TRADE SECRETS – DER SCHUTZ VON FABRIKATIONS- UND GESCHÄFTSGEHEIMNISSEN
MLaw Simone Küng, Rechtsanwältin
Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisse stellen für ein Unternehmen einen erheblichen Vermögenswert dar. Umso wichtiger ist deren Schutz vor unberechtigten Zugriffen durch Konkurrenten oder andere Drittpersonen. Bei patentierbaren Erfindungen stellt sich zudem die Frage, ob ein kostspieliges Patent angemeldet und das Geheimnis zwangsläufig mit der Patentanmeldung offenbart werden soll, welches dann schlussendlich mit Ablauf des Patentschutzes allgemein zugänglich wird, oder die Erfindung nicht vielmehr unter Verschluss gehalten werden soll. Auch bei austretenden Arbeitnehmern oder gescheiterten Geschäftsbeziehungen stellt sich regelmässig die Frage, wie Geheimnisse auch nach Beendigung der Zusammenarbeit geschützt sind. Vor diesem Hintergrund wird nachfolgend dargelegt, welchen Schutz die schweizerische Gesetzgebung Geschäftsgeheimnissen bietet.
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I. WAS FÄLLT UNTER DEN BEGRIFF FABRIKATIONS-/GESCHÄFTSGEHEIMNIS
Um die Verletzung eines Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnisses prüfen zu können, muss vorab geklärt werden, was genau unter den Begriff «Fabrikations- und Geschäftsgeheimnis» fällt. Nicht jede geheime Tatsache ist ein Geheimnis im Sinne der Gesetzgebung und der Rechtsprechung. Der Geheimnisbegriff ist im Gesetz nicht umschrieben, weshalb die Lehre und Rechtsprechung vier Kriterien ausgearbeitet haben, die den Begriff «Geschäftsgeheimnis» definieren. Demnach gelten Tatsachen als «geheim», wenn diese (1) weder offenkundig noch allgemein zugänglich sind (relative Unbekanntheit) und (2) an deren Geheimhaltung der Geheimnisherr (i.d.R. Arbeitgeberin oder Auftragsgeberin) ein berechtigtes Interesse hat (Geheimhaltungsinteresse) und (3) diese geheim halten will (Geheimhaltungswille). Das Geheimnis muss schlussendlich einen (4) Bezug zum Unternehmen (Fabrikation oder Geschäft) aufweisen.
Darunter fallen insbesondere Pläne, Modelle und Konstruktionen, Forschungsergebnisse, Produktionsverfahren, Kunden- und Lieferantenbeziehungen sowie Preis- und Kalkulationsgrundlagen, Businesspläne und Software-Codes. Wesentlich ist insbesondere, dass der Geheimnisherr die betroffenen Informationen nicht publik machen möchte.
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II. GESCHÄFTSGEHEIMNISSE IM ARBEITS- ODER AUFTRAGSVERHÄLTNIS
Insbesondere nach Beendigung einer Zusammenarbeit stellt sich oftmals die Frage, ob und inwiefern der Arbeitnehmer / Auftragnehmer berechtigt ist, geheim zu haltende Informationen der Arbeitgeberin / Auftraggeberin öffentlich zu machen bzw. diese allenfalls einem Konkurrenzunternehmen weiterzugeben oder die entsprechenden Informationen gar selbst zu verwenden.
Der Arbeitnehmer untersteht gestützt auf Art. 321a OR einer Treuepflicht. Demnach darf er geheim zu haltende Tatsachen, von denen er im Dienst Kenntnis erlangt, während des Arbeitsverhältnisses nicht verwerten oder anderen mitteilen (Art. 321a Abs. 4 OR). Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat er die Geheimhaltungspflicht weiter zu beachten – dies allerdings nur soweit es zur Wahrung der berechtigten Interessen der Arbeitgeberin erforderlich ist. Analoges gilt für den Auftragnehmer (Art. 398 Abs. 1 OR i.V.m. Art. 321a Abs. 4 OR).
Nach Beendigung des Arbeits-/Auftragsverhältnisses handelt es sich nur noch um eine abgeschwächte Geheimhaltungspflicht und je weiter das Arbeits- bzw. Auftragsverhältnis zurückliegt, desto geringer ist in der Regel das Geheimhaltungsbedürfnis der Arbeitgeberin / Auftraggeberin. Eine indirekte Schutzerweiterung der Geschäftsgeheimnisse lässt sich hingegen durch eine vertragliche Konventionalstrafe oder im Arbeitsverhältnis über ein nachvertragliches Konkurrenzverbot erreichen. Verstösst der Arbeitnehmer / Auftragnehmer gegen die Geheimhaltungspflicht, so kann er für den durch den Verrat / durch die unrechtmässige Nutzung der Geschäftsgeheimnisse entstandenen Schaden haftbar gemacht werden.
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III. ANVERTRAUTE GESCHÄFTSGEHEIMNISSE AUSSERHALB EINES AUFTRAGS-/ ARBEITSVERHÄLTNISSES
Die vorstehenden Ausführungen beschränken sich auf Arbeits- und Auftragsverhältnisse. Was aber, wenn Geschäftsgeheimnisse bereits in einem früheren Stadium, bspw. im Rahmen einer sich erst anbahnenden Zusammenarbeit, ausgetauscht werden? Werden ausserhalb eines Arbeits- oder Auftragsverhältnisses Geschäftsgeheimnisse (freiwillig) offenbart, so sollte vorgehend eine Vertraulichkeitsvereinbarung (sog. Non-Disclosure-Agreement [NDA] / Confidential Disclosure Agreement [CDA]) unterzeichnet werden, welche den Geschäftspartner zur Verschwiegenheit verpflichtet. Denn von Gesetzes wegen besteht im Zivilrecht ausserhalb eines Arbeits- / Auftragsverhältnisses grundsätzlich keine explizite Geheimhaltungspflicht für anvertraute Geschäftsgeheimnisse. Abgesichert werden kann die vertraglich festzuhaltende Geheimhaltungspflicht über eine Konventionalstrafe. Hält sich der Geschäftspartner nicht an die Vereinbarung, so kann zum einen der daraus entstandene Schaden und zum andern die vereinbarte Konventionalstrafe eingeklagt werden. Darüber hinaus kann der Vertrauensbruch auch aus strafrechtlicher Sicht (insbesondere Art. 162 StGB) relevant sein.
