SANIERUNG EINER LIEGENSCHAFT – MIETZINSERHÖHUNG

MLaw Kim Goetzinger, Rechtsanwältin

MLaw Kim Attenhofer, Rechtsanwältin bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

Während Gesamtsanierungen von Liegenschaften für Vermieter zuerst einmal eine grosse finanzielle Last bedeuten, kommen bestehende Mieter in den Genuss eines besseren Standards und profitieren regelmässig von der Modernisierung. Dem Vermieter obliegt die Vorleistungspflicht. Inwiefern er danach Investitionen in welchem Umfang auf die Mieter abwälzen kann, wird im Rahmen dieses Artikels zusammengefasst erläutert.

I. EINLEITUNG

Einem Vermieter ist es unter unterschiedlichen Voraussetzungen erlaubt, den Mietzins nach oben anzupassen, ohne dass dieser nach gesetzlicher Vermutung als missbräuchlich zu qualifizieren wäre.

Einer dieser Gründe stellen Mehrleistungen des Vermieters dar (Art. 269a lit. b OR), wobei hier vor allem an Renovations- und Sanierungsarbeiten zu denken ist. Während gewöhnliche Unterhaltsarbeiten und das Ausführen von Reparaturen oder das Ersetzen von Geräten gleicher Qualität grundsätzlich zu den Pflichten und Risiken des Vermieters zu zählen und im vereinbarten Mietzins bereits enthalten sind, können Investitionen, die den Wert einer Mietsache erhöhen und deren Qualität oder Gebrauchswert verbessern, auf die Mieter in Form von Mietzinserhöhungen abgewälzt werden.

II. MIETZINSERHÖHUNG – BERECHNUNG

Grundsätzlich ist bei einer Neuanschaffung vorab der wertvermehrende Anteil der Investition zu bestimmen, denn nur dieser kann überhaupt auf die Mieter abgewälzt werden. Anhand dessen sowie weiterer Parameter (vgl. sogleich) ist die zulässige Mietzinserhöhung zu berechnen. Ein Spezialfall ist die sogenannte umfassende Überholung. Als solche gilt eine grössere Liegenschaftssanierung. Gemäss neuerer Rechtsprechung dienen umfassende Überholungsarbeiten einerseits dem Unterhalt des Gebäudes, andererseits der Wertvermehrung und enthalten somit werterhaltende sowie wertvermehrende Investitionen. Sie unterscheiden sich von gewöhnlichen Reparaturen bzw. dem laufenden Unterhalt v.a. mengenmässig (mehrere Bauteile betroffen) und liegen vor, wenn ein Haus in grösserem Umfang instand gestellt wird. Auch der Kostenumfang kann eine umfassende Überholung indizieren. Liegt eine umfassende Überholung im beschriebenen Sinn vor, so kann der Vermieter von Gesetzes wegen pauschal 50-70 % der Kosten als wertvermehrende Investitionen aufrechnen (Art. 14 VMWG). Dies gründet in der Tatsache, dass bei umfassenden Sanierungen aufgrund der meist zahlreichen und unterschiedlichen Neuerungen die ganzheitliche und effektive Wertvermehrung nur sehr schwer bis gar nicht nachgewiesen werden kann. Die Vorschrift dient der Vereinfachung und soll den Vermieter ermutigen oder zumindest nicht davon abhalten, notwendige Unterhaltsarbeiten vorzunehmen und ihn dazu anspornen, Unterhaltsarbeiten über das notwendige Mass hinaus zu verwirklichen. Einem Mieter steht es frei, den gewählten Pauschalsatz zu widerlegen, wobei er nachweisen muss, dass der wertvermehrende Anteil unter 50 % liegt.

Innerhalb der Bandbreite von 50-70 % hängt der konkret zu verwendende Satz von diversen Kriterien ab und ist im Einzelfall zu bestimmen, wobei immer wieder sehr unterschiedliche Standpunkte vertreten werden und eine klare Einteilung auch bei Analyse der Rechtsprechung praktisch unmöglich bleibt.

Für die Berechnung einer Mietzinserhöhung sodann von Relevanz sind folgende Faktoren:

a) Amortisation

Die Amortisation ist die in Raten erfolgende sukzessive Tilgung des investierten Kapitals über einen gewissen Zeitraum. Der Zeitraum ergibt sich aus der mutmasslichen Lebenserwartung der neuen Einrichtung. Diese ist wiederum anhand von Lebensdauer-Tabellen oder aufgrund von Angaben der Hersteller und nach allgemeiner Lebenserfahrung zu bestimmen.

b) Verzinsung

Zu verzinsen ist der tatsächlich für die wertvermehrenden Leistungen getätigte Aufwand, wobei die Rechtsprechung einen Zinssatz, der 1⁄2 % über dem aktuellen Referenzzinssatz für Hypotheken liegt, für angemessen erachtet.

c) Zuschlag für künftigen Unterhalt

Für den künftigen Unterhalt der neuen Einrichtungen darf je nach Lehrmeinung 10 % des Totals von Ver- zinsung und Amortisation oder 1 % der Gestehungskosten pro Jahr in Anschlag gebracht werden.

d) Anpassung an aktuelle Kostenstände

Zu berücksichtigen sind sodann und unabhängig von der Kostensteigerung im Rahmen der Sanierung die allgemeinen Kostenstände. Hierunter fallen allfällige Veränderungen des Referenzzinssatzes und des Landesindexes für Konsumentenpreise, die Teuerung, Unterhalts- und Betriebskostensteigerungen und allfällige Mehrleistungen des Vermieters, die bisher unberücksichtigt geblieben sind.

Ausgehend von diesen Faktoren resultiert folgende Berechnung der möglichen Mietzinserhöhung:

Gesamtkosten * wertvermehrender Anteil (Pauschale) = wertvermehrende Investitionen (- Förderbeitrag) wertvermehrende Investitionen * Kapitalisierungssatz = zulässiger Mehrzins / Jahr
Kapitalisierungssatz setzt sich additionsweise zusammen aus:

  • Amortisationssatz = (100 / Lebensdauer)
  • Verzinsungssatz = (Aktueller Referenzzinssatz + 1⁄2) / 2
  • Unterhaltssatz = 10 % * (Amortisationssatz + Verzinsungssatz)
    alternativ: 1 % der Gestehungskosten

Beispiel für Mietzinserhöhung nach umfassender Überholung:
Gesamtkosten 800’000; wertvermehrender Anteil = 60 %; Förderbeitrag = 50’000.00

DurchschnittlicheLebensdauer=25Jahre; AktuellerReferenzzinssatz1.5%

  • Jährliche Mietzinserhöhung (gesamthaft) = 23’650.00
  • Monatliche Mietzinserhöhung (gesamthaft) = 1’971.00
  • Der Gesamtbetrag ist auf die Mieteinheiten zu verteilen
  • Zusätzlich hat eine Kostenstandanpassung zu erfolgen

III. MODALITÄTEN ERHÖHUNGSANZEIGE

Nach Abschluss einer Sanierung und nach Vorliegen der definitiven Bauabrechnung kann – wie erläutert – die Berechnung der möglichen Mietzinserhöhung vorgenommen werden. Handelt es sich um eine Liegenschaft mit unterschiedlichen Mietobjekten muss sodann der Verteilschlüssel definiert werden, wobei auch hier unterschiedliche Methoden gewählt werden können (Verteilung nach Fläche, Anzahl Zimmer, Wertquoten im Stockwerkeigentum, in % des alten Mietzinses etc.).

Steht fest, in welchem Umfang der Mietzins eines bestimmten Mietobjektes auf den nächsten Kündigungstermin erhöht werden soll, so ist die Erhöhung mit entsprechender klarer Begründung rechtzeitig auf dem amtlichen Formular dem Mieter mitzuteilen. Rechtzeitig heisst, dass die Mitteilung mindestens 10 Tage vor Beginn der Kündigungsfrist dem Mieter zugegangen sein muss.

Möchte der Vermieter (einstweilen) nicht sämtliche, aufgrund der Berechnung zulässigen Kosten auf die Mieter abwälzen, so besteht die Möglichkeit des Mietzinsvorbehalts. Auch hier gelten gemäss Rechtsprechung strenge formelle Voraussetzungen. Es ist darauf zu achten, dass der Vorbehalt explizit ausgewiesen, begründet und ziffernmässig bestimmt ist.

IV. FAZIT

Bereits die vorangehenden Ausführungen zeigen auf, dass die Berechnungen anhand diverser Faktoren, die in sich wiederum variieren können, vorzunehmen sind. Hinzu treten die unterschiedlichen Meinungen in der Lehre und bei Fachverbänden, was schliesslich auch zu einer mannigfaltigen Rechtsprechung führt. Infolgedessen kann es sich gerade für private Liegenschaftseigentümer empfehlen, die Berechnungen durch Experten durchführen oder zumindest prüfen zu lassen. Selbst dann ist die Anfechtung durch Mieter natürlich nicht ausgeschlossen. Im Falle eines Rechtsstreites lassen sich jedoch die konkreten Berechnungen regelmässig zumindest gut substantiieren.

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14. Juni 2018 / MLaw Kim Goetzinger