REVISION DES URHEBERRECHTS – DIE WICHTIGSTEN NEUERUNGEN IM ÜBERBLICK

MLaw Simone Küng, Rechtsanwältin

MLaw Simone Küng, Rechtsanwältin bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

Am 1. April 2020 treten die revidierten Gesetzesbestimmungen des Urheberrechts in Kraft. Ziel der Gesetzesrevision ist es, das Bundesgesetz über das Urheberrecht (URG) an das digitale Zeitalter anzupassen. Nachstehend werden die wichtigsten Neuerungen, worunter insbesondere der neue Lichtbildschutz, das «Stay down»-Recht gegenüber Hosting-Providern und die Nutzung verwaister Rechte gehören, kurz vorgestellt..

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I. NEUER LICHTBILDSCHUTZ 

Früher mussten Fotografien einen genügenden
«individuellen Charakter» inne haben, damit sie urheberrechtlich
geschützt waren. Als Kriterien wurden Beleuchtung, Schattenwurf, Blickwinkel
etc. herangezogen, was die rechtliche Beurteilung, ob eine Fotografie nun
geschützt ist oder nicht, besonders erschwerte. Mit der Revision des URG
brauchen Fotografien nun keinen besonderen «individuellen Charakter»
mehr. Sie sind vielmehr automatisch – mit deren Entstehung – geschützt; sei
dies analog oder digital. Voraussetzung ist einzig, dass das Bild durch einen
Menschen gemacht wurde und darauf ein dreidimensionales Objekt abgebildet ist.
Selbst wenn das Bild noch so verwackelt oder verschwommen ist; es gilt ab dem
1. April 2020 als Werk i.S. des URG und geniesst dessen Schutz. Weiterhin
zulässig ist die Verwendung eines solchen Werks zum blossen Eigengebrauch, also
die Verwendung in den eigenen vier Wänden und im Kreis der Familie und Freunde
(nicht aber das Posten auf Social-Mediaplattformen o.Ä.). 

Der neue Lichtbildschutz gilt rückwirkend,
d.h. auch für Fotos, die vor dem 1. April 2020 geschossen wurden. Dies aber nur
mit Bezug auf zukünftige Verwendungen. 

II. NEUE PFLICHTEN FÜR HOSTING-PROVIDER

Neu müssen Internet-Hosting-Dienste, die eine besondere Gefahr von urheberrechtsverletzenden Inhalten geschaffen haben, verhindern, dass einmal entfernte widerrechtliche Inhalte erneut zugänglich gemacht werden. Um dieser «Stay-Down»-Pflicht nachzukommen, müssen die Hosting-Provider Massnahmen ergreifen, die ihnen technisch und wirtschaftlich zumutbar sind. Damit werden die Hosting-Provider verstärkt in die Pflicht genommen. Die neue gesetzliche Regelung gilt aber nicht für Access-Provider (Internet-Anbieter).

III. NUTZUNG VON VERWAISTEN WERKEN

Ist der Rechteinhaber eines Werks nicht mehr auffindbar oder unbekannt, so konnte das Werk bisher nicht verwendet werden, zumal das Einverständnis des Rechteinhabers nicht eingeholt werden konnte. Neu sieht das Urheberrecht eine Ausnahmebestimmung vor: Gegen eine Vergütung ist die Nutzung aller verwaisten Werke, die sich in den Beständen von Gedächtnisinstitutionen befinden, erlaubt. Die Vergütung ist im Sinne einer Versicherungsprämie an die Verwertungsgesellschaften zu bezahlen. Meldet sich der Rechteinhaber doch noch, so kann er sich an die Verwertungsgesellschaft wenden und eine Entschädigung für die Nutzung verlangen. 

IV. ERWEITERTE KOLLEKTIVLIZENZEN

Sollen die Urheberrechte für eine grössere Anzahl von veröffentlichten Werken eingeholt werden, so kann dies äusserst aufwendig und kostenintensiv werden. Nach skandinavischem Vorbild soll es ab 1. April 2020 mit der neuen erweiterten Kollektivlizenz unter gewissen Voraussetzungen möglich sein, mit nur einer Anfrage an die Verwertungsgesellschaft eine Nutzungserlaubnis für ein ganzes «Bündel» von Urheberrechten zu bekommen. Die Verwertungsgesellschaften müssen vorgehend nicht mit jedem einzelnen Rechteinhaber Vereinbarungen schliessen. D.h. sie können auch Lizenzen erteilen, obwohl sie sich hierfür eigentlich nicht auf eine vertragliche oder gesetzliche Rechteeinräumung stützen können, was schlussendlich Zeit und Kosten spart. Selbstverständlich hat die Verwertungsgesellschaft aber allen Rechteinhabern eine Vergütung zu bezahlen. 

V. VIDEO ON DEMAND-VERGÜTUNG FÜR URHEBER UND AUSÜBENDE KÜNSTLER

Vor dem Hintergrund, dass heute Filme und Serien hauptsächlich über Plattformen im Internet (Video on Demand) konsumiert werden, sieht das revidierte Urheberrecht vor, dass den Urhebern (Regisseure, Drehbuchautoren etc.) und ausübenden Künstlern (Schauspieler, Synchronsprecher etc.) für die Verwertung ihrer audiovisuellen Werke über Online-Plattformen eine Vergütung zusteht. Ausgerichtet wird sie über die Verwertungsgesellschaften, welche die Vergütung direkt bei den Betreibern der Video on Demand-Plattformen einholen. Die Verwertung der Video on Demand-Rechte wird damit erleichtert. Darüber hinaus ist der Anspruch der Urheber und ausübenden Künstler auf Video on Demand-Vergütungen unübertragbar und unverzichtbar. 


31. März 2020 / MLaw Simone Küng,