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STRASSENVERKEHR – ZULÄSSIGKEIT UND VERWERTBARKEIT EINES DROGENSCHNELLTESTS

lic. iur. Stephan Hinz, Rechtsanwalt unter Mithilfe von Sabrina Engel (MLaw)

lic. iur. Stephan Hinz, Mediator SAV und Rechtsanwalt bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

In unserem Newsletter vom 21. Dezember 2015 wurde in Anlehnung an den Entscheid des Aargauer Obergerichts vom 20. Oktobers 2015 die Rechtsfolge bei Verweigerung einer Blut- und Urinuntersuchung, die von der Polizei – anstelle der Staatsanwaltschaft – im Anschluss an einen positiven Drogenschnelltest angeordnet wurde, thematisiert (unterdessen bestätigt in BGE 6B_532/2016 vom 15.12.2016). Konkret hat das Obergericht entschieden, dass die Strafbarkeit nach Art. 91a SVG – Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit – aufgrund fehlender Zuständigkeit der Polizei verneint werden muss. Was gilt jedoch im Verweigerungsfall eines von der Polizei angeordneten Drogenschnelltests? Im Gegensatz zur Blut- und Urinprobe muss dieser Test nicht im Spital durchgeführt werden sondern kann direkt vor Ort vorgenommen werden. Schnell und unkompliziert. Muss die anwesende Polizei dennoch auch in diesem Fall zunächst den pikettdiensthabenden Staatsanwalt anrufen, damit dieser anschliessend die Durchführung des Drogentests anordnen kann? Diese Frage wird im Sinne einer Fortsetzung unsers ersten Newsletters nachfolgend beantwortet.

I. VEREITELUNG VON MASSNAHMEN ZUR FESTSTELLUNG DER FAHRUNFÄHIGKEIT (ART. 91A SVG)

Art. 91a SVG bedroht mit Strafe, wer sich als Motorfahrzeugführer vorsätzlich einer Blutprobe, einer Atemalkoholprobe oder einer anderen vom Bundesrat geregelten Voruntersuchung (Art. 10 SKV; Vortest im Urin, Speichel oder Schweiss), die angeordnet wurde oder mit deren Anordnung gerechnet werden musste, oder sich einer zusätzlichen ärztlichen Untersuchung widersetzt oder entzogen hat oder den Zweck dieser Massnahme vereitelt hat. Damit will diese Bestimmung verhindern, dass derjenige Fahrzeuglenker, der flüchtet oder sich anderweitig der Alkoholkontrolle bzw. auch einer Drogenkontrolle entzieht, besser gestellt ist als derjenige, der die Untersuchung der Polizei bzw. des Arztes über sich ergehen lässt (Urteil des Bundesgerichts 6B_229/2012 vom 5. November 2012 E. 2 mit Hinweisen).

Die genannte Strafnorm setzt jedoch zunächst voraus, dass der Täter überhaupt verpflichtet war, sich einer solchen Massnahme zur Feststellung der Fahrunfähigkeit zu unterziehen bzw. bei der Durchführung einer solchen Massnahme mitzuwirken. Denn es ist selbstredend, dass nicht jedermann voraussetzungslos verpflichtet ist, sich jederzeit einer Blut- oder einer Speichelprobe zu unterziehen. Vielmehr bedeuten die entsprechenden Untersuchungsmassnahmen immer auch einen Eingriff in geschützte Grundrechtspositionen.

Eine Mitwirkungs- bzw. Duldungspflicht bei der Durchführung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit besteht nur bei einer gültigen Anordnung durch die zuständige Behörde. Die Zuständigkeit zur Anordnung dieser Untersuchungsmassnahmen ist im Strassenverkehrsgesetz (SVG) wie auch in den dazugehörigen Verordnungen nicht geregelt. Deshalb ist danach zu unterscheiden, ob die entsprechende Untersuchung strafprozessualen oder polizeilichen Charakter hat.

II. DROGENSCHNELLTEST – EINE ZWANGSMASSNAHME

Nach einhelliger Lehrmeinung und Rechtsprechung haben Untersuchungen bzw. Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit, welche nur bei Vorliegen eines konkreten Anfangsverdachts angeordnet werden, den Charakter einer strafprozessualen Zwangsmassnahme im Sinne von Art. 197 StPO.

Gemäss Art. 55 SVG verlangt einzig die Durchführung einer Atemalkoholprobe keinen konkreten Anfangsverdacht. Diese kann unabhängig vom Vorliegen allfälliger Anzeichen von Fahrunfähigkeit durchgeführt werden, womit es sich um eine Kontrolle im Rahmen der sicherheitspolizeilichen Kontrolltätigkeit handelt. Bei Vorliegen einer voraussetzungslosen Routinekontrolle, d.h. einer Atemalkoholkontrolle ohne konkreten Tatverdacht, sind neben den Vorgaben des SVG die Zuständigkeitsvorschriften des kantonalen Polizeirechts einschlägig. Zuständig ist alsdann regelmässig die Polizei. Auch die Atemalkoholprobe wird indes zur strafprozessualen Zwangsmassnahme, wenn ein Anfangsverdacht (bspw. auffälliges Fahrverhalten), gegeben ist.

Alle weiteren Untersuchungsmassnahmen, namentlich die übrigen vom Bundesrat geregelten Voruntersuchungen (Urin-, Speichel- und Schweissuntersuchungen) – d.h. auch Drogenschnelltests –, Blutproben und die zusätzlichen ärztlichen Untersuchungen erfordern bereits von Gesetzes wegen (Art. 55 Abs. 2 und 3 SVG) für deren Durchführbarkeit einen konkreten Anfangsverdacht und sind damit allesamt Zwangsmassnahmen strafprozes-sualer Natur. Konkret handelt es sich bei diesen Massnahmen um körperliche Untersuchungen im Sinne von Art. 251 StPO, bei welchen bei der betroffenen Person körpereigene Flüssigkeiten untersucht werden. Letzteres gilt im Übrigen auch für die Atemalkoholprobe.

III. ZUSTÄNDIGKEIT ZUR ANORDNUNG EINER ZWANGSMASSNAHME

Die Zuständigkeit zur Anordnung von Zwangsmassnahmen ist abschliessend bundesrechtlich geregelt. Gemäss Art. 198 Abs. 1 lit. a StPO ist die Staatsanwaltschaft zur Anordnung von Zwangsmassnahmen befugt. Die Polizei ist hingegen gemäss lit. c der genannten Norm nur in den gesetzlich vorgesehen Fällen zuständig.

An dieser Stelle gilt es darauf hinzuweisen, dass in einigen Kantonen (etwa BE, FR, SO und SZ) die jeweiligen General- bzw. Oberstaatsanwaltschaften aus Praktikabilitätsüberlegungen Weisungen erlassen haben, die es den Polizeibehörden erlauben sollen, Untersuchungsmassnahmen ohne besondere Anordnung des zuständigen Staatsanwaltes anzuordnen und durchzuführen. Das Bedürfnis für eine solche Schematisierung rechtfertigt aber nicht ein sich Hinwegsetzen – mittels generellen Weisungen – über die vom Gesetzgeber bewusst gewählte und zwingende Zuständigkeitsordnung (Urteil des Obergerichts Aargau vom 20. Oktober 2015). Bei diesen Weisungen handelt es sich – aufgrund des fehlenden Gesetzescharakters – auch nicht um einen Ausnahmefall im Sinne von Art. 198 Abs. 1 lit. c StPO.

Eine andere Frage ist indes, ob die Polizei einen Fahrzeuglenker dazu auffordern kann, freiwillig an einer Untersuchungsmassnahme mitzuwirken und eine individuell konkrete Anordnung der Staatsanwaltschaft erst für den Fall vorgesehen wird, wenn sich ein Betroffener weigert. Das Obergericht Aargau hat diese Frage in seinem Entscheid vom 20. Oktober 2015 in Bezug auf die Zulässigkeit einer freiwillig abgegebenen Blut- und Urinprobe offen gelassen. Es hielt jedoch in seiner Urteilsbegründung explizit fest, dass die Verweigerung einer freiwilligen – d.h. nicht hoheitlich angeordneten – Abgabe von Blut und Urin nicht strafbar im Sinne von Art. 91a SVG ist.

Der Drogenschnelltest wird, wie vorangehend gezeigt, im Zusammenhang mit der Zuständigkeitsregelung vom Gesetzgeber gleich behandelt wie alle anderen Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit – mit Ausnahme des Alkoholatemtests. Es wird diesbezüglich auch keine Unterscheidung getroffen, ob es sich lediglich um einen Vortest handelt oder um eine anschliessende weitergehende Massnahme in Form einer Urin- oder Blutprobe. In jedem Fall handelt es sich um Zwangsmassnahmen, die nach Art. 198 Abs. 1 lit. a StPO von der Staatsanwaltschaft anzuordnen sind.

IV. FAZIT

Beim Drogenschnelltest handelt es sich um eine strafprozessuale Zwangsmassnahme im Sinne von Art. 251 StPO, die gemäss Art. 198 Abs. 1 lit. a StPO zwingend von der Staatsanwaltschaft anzuordnen ist. Dasselbe gilt für die Atemalkoholprobe, sofern diese aufgrund von Anzeichen der Fahrunfähigkeit vorgenommen wird. Liegt demnach nur eine Aufforderung der Polizei zur Mitwirkung vor – die auf reiner Freiwilligkeit beruht – und fehlt es an einer entsprechenden Anordnung durch die Staatsanwaltschaft, besteht für die betroffene Person keine Mitwirkungs- oder Duldungspflicht. Ohne das Bestehen einer solchen Pflicht fehlt es offensichtlich an einer Vor- aussetzung für die Erfüllung des Tatbestands von Art. 91a SVG. Ins Visier geratene Verkehrsteilnehmer haben das Recht den von der Polizei angeordneten Drogenschnelltest bzw. Atemalkoholtest aufgrund eines Anfangsverdachts zu verweigern. Nur wenn die Massnahme durch den Staatsanwalt angeordnet wird – was im Normalfall per Telefon erfolgt –, sind Betroffene gehalten, den Test durchzuführen. Davon zu unterscheiden ist allerdings die Atemalkoholkontrolle im Rahmen zulässiger Routinekontrollen, bei welchen die Polizei ohne jeglichen Anfangsverdacht auf Fahrunfähigkeit generelle Alkoholkontrollen durchführt. In diesem Fall ist die Verweigerung des Alkoholtests im Sinne von Art. 91a SVG strafbar.

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11. August 2017 / lic. iur. Stephan Hinz unter Mithilfe von Sabrina Engel (MLaw) 

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