VERKAUF VON AXPO – EIN FALL FÜR DIE LEX KOLLER?
Dr. iur. Hanspeter Geissmann, Rechtsanwalt
I. AUSGANGSLAGE
Aktuell wird in der Presse über eine mögliche neue Axpo-Strategie berichtet. Der über 100 Jahre alte Gründungsvertrag soll per Anfang 2021 durch einen neuen Aktionärbindungsvertrag und eine neue Eignerstrategie ersetzt werden, welche den Eigentümern (Kantone und kantonale Werke) als Aktionären mehr Freiheit bringen würde. Zudem sollen auch die Statuten abgeändert werden. Gemäss heute geltendem Gründungsvertrag dürfen die Beteiligten ihre Anteile nicht an Dritte verkaufen. Es besteht offenbar der weit verbreitete Wunsch verschiedener Aktionäre, dass längerfristig die Möglichkeit geschaffen wird, ihre Anteile verkaufen zu können. Dies soll im neuen Vertragswerk, jedoch teils mit längeren Übergangsfristen, verwirklicht werden. Offenbar ist vorgesehen, dass während einer Frist von 5 Jahren für die Aktionäre noch ein Veräusserungsverbot der Aktien gilt, und dass nach Ablauf dieser Frist noch mindestens 51 % der Aktien in den Händen der bisherigen Aktionäre verbleiben müssen. Offenbar ist diese vorgesehene Regelung aber nur für eine Laufzeit von 8 Jahren angelegt und würde nach Ablauf dieser 8 Jahre dahinfallen (ausser es würde eine neue Regelung vereinbart). Somit könnte die Möglichkeit bestehen, dass die Aktien nach Ablauf von 8 Jahren frei an Dritte veräussert werden könnten – entsprechende Dritte könnten durchaus auch Ausländer sein.
In verschiedenen Kantonen gibt es dazu Opposition, wobei die beiden Parteien SVP und SP an vorderster Front tätig sind. Diese richtet sich vor allem gegen eine freie Verkäuflichkeit von Anteilen an Axpo – vor allem deshalb, weil damit auch die Möglichkeit (oder die Gefahr?) verbunden ist, dass eher unbeliebte ausländische Käufer Axpo übernehmen könnten. Was ist von diesen Befürchtungen zu halten?
II. HINTERGRUND
Es stellt sich tatsächlich die Frage, ob es richtig bzw. sinnvoll oder im Gegenteil sogar gefährlich ist, wenn zentrale Infrastrukturen unseres Landes wie z.B. Stromerzeugungsanlagen, Stromverteilungsnetze, Infrastrukturen bezüglich Wasser wie etwa Quellen, Wasserverteilungsnetze etc. an ausländische Eigentümer übergehen können. Damit ist der Kreis der «heiklen» bzw. für unser Land zentralen Infrastrukturanlagen nicht abschliessend definiert. Der Gedanke, dass die schweizerische Wasserversorgung, die schweizerische Stromversorgung etc. in ausländischen Händen sein könnten, macht Unbehagen bzw. löst sogar in gewissen (allenfalls grossen?) Kreisen so etwas wie Angst aus, die nicht einfach negiert werden kann, sondern bei den weiteren Entscheidungen in diesem Zusammenhang mitberücksichtigt werden muss. Das Gegenargument, das man etwa hört, geht in etwa in die Richtung, dass auch ein ausländischer Eigentümer bzw. ein ausländischer Investor sich nach den gängigen ökonomischen Regeln verhalten würde und es ihm deshalb sicher nicht in den Sinn käme, sein Eigentum (bzw. die entsprechende Infrastruktur) nicht möglichst gut und nachhaltig zu unterhalten oder entsprechende Infrastrukturen sogar gegen unser Land einzusetzen. Wir leben heute in einem relativen Frieden – ob dieser Friede so sicher ist, bleibe einstweilen dahingestellt. Die Vorstellung allerdings, dass sich in einer unfriedlichen Zeit die schweizerischen Behörden mit ausländischen Eigentümern zentraler schweizerischer Infrastrukturwerke auseinandersetzen müssten, die einem Land angehören, das im Moment mit der Schweiz nicht im friedlichsten Einvernehmen steht, trägt nicht gerade zur Beruhigung bei – im Gegenteil. Solche zentralen Infrastrukturen könnten auch als Druck- bzw. Erpressungsmittel eingesetzt werden, und diese Aussicht ist nicht sehr erfreulich.
III. ANWENDUNGSFALL DER LEX KOLLER
Was hat dies alles mit der Lex Koller zu tun? – Vielleicht gar nicht so wenig. Tatsache ist, dass gemäss heutiger Fassung der Lex Koller der Verkauf solcher Infrastrukturen an ausländische Eigentümer ohne weiteres und bewilligungsfrei zulässig ist. Dass diese ausländischen Käufer auch Staaten sein können, ist selbstverständlich. Solche Anlagen fallen unter den Begriff der Betriebsstätte, und der Erwerb von Betriebsstätten ist gemäss Artikel 2 Abs. 2 lit.a BewG für jedermann, also auch für jeden Ausländer, bewilligungsfrei zulässig. Vor gut zwei Jahren gab es ernstgemeinte Bestrebungen, die Lex Koller massgeblich zu revidieren (verschärfen). Ein Vorentwurf des Bundesrates wurde in die Vernehmlassung gegeben, blieb dann allerdings in der Schublade liegen und wurde nicht weiterbearbeitet. Auch in diesem Vorentwurf sowie in den Erläuterungen dazu fanden sich diverse Aussagen, dass auch der freie Erwerb von Betriebsstätten eingeschränkt werden könnte. Auch bei anderer Gelegenheit in den letzten Jahren fanden sich Stimmen in der Politik, dass der bewilligungsfreie Verkauf von Betriebsstätten-Grundstücken an Ausländer aufgehoben werden solle und stärker reglementiert werden müsse. Erinnert sei auch an die parlamentarische Initiative von Nationalrätin Jacqueline Badran aus dem Jahr 2016, welche zum Inhalt hat, dass der Erwerb strategischer Infrastrukturen der Energiewirtschaft (namentlich die Wasserkraftwerke, die Stromnetze und die Gasnetze) der Lex Koller unterstellt werden sollen. Diese Initiative hat bereits in einigen Kommissionen eine sehr grosse Zustimmung erfahren. Und immer bei diesen Bestrebungen fand sich auch das Argument, dass die Gefahr bestehe, dass gerade für die Versorgung unseres Landes zentrale Infrastrukturanlagen in dem Sinne gesichert werden müssen, dass sie nicht in ausländische Hand übergehen können.
IV. FAZIT
Von daher liegt es auf der Hand, dass eine Lockerung des «Axpo-Statuts» dahingehend, dass entsprechende Anteile frei an Ausländer verkauft werden könnten, mit absoluter Garantie zur Forderung führen würde, dass man dann eben die Lex Koller verschärfen müsse.
Ich meine, dass es durchaus legitim ist, sich die Frage zu stellen, ob es in unserem Land derart zentrale Infrastrukturanlagen gibt, bei denen dafür gesorgt sein müsste, dass sie nicht in ausländische Hand übergehen können. Wenn das Ergebnis dieser Diskussion ist, dass entