RECHTLICHE HERAUSFORDERUNGEN BEI ENTSENDUNGEN VON ARBEITNEHMERN INS AUSLAND
MLaw Kim Wysshaar, Rechtsanwältin
Mit zunehmender Globalisierung und Mobilität steigt auch die Anzahl KMU, welche ihre Mitarbeiter regelmässig für gewisse Einsätze ins Ausland senden. Diese Auslandeinsätze können sich dabei entweder auf einzelne Projekte beschränken oder über mehrere Jahre andauern. Dabei stellen Entsendungen ins Ausland den Arbeitgeber stets vor komplexe arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Herausforderungen. Dieser Newsletter befasst sich deshalb näher mit den rechtlichen Besonderheiten für Arbeitgeber bei Entsendungen Schweizer Arbeitnehmer ins Ausland sowie ausländischer Arbeitnehmer in die Schweiz und zeigt auf, worauf der Arbeitgeber unserer Meinung nach besonders achten sollte.
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I. AUSGANGSLAGE
Der Begriff der «Entsendung» ist ein Oberbegriff für alle Fälle, in denen ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer für eine begrenzte Zeit in einen anderen Staat schickt, um dort zu arbeiten, beispielsweise für Arbeiten im Rahmen eines Montageauftrages beim ausländischen Kunden. Dabei gilt es bei jeglichen Entsendungen verschiedene rechtliche Grundlagen zu beachten, wie in der Schweiz insbesondere das Entsendegesetz (EntsG, SR 823.20) und die dazugehörige Verordnung (EntsV, SR 823.201). Die Gründe für eine Entsendung von Schweizer Arbeitnehmern ins Ausland sind vielfältig und reichen von kurzfristigen Entsendungen für einen befristeten Projekteinsatz bis hin zu langjährigen Entsendungen wegen fehlender Fachkräfte im Ausland. Damit noch von einem befristeten Einsatz die Rede sein kann, geht insbesondere das Bundesamt für Sozialversicherungen von einer Maximaldauer einer Entsendung von fünf Jahren aus.
Damit von einer Entsendung gesprochen werden kann, ist entscheidend, dass vor dem Auslandeinsatz bereits ein inländisches Arbeitsverhältnis bestand, welches nach Beendigung des Auslandeinsatzes auch fortgesetzt werden soll. Es bedarf damit also sowohl eines ausdrücklichen Wiederbeschäftigungswillens auf Seiten des Arbeitgebers als auch eines offensichtlichen Rückkehrwillens des Arbeitnehmers. Die blosse Möglichkeit der Weiterbeschäftigung nach Rückkehr des Arbeitnehmers reicht nicht aus, um von einer Entsendung zu sprechen.
Bei Entsendungen beschränkt sich die Bindung des Arbeitnehmers zum Ausland sodann in aller Regel auf den tatsächlichen Arbeitsort, während der gewöhnliche Arbeitsort weiterhin im Inland liegt. Im Rahmen der Entsendung bleibt der entsandte Arbeitnehmer auch für denselben Arbeitgeber tätig bzw. untersteht zumindest weiterhin dessen Weisungen. Damit unterscheidet sich die Entsendung vor allem vom Personalverleih, bei welchem der Verleiher dem Einsatzbetrieb wesentliche Weisungsbefugnisse abtritt.
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II. ANWENDBARES RECHT
Liegen grenzüberschreitende Arbeitsverhältnisse vor, ist für den Arbeitgeber und den Arbeitnehmer von zentraler Bedeutung, welches Recht auf dieses Verhältnis zur Anwendung kommt. Bei der klassischen Entsendung ändert sich, wie bereits erwähnt, in der Regel nur der tatsächliche Arbeitsort des entsandten Arbeitnehmers, der sich für eine begrenzte Zeit im Ausland befindet. Der gewöhnliche Arbeitsort befindet sich folglich weiterhin im jeweiligen Land, in dem der Arbeitgeber domiziliert ist. Der starke Inlandsbezug der Entsendung führt auch dazu, dass der ursprüngliche Arbeitsvertrag mit dem Arbeitgeber in der Regel bestehen und damit zunächst auch das jeweilige inländische Recht anwendbar bleibt. Je länger der Einsatz aber dauert, desto eher kann ein gewöhnlicher Arbeitsort am ausländischen Einsatzort angenommen werden und somit das Risiko steigen, dass die lokalen Gerichte am Einsatzort bei Streitigkeiten lokales Recht anwenden. Es empfiehlt sich deshalb, das anwendbare Recht (hierzulande mithin das Schweizerische Recht) mittels Rechtswahlklausel vertraglich festzuhalten, soweit dies die internationale Rechtslage erlaubt.