Ein NDA / CDA sollte hingegen nicht leichtfertig unterzeichnet werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Parteien in derselben Branche tätig sind und ähnliche Entwicklungsschritte aufweisen. Steht der Geschäftspartner selbst kurz vor dem entsprechenden Durchbruch, unterzeichnet aber ein NDA / CDA, so kann er sich hierdurch selbst blockieren. Er hätte diesfalls den Nachweis zu erbringen, dass der entsprechende Entwicklungsschritt ohne Kenntnis des Geschäftsgeheimnisses des Geschäftspartners erfolgt ist – was regelmässig mit einer erheblichen Beweisproblematik verbunden ist. Die Kenntnis anderer Geschäftsgeheimnisse kann also durchaus auch zu einem erheblichen unternehmensinternen Schaden führen.
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IV. UNRECHTMÄSSIG ERLANGTE GESCHÄFTSGEHEIMNISSE
Die dritte Kategorie betrifft Geschäftsgeheimnisse, die sich eine Drittperson unrechtmässig angeeignet hat (bspw. Hacking, Betriebsspionage, Bestechung etc.). Erlangt ein Dritter auf unrechtmässigem Weg Kenntnis von Geschäftsgeheimnissen, so kommen insbesondere die Bestimmungen des Lauterkeitsrechts (UWG) zur Anwendung. Das Lauterkeitsrecht schützt aber nicht die Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisse an sich, sondern nur deren Verwertung und Bekanntgabe, sofern das Geheimnis unrechtmässig in Erfahrung gebracht wurde. Die Pflicht zur Geheimhaltung (sei dies vertraglich, aus den Umständen ergebend oder gestützt auf eine Gesetzesbestimmung) wird vorausgesetzt.
Gemäss Art. 6 UWG handelt insbesondere unlauter, wer Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnisse, die er ausgekundschaftet oder sonst wie unrechtmässig erfahren hat, verwertet oder andern mitteilt. Das Geheimnis muss der Verletzer in treuwidriger Weise bzw. unrechtmässig durch aktives Handeln erlangt haben (bspw. durch Bestechung / durch unberechtigtes Zugreifen auf die Geheimnisse). Durch das Beschaffen des Geheimnisses muss entsprechend eine vertragliche oder gesetzliche Pflicht verletzt worden sein. Von Art. 6 UWG nicht erfasst sind also Fälle, in denen der Betroffene das Geheimnis in zulässiger Weise in Erfahrung gebracht hat.
Unter «Verwertung» fällt sodann jegliche gewerbliche, also auf einen wirtschaftlichen Vorteil gerichtet, Anwendung. Der Privatgebrauch von Fabrikations- und Geschäftsgeheimnissen ist damit an sich zulässig – sie dürfen aber in keiner Weise weiterverbreitet bzw. einer Drittperson offenbart werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Geheimnis nur bruchstückhaft weitergegeben hat. Ebenso irrelevant ist, wie der Dritte mit den erlangten Geheimnissen weiter verfährt.
Gemäss Art. 4 lit. c UWG handelt zudem auch unlauter, wer Arbeitnehmer, Beauftragte oder andere Hilfspersonen zum Verrat oder zur Auskundschaftung von Geschäftsgeheimnissen ihres Auftraggebers oder Arbeitgebers verleitet. Unter Auskundschaftung fällt bereits der Versuch der verleiteten Person, die Geschäftsgeheimnisse, zu welchen sie grundsätzlich keinen Zugang hat, in Erfahrung zu bringen, um sie anschliessend dem Verleiter bekannt geben zu können.
Werden unrechtmässig erlangte Geschäfts- und Fabrikationsgeheimnisse verwertet oder Drittpersonen mitgeteilt, so kann der Geheimnisherr eine Unterlassungs-, eine Beseitigungs- oder eine Feststellungsklage anhängig machen. Darüber hinaus kann der hierdurch entstandene Schaden eingeklagt sowie eine Genugtuung gefordert werden. Die Verletzung von Fabrikations- und Geschäftsgeheimnissen steht zudem unter Strafbewährung. Gestützt auf Art. 23 UWG kann der Verletzer mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft werden.
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V. FAZIT
Die Gesetzesbestimmungen zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen bzw. der Geheimnisbegriff an sich sind relativ offen formuliert und lassen Interpretationsspielraum zu, womit stets eine gewisse Rechtsunsicherheit einhergeht. Um sicher zu gehen, sollten Geschäftsgeheimnisse als solche gekennzeichnet werden und für jedermann identifizierbar sein. Im Weiteren sollte der Kreis der Zugriffsberechtigten klein gehalten werden und es sind entsprechende Schutzmechanismen (insbesondere im IT-Bereich) einzuführen. Die Geheimhaltungspflicht ist zudem vertraglich abzusichern – sei dies im Rahmen eines Arbeits-/ Auftrags- oder anderweitigen Kooperationsverhältnisses.
31. August 2021 / MLaw Simone Küng
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