen, wenn die Rechtsprechung des Bundesgerichts bezüglich Auflagen auch auf Hauptwohnungen angewendet würde. Wenn diese Wohnung dem Erwerber nicht mehr als Hauptwohnung am Ort seines rechtmässigen und tatsächlichen Wohnsitzes dienen würde, dann hätte die Bewilligungsbehörde wohl ebenfalls die Möglichkeit bzw. die Pflicht, den Erwerber zu mahnen und dann, wenn trotz Mahnung diese Auflage nicht eingehalten wird, ebenfalls die Möglichkeit und wohl sogar die Pflicht, nachträglich die Bewilligungspflicht festzustellen und eine Bewilligung zu verweigern (ausser es bestehe ein Bewilligungsgrund).
VII. SCHLUSSBEMERKUNG
Dem unterzeichnenden Autor dieses Artikels ist kein Entscheid, insbesondere nicht des Bundesgerichtes, bekannt, der diese offenen Fragen je geklärt hätte. Diese Gedanken widersprechen z. T. auch klar der herrschenden Lehre. Die hier geäusserten Gedanken, auch diejenigen zur Problematik der Hauptwohnungen, sind absolut nicht abwegig und fügen sich meines Erachtens ohne grosse Probleme in die vom Bundesgericht im genannten Entscheid entwickelte Rechtsprechung ein. Insbesondere darf auch nicht vergessen werden, dass das Bundesgericht in jenem Entscheid klar betont hat, dass der Zweckartikel der Lex Koller, nämlich die Verhinderung der Überfremdung des einheimischen Bodens, ernst zu nehmen ist. In diesem Sinne würde es nicht erstaunen, wenn dereinst – sofern die Lex Koller überhaupt bestehen bleibt – ein vielleicht doch etwas überraschendes Urteil des Bundesgerichtes zu dieser Frage fallen könnte.
.
18. April 2018 / Dr. H.P. Geissmann