Unabhängig davon, welches Recht auf das Arbeitsverhältnis (ggf. auch durch vertragliche Abrede) grundsätzlich anwendbar ist, muss darauf geachtet werden, dass es in jedem Einsatzstaat arbeitsrechtliche Normen geben kann und wird, die zwingend anzuwenden sind und welche die vorerwähnte Rechtswahl damit durchbrechen. Bei Entsendungen ins Ausland gilt es daher vorab auch die im Einsatzstaat zwingend auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Rechtsnormen (z.B. betreffend Höchstarbeitszeit etc.) zu eruieren, um die Bedingungen des geplanten Auslandseinsatzes vollständig überblicken zu können.
Zusätzlich empfiehlt es sich gerade bei längerfristigen Entsendungen ins Ausland, den inländischen Arbeitsvertrag durch eine Entsendungsvereinbarung zu ergänzen, welche die konkreten Modalitäten des Auslandeinsatzes regelt und den schweizerischen Arbeitsvertrag befristet anpasst. Zentrale Elemente einer Entsendungsvereinbarung sind namentlich der Einsatzort, die konkreten Aufgaben des Arbeitnehmers, die Weisungsrechte des Arbeitgebers und die Rückkehrbedingungen. Mit einer Entsendungsvereinbarung lassen sich insbesondere allfällige künftige Auseinandersetzungen zwischen den beteiligten Parteien besser vermeiden.
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III. BESONDERHEIT IN SOZIALVERSICHERUNGSRECHTLICHER HINSICHT
In sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht gilt bei Entsendungen ins Ausland die Besonderheit, dass der Entsandte grundsätzlich der Sozialversicherungsgesetzgebung des Heimatlands unterstellt bleibt. Dies jedoch nur, sofern zwischen den beteiligten Staaten ein Abkommen über die soziale Sicherheit besteht. Für Fragen der sozialen Sicherheit bei Entsendungen zwischen der Schweiz und den Mitgliedstaaten der EU ist beispielsweise gestützt auf das Personenfreizügigkeitsabkommen (FZA, SR 0.142.112.681) die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 massgebend. In Art. 12 Abs. 1 der (EG) Nr. 883/2004 ist eine Sonderregelung für Entsendungen enthalten, wonach ein Entsandter weiterhin in seinem Heimatland sozialversichert bleiben kann. Der Arbeitgeber des Heimatlandes muss dafür aber immer eine Bewilligung bei der zuständigen Sozialversicherungsbehörde einholen.
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IV. BESONDERHEITEN BEI ENTSENDUNGEN AUSLÄNDISCHER ARBEITNEHMER
Wie soeben dargelegt, gilt bei Entsendungen ausländischer Arbeitnehmer in die Schweiz in der Regel der bestehende Arbeitsvertrag mit dem ausländischen Arbeitgeber weiter. Unabhängig davon, ob auf das Arbeitsverhältnis ausländisches Recht anwendbar ist, gibt es aber auch im schweizerischen Arbeitsrecht Schutznormen, wie namentlich betreffend Höchstarbeits- und Ruhezeit, Sonn- und Feiertagsarbeit, die Mindestdauer der Ferien sowie den Kündigungsschutz und die Lohnfortzahlung bei Krankheit, Schwangerschaft und Niederkunft, die bei Entsendungen in die Schweiz zwingend anzuwenden sind.
Zudem findet auf ausländische Arbeitnehmer, welche in die Schweiz entsandt werden, das EntsG Anwendung. Nach Art. 2 Abs. 1 EntsG müssen die Arbeitgeber den in die Schweiz entsandten Arbeitnehmern mindestens die Arbeits- und Lohnbedingungen garantieren, die in Bundesgesetzen, Verordnungen des Bundesrats, allgemein verbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträgen und Normalarbeitsverträgen im Sinne von 360a OR, insbesondere in den Bereichen der Arbeits- und Ruhezeit, der minimalen Entlohnung sowie des Gesundheitsschutzes vorgeschrieben sind. Zudem muss der Arbeitgeber den entsandten Arbeitnehmern eine Unterkunft garantieren, die dem üblichen Standard am Einsatzort bezüglich Hygiene und Komfort genügt (Art. 3 EntsG). Die ausländischen Arbeitgeber sind ausserdem verpflichtet, spätestens acht Tage vor Einsatzbeginn eine schriftliche Meldung des Einsatzes in der Amtssprache des Einsatzortes bei der zuständigen kantonalen Behörde einzureichen. Die Meldung muss insbesondere Angaben über die Identität, den Lohn der entsandten Personen sowie die ausgeübte Tätigkeit enthalten und dient der Überprüfung, ob die Bestimmungen des Entsendgesetzes eingehalten werden.
Weiter ist vor dem befristeten Einsatz des ausländischen Arbeitnehmers in der Schweiz abzuklären, ob eine Bewilligung nötig ist. Handelt es sich beim Entsandten um einen Angehörigen aus einem EU-/EFTA Staat und um eine Erwerbstätigkeit von maximal 90 Tagen, besteht lediglich eine Meldepflicht, welche mittels Onlinemeldeverfahren abgewickelt werden kann. Für längere Entsendungen stehen namentlich die 120-Tage-Bewilligung, die Kurzaufenthaltsbewilligung für bis zu einem Jahr (Ausweis L EU/EFTA) und die Aufenthaltsbewilligung (Ausweis B EU/EFTA) zur Verfügung. Handelt es sich beim Entsandten jedoch nicht um einen Staatsangehörigen eines EU/EFTA-Staat, sondern kommt dieser aus einem Drittstaat, ist es in der Regel schwieriger, eine Bewilligung für den Arbeitseinsatz zu erhalten, weil das Personenfreizügigkeitsabkommen (FZA, SR 0.142.112.681) dann keine Anwendung findet.
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V. BESONDERHEITEN BEI ENTSENDUNGEN SCHWEIZER ARBEITNEHMER INS AUSLAND
In Bezug auf Entsendungen von Schweizer Arbeitnehmern ins Ausland fehlen im Gegensatz zu Entsendungen in die Schweiz konkrete rechtliche Grundlagen, zumal insbesondere das Entsendegesetz keine Anwendung findet. Auch bei Entsendungen Schweizer Arbeitnehmer ins Ausland gilt das auf den Arbeitsvertrag anwendbare schweizerische Recht nicht in jeder Hinsicht weiter. Dies lässt sich insbesondere am Beispiel des Arbeitsgesetzes (ArG, SR 822.11) aufzeigen: Die Bestimmungen des ArG über die Höchstarbeitszeit, Ruhepausen sowie Nacht- und Sonntagsarbeit sind nämlich auf Arbeitnehmer schweizerischer Betriebe, die im Ausland beschäftigt werden, gerade nicht anwendbar. Bei Entsendungen Schweizer Arbeitnehmer ist somit insbesondere in Bezug auf besondere Schutznormen zugunsten des Arbeitnehmers nicht das schweizerische Recht, sondern das ausländische Recht relevant. Wird somit zum Beispiel ein Mitarbeiter für drei Wochen nach Deutschland entsandt, ist namentlich betreffend Höchstarbeitszeit, Ruhepausen sowie Nacht- und Sonntagsarbeit das deutsche Arbeitszeitgesetz (ArbZG) von rechtlicher Bedeutung.
Bei Entsendungen von Schweizer Arbeitnehmern in einen EU-Mitgliedstaat gibt es zudem zahlreiche Richtlinien mit arbeitsrechtlichem Bezug zu beachten, wie beispielsweise die Richtlinie 2003/88/EG über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung. Diese Richtlinien sind für die EU-Mitgliedstaaten zwar nur hinsichtlich ihres zu erreichenden Ziels verbindlich, müssen aber von den einzelnen Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden und enthalten demnach immerhin arbeitsrechtliche Mindestvorschriften. Zusätzlich sind aber stets auch die nationalen Normen des Einsatzstaates heranzuziehen, welche strenger ausgestaltet sein können als die Bestimmungen in den EU-Richtlinien.
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VI. FAZIT
Wie aufgezeigt, birgt die Entsendung von Arbeitnehmern ins Ausland verschiedene rechtliche Herausforderungen, zumal in der Regel nicht ganz einfach zu ermitteln ist, welche rechtlichen Grundlagen nun zur Anwendung gelangen. Aufgrund dieser rechtlichen Komplexität bei Entsendungen ins Ausland ist unerfahrenen Arbeitgebern anzuraten, für die rechtliche Ausgestaltung der Entsendungsmodalitäten eine Fachperson zur Hilfe zu nehmen. Dadurch lassen sich insbesondere auch allfällige künftige Streitigkeiten mit den entsandten Arbeitnehmern besser vermeiden.
23. März 2021 / MLaw Kim Wysshaar
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