TEILNAHME AN EINEM ÖFFENTLICHEN SUBMISSIONSVERFAHREN – WAS EIN ANBIETER WISSEN MUSS
lic. iur. Christoph Schärli, Rechtsanwalt
Bund, Kantone und Gemeinden sowie andere Institutionen, welche öffentliche Aufgaben erfüllen und aus öffentlichen Geldern finanziert werden, sind von Gesetzes wegen verpflichtet, ihre Beschaffungen (d.h. Einkäufe) auf dem Markt ab einer gewissen Auftragshöhe (sog. Schwellenwert) öffentlich auszuschreiben. Das Vergaberecht verfolgt zwei Hauptziele: Ein effizienter Umgang mit öffentlichen Mitteln sowie die Förderung des Wettbewerbes auf dem freien Markt. Die verfahrensrechtliche Umsetzung dieser Ziele führt sowohl auf Seiten der Vergabestellen als auch der Anbieter immer wieder zu Fragen und Unsicherheiten. Nachfolgend werden in einer Kurzfassung die wichtigsten Punkte, die ein Anbieter in einem Vergabeverfahren zu beachten hat, zusammengefasst:
I. DER LEISTUNGSBESCHRIEB UND DIE KRITERIEN
Das Vergaberecht hat zum Ziel, in einem transparenten, alle Anbieter gleich behandelnden Verfahren das wirtschaftlich günstigste (nicht billigste!) Angebot zu ermitteln. Öffentliche Vergabestellen wie Gemeinden, Schulen etc. müssen in der Ausschreibung die nachgefragte Leistung genau definieren und vorgängig die Eignungs- und Zuschlagskriterien, nach welchen sie die Anbieter und die eingereichten Angebote bewertet, bekanntgeben. Eignungskriterien sind anbieterbezogen, d.h. die Vergabestelle stellt Kriterien auf, welche Anbieter überhaupt zur Angebotseinreichung zugelassen werden. So kann eine Vergabestelle etwa eine gewisse Anzahl an Referenzaufträgen fordern oder Ausbildungen/Zertifikate oder andere Nachweise verlangen, welche belegen, dass die betreffende Anbieterin geeignet ist, die ausgeschriebene Leistung überhaupt erbringen zu können. Nur die Angebote von Anbietern, welche die Eignungskriterien allesamt erfüllen, werden überhaupt bewertet. Mit den angebotsbezogenen Zuschlagskriterien legt die Vergabestelle verbindlich fest, nach welchen Aspekten und mit welcher Gewichtung (bzw. zumindest in welcher Rangfolge) die eingereichten Angebote bewertet und das «wirtschaftlich günstigste» Angebot ermittelt wird. Neben dem Kriterium Preis können auch andere Kriterien wie Qualität, Referenzen, mit dem Angebot einzureichende Auftragsanalysen, Termine, etc. in die Bewertung aufgenommen werden.
Bei der Festlegung der Kriterien verfügt eine Vergabestelle über ein grosses Ermessen, ist jedoch dabei nicht völlig frei. Sowohl Eignungs- wie Zuschlagskriterien müssen sachlich begründbar sein und es dürfen keine Kriterien gewählt werden, welche einzelne Anbieter bevorzugen oder diskriminieren. Die Leistungsumschreibung hat funktional und produkteneutral zu erfolgen.
II. DIE STRIKTEN FORMVORSCHRIFTEN
Das Vergaberecht setzt den Gleichbehandlungsgrundsatz der Anbieter sehr formalistisch um. Zu spät eingereichte Angebote werden vom Verfahren ausgeschlossen, wobei auch ein nur wenige Minuten nach dem Eingabetermin (effektiver physischer Eingang des Angebotes, nicht der Poststempel entscheidet) eingereichtes Angebot nach Rechtsprechung auszuschliessen ist. Ebenso formalistisch ist das Vergaberecht bei unvollständig eingereichten Angeboten. Das Nachreichen/Nachbessern von Angeboten ist aus vergaberechtlicher Sicht grundsätzlich nicht zulässig. Nur unwesentliche, d.h. weder für die Eignungskriterien noch die Zuschlagskriterien relevante Dokumente dürfen überhaupt noch nachgereicht werden. Immer wieder müssen Anbieter mit dem besten Angebot aus dem Verfahren ausgeschlossen werden, welche ein Referenzblatt oder eine sonst verlangte Bescheinigung aus Versehen nicht eingereicht haben. Anbieter sind deshalb gut beraten, ihre Angebote mit allen verlangten Unterlagen rechtzeitig sowie vollständig und sorgfältig ausgefüllt einzureichen, wollen sie nicht Gefahr laufen, mit ihrem Angebot im vornherein aus dem Verfahren ausgeschlossen zu werden.
III. ANGEBOTSBEWERTUNG UND BEGRÜNDUNG ZUSCHLAGSERTEILUNG
Die Bewertung der Angebote ist Sache der Vergabestelle. Bewertet werden die fristgerecht eingereichten Angebote. Nachträgliche Anpassungen der Offerten oder gar Abgebotsrunden sind (zumindest auf kantonaler Ebene) unzulässig. Nach der Angebotsbewertung erfolgt die Mitteilung des Zuschlags oder der Absage an alle Anbieter in Form einer beschwerdefähigen Verfügung. Als nichtberücksichtigter Anbieter hat man Anspruch auf eine Begründung der Nichtberücksichtigung bzw. auf Einsicht in die Bewertung der Angebote, so dass man nachvollziehen kann, bei welchen Kriterien das eigene Angebot aus welchen Gründen weniger gut bewertet worden ist. Viele Vergabestellen teilen die Absage in einem ersten Schritt jedoch in einer nur sehr rudimentär begründeten Verfügung mit. In solchen Fällen kann ein Anbieter eine ausführliche Begründung verlangen.
Aufgrund der Dringlichkeit der meisten Beschaffungsvorhaben hat der Gesetzgeber die Fristen für eine Beschwerde gegen einen Vergabeentscheid jedoch sehr kurz angesetzt. Diese beträgt bei Beschaffungen auf kantonaler und kommunaler Ebene nur 10 Tag ab Erhalt des Zuschlagsentscheides. Für den betroffenen Anbieter hat dies zu Folge, dass ihm aufgrund der kurzen Zeit nur sehr wenig Zeit bleibt, eine Begründung zu verlangen, diese zu analysieren und dann gegebenenfalls eine Beschwerde einzureichen. Entsprechend ist zu empfehlen, die Begründung umgehend nach Eingang des Vergabeentscheides zu verlangen und allenfalls gleich um einen Termin für ein Debriefing/Gespräch bei der Vergabestelle zu ersuchen.
IV. RECHTSSCHUTZ
Grundsätzlich haben Anbieter die Möglichkeit, die Nichtberücksichtigung oder auch einen allfälligen Ausschluss ihres Angebotes anzufechten und deren Rechtmässigkeit vom kantonalen Verwaltungsgericht überprüfen zu lassen. Die Einreichung einer Beschwerde gegen eine Nichtberücksichtigung will jedoch gut überlegt sein. Die Verwaltungsgerichte auferlegen sich einer grossen Zurückhaltung bei der Überprüfung von Vergabeentscheiden und greifen insbesondere bei Ermessensfragen, wie etwa der Bewertung der qualitativen Zuschlagskriterien, nur bei groben und offensichtlichen Unstimmigkeiten ein. Erfolgsversprechend sind Beschwerden etwa dann, wenn aufgezeigt werden kann, dass der Vergabestelle krasse Fehler bei Bewertung passiert oder klare Grundsätze des Vergabeverfahrens, wie die Gleichbehandlung der Anbieter, verletzt worden sind. Dies reicht aber noch nicht aus: In einer Beschwerde muss der Anbieter auch darlegen können, dass er zumindest hypothetisch bei einer korrekten Bewertung mit seinem Angebot auf den 1. Rang zu liegen kommen würde oder aber das gesamte Verfahren zu wiederholen ist, ansonsten es ihm an einem schutzwürdigen Interesse und damit bereits an der Beschwerdelegitimation fehlt.
Die Zeit der 10 Tage Beschwerdefrist reicht oft nicht aus, um eine vertiefte Begründung von der Vergabestelle zu erhalten, diese zu analysieren und dann noch rechtzeitig eine Beschwerde einzureichen. Bestehen gewisse Anhaltspunkte, dass bei der Bewertung Fehler passiert sind, kann es somit notwendig werden, vorsorglich vor Erhalt einer ausführlichen Begründung eine Beschwerde einzureichen. Liegt dann die Begründung vor und ist erkennbar, dass aus rechtlicher Sicht eine Beschwerde wenig Erfolgsaussichten hat, kann die Beschwerde auch wieder zurückgezogen werden. Im Kanton Zürich (und auch in anderen Kantonen) ist nach Gerichtspraxis ein solcher Rückzug bis und mit Erhalt der Beschwerdeantwort bzw. vor Einreichung einer Replik noch ohne Kostenfolge möglich.
V. AUFSCHIEBENDE WIRKUNG MUSS IMMER BEANTRAGT WERDEN
Eine weitere Eigenart des Vergaberechts besteht darin, dass mit Einreichung der Beschwerde die Gewährung der aufschiebenden Wirkung vom Anbieter explizit beantragt werden muss, da dieser von Gesetzes wegen nicht automatisch aufschiebende Wirkung zukommt. Ist die Beschwerde nach einer summarischen Prüfung mit Aussicht auf Erfolg, bzw. nicht aussichtslos und liegt keine besondere Dringlichkeit vor, hat das Gericht der Beschwerde die aufschiebende Wirkung jedoch zu erteilen. Der Vergabestelle ist es dann untersagt, bis zum Vorliegen des Entscheides den Vertrag mit der Zuschlagsempfängerin abzuschliessen oder anderweitige Vollzugshandlungen vorzunehmen.
Wenn die aufschiebende Wirkung nicht beantragt oder vom Gericht nicht erteilt wird, kann die Vergabestelle hingegen den Vertrag mit der Zuschlagsempfängerin bereits vor dem inhaltlichen Entscheid über die Beschwerde abschliessen. Ist dies der Fall, kann das Gericht (auch wenn es später die Beschwerde gutheisst) den Zuschlag nicht mehr aufheben, sondern nur noch die Rechtswidrigkeit der Vergabe feststellen. Dem beschwerdeführenden Anbieter verbleibt bis auf eine allfällige (geringe) Entschädigung für die Verfahrenskosten in einem solchen Fall das Nachsehen, der Auftrag ist weg. Aus Sicht der Anbieter ist diesem Punkt bei der Beschwerdeeinreichung somit genügend Aufmerksamkeit zu schenken und immer die aufschiebende Wirkung explizit zu beantragen und das Gesuch zu begründen.
VI. FAZIT
Die verschiedenen Regelungen und deren sehr formalistische Umsetzung sorgen bei den Anbietern in einem öffentlichen Vergabeverfahren für einen grossen Aufwand. Da keine Verhandlungen oder Nachofferten zugelassen sind, muss bei jeder Ausschreibung eine komplett ausgearbeitete Offerte mit diversen Beilagen eingereicht werden. Eine Nichtberücksichtigung oder gar einen Ausschluss aus dem Verfahren ist deshalb oft mit grossem Ärger und Frustration verbunden. Das Einreichung einer Beschwerde will trotzdem gut überlegt sein, verfügt die Beschwerdeinstanz nur über eine eingeschränkte Überprüfungsmöglichkeit der Vergabe. Es empfiehlt sich, bei einer Nichtberücksichtigung umgehend eine Begründung des Entscheides zu verlangen und die rechtlichen Chancen und Risiken einer Beschwerde von einer Fachperson überprüfen zu lassen.
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28. Juni 2018 / lic. iur. Christoph Schärli