Schriftlichkeitserfordernis für Aktienübertragungen: Können Aktien gültig mittels der elektronischen Signatur von „DocuSign“ übertragen werden? Und wie kann eine gültige Abtretung ausserhalb einer klassischen Zessionserklärung erreicht werden?
Lic. iur. Patricia Geissmann, Rechtsanwältin
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Die Übertragung von Namenaktien ist an strenge Formvorschriften gebunden. Sind die Aktien in Urkunden verbrieft (sog. Aktientitel oder -zertifikate), hat die Übertragung durch Übergabe der betreffenden Urkunde sowie durch Eintragung des Erwerbers im Indossament, das sich meist auf der Rückseite der Aktientitel befindet, zu erfolgen. Ebenfalls möglich ist die Unterzeichnung einer separaten Zessionserklärung, sofern der Aktientitel bzw. das Aktienzertifikat dem Erwerber ebenfalls übergeben wird. Unverbriefte Namenaktien sind einzig durch Zession zu übertragen, mangels Existenz einer Aktienurkunde entfällt hier die Pflicht zur Übergabe eines Titels. Für Zessionen verlangt das Obligationenrecht in Art. 165 OR die Schriftlichkeit. Im Dezember 2023 musste sich das Obergericht Zug mit der Frage befassen, ob eine Zession von Aktien unter Einsatz der elektronischen Signatur von „DocuSign“ erfolgen kann. Bei DocuSign handelt es sich nicht um einen zugelassenen Anbieter einer qualifizierten elektronischen Signatur.
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I. FORMVORSCHRIFTEN FÜR DIE ÜBERTRAGUNG VON NAMENAKTIEN
Namenaktien sind immer selten in Aktientitel oder Aktienzertifikaten verbrieft. Dies bring insofern den Vorteil, dass Formfehler, die sich häufig bereits bei deren Ausstellung von Aktien ergeben (bspw. indem sie bereits am Gründungstag und nicht erst nach Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister ausgegeben werden), umgangen werden können. Zudem verlangt das Gesetz für die gültige Übertragung von verbrieften Namenaktien die Übergabe des Aktientitels, verbunden mit der sog. Indossierung, d.h. der Verzeichnung des Erwerbers auf der Rückseite des Dokuments, begleitet von der Unterschrift des übertragenden Aktionärs. Die Praxis zeigt, dass diese Indossierung häufig vergessen geht und die Aktien, wenn überhaupt, ohne Indossierung oder auch ohne eine separate Zessionserklärung, übergeben werden.
Unverbriefte Namenaktien haben den Vorteil, dass es diesen Aktientitel oder das Aktienzertifikat gar nicht erst gibt. Allerdings kennt das Gesetz auch für die Übertragung unverbriefter Namenaktien Formvorschriften. So hat die Übertragung mittels Zession zu erfolgen, für welche das Obligationenrecht (OR) in Art. 165 die Schriftlichkeit verlangt. Weiter muss aus der Zession für einen unbeteiligten Dritten unzweideutig erkennbar sein, welche Forderung sich daraus ergibt, d.h. wer (Zedent/Verkäufer) was (wie viele Aktien) an wen (Zessionar/Käufer) abtritt. Was unter „Schriftlichkeit“ zu verstehen ist, definiert das Gesetz in Art. 14 OR ebenfalls. So ist die Unterschrift eigenhändig zu schreiben (Art. 14 Abs. 1) oder mittels einer mit qualifiziertem Zeitstempel verbundenen qualifizierten elektronischen Signatur gem. dem Bundesgesetz über die elektronische Signatur (SR 943.03) zu versehen (Art. 14 Abs. 2bis OR).
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II. ÜBERTRAGUNG MITTELS DOCUSIGN
Sollen unverbriefte Namenaktien übertragen werden, hat dies wie erwähnt durch schriftliche Zession zu erfolgen. In einem Fall, den das Obergericht Zug im Dezember 2023 zu beurteilen hatte, stellte sich die Frage, ob diesem Schriftlichkeitserfordernis mit der Unterzeichnung via DocuSign Genüge getan ist. DocuSign kennt zwei Varianten, um Dokumente elektronisch zu unterzeichnen. Einerseits die Möglichkeit, die eigene Unterschrift als Scan im Benutzerkonto zu hinterlegen und diese dann in das Dokument einzukopieren. Andererseits kann der Benutzer seine Unterschrift aber auch direkt im geöffneten PDF-Dokument mit der Maus oder mittels eines Tablet-Pens auf einem Touchscreen-Bildschirm oder auf einem Trackpad anbringen. In dieser zweitgenannten Variante wird also keine vorgefertigte Unterschrift verwendet, sondern der Benutzer bringt seine Unterschrift im Einzelfall selbst mechanisch an, indem er sie direkt und eigenhändig unter Verwendung eines Tablet-Pens auf einem Tochscreen-Bildschirm oder einem Trackpad setzt. Vor Gericht stellte sich die Frage, ob die Anbringung der Unterschrift via DocuSign den gesetzlichen Anforderungen von Art. 14 Abs. 1 OR (Schriftlichkeitserfordernis) genügt. Bezüglich der ersten Variante (Einfügen der gespeicherten Unterschrift als Scan) lehnte das Gericht eine solche Auslegung mit Hinweis auf Art. 14 Abs. 2bis OR, der vorsieht, dass nur die qualifizierte elektronische Signatur dem Schriftlichkeitserfordernis genügt, klar ab. Eine andere Auslegung würde dem Sinn und Zweck der genannten Gesetzesbestimmung offenkundig widersprechen. Ob die zweite Variante, bei der die Unterschrift mit einem Tablet-Pen auf einem Touchscreen angebracht wird, der Schriftlichkeit genügt, musste das Gericht aus prozessualen Gründen nicht beantworten und hat sie daher offengelassen. In Bezug auf diese zweite Variante gibt es soweit ersichtlich also noch keinen gerichtlichen Entscheid. Die Autorin ist allerdings der Auffassung, dass auch diese Frage nicht zu einem anderen Ergebnis kommen dürfte. Der Wortlaut von Art. 14 Abs. 2bis OR hält klar fest, dass nur die qualifizierte elektronische Signatur der Schriftlichkeit genügt und verweist hinsichtlich der Zulassung von Anbietern dieser qualifizierten elektronischen Signatur sogar auf ein eigenes Gesetz (Bundesgesetz über Zertifizierungsdienste im Bereich der elektronischen Signatur). Ein Gleichstellen der (einfachen oder fortgeschrittenen) elektronischen Signatur mit der Schriftlichkeit gem. Art. 165 OR würde dem klaren Wortlaut wie auch dem Wille des Gesetzes diametral entgegenstehen.
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III. EINER ZESSION GLEICHGESTELLTE RECHTSHANDLUNGEN
Eine andere Frage, die sich im genannten Entscheid ebenfalls stellte, ist, ob sich der Inhalt einer Zession auch aus anderen, nicht in einem als „Zession“ bezeichneten Dokument ergeben könnte. In Betracht kommen insb. GV- oder VR-Protokolle, die zumindest vom Zedenten unterzeichnet sind und aus denen sich der Abtretungswille und die Definition der abgetretenen Forderung klar ergibt. Das Gericht hat es dem Grundsatz nach bejaht, dass sich eine gültige Zession auch aus solchen Unterlagen ergeben kann. Voraussetzung ist jedoch nach wie vor, dass sich daraus auch für einen unbeteiligten Dritten klar erkennen lässt, wer (Zedent) welche Forderung (Anzahl Aktien) an wen (Zessionar) überträgt. Die abgetretene Forderung muss also auch in solchen Fällen hinreichend individualisiert sein. Im konkreten Fall leitete der Gesuchsteller eine Zession aus einer Kombination von Kaufvertrag (bzw. Kaufrechtsausübung), GV-Protokoll, das die Anzahl der vertretenen Aktien auswies und dem Aktienbuch, in welchem er verzeichnet war, ab. Das Gericht folgte dieser Auffassung allerdings nicht und zwar vornehmlich aufgrund dessen, dass das GV-Protokoll die Aktionäre nicht namentlich aufführt und auch keinen Hinweis enthält, welcher Aktionär wie viele Aktien vertreten hat. Das Gericht erkannte aus dem Protokoll, das zwar unbestrittenermassen vom Zedent erstellt und unterzeichnet wurde, keinen klaren Willen, dass der Zessionar Eigentümer dieser Aktien geworden sei und sich daher weder die Parteien, noch die konkrete Forderung aus diesen Unterlagen erkennen lasse. Voraussetzung sei aber wie erwähnt, dass sich alle diese Informationen aus den Unterlagen direkt ableiten lassen.
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IV. ZUSAMMENFASSUNG UND FAZIT
Das Obergericht Zug durfte die Frage, ob eine gültige Zession auch durch eine elektronische Signatur eines nicht zertifizierten Anbieters wie bspw. DocuSign erfolgen kann, insb. wenn die Unterschrift mittels eines Tablet-Pens auf einem Touchscreen mechanisch angebracht wird, aus prozessualen Gründen offenlassen. Klar verneint hat es indes eine gültige Unterzeichnung für den Fall, in dem eine vorgefertigten Unterschrift (in Form eines PDFs) in ein Dokument eingefügt wird. Angesichts des klaren Wortlauts von Art. 14 Abs. 2bis OR dürfte allerdings unabhängig von der effektiven Ausführung der Unterschrift – d.h. auch dann, wenn die Unterschrift mechanisch mittels Tablet-Pen auf einem Touchscreen erfolgt – unwahrscheinlich sein, dass auch einfache oder fortgeschrittene elektronische Signaturen dem Schriftlichkeitserfordernis von Zessionen i.S. von Art. 165 OR genügen.
Dass sich eine gültige Zession jedoch nicht nur aus einem als solches gekennzeichneten Schriftstücks ergeben kann, hat das Gericht bestätigt. Sofern Zedent, Zessionar und Gegenstand der übertragenen Forderung aus (einem oder mehreren zusammengehörenden) Unterlagen wie bspw. einem GV- oder VR-Protokollen genügend individualisiert sind und sich zumindest die Unterschrift des Zedenten darauf befindet, ist es durchaus möglich, auch darin eine gültige Zession zu erblicken.
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6. August 2024 / lic. iur. Patricia Geissmann, CAS Merger & Acquisitions and Corporate Law
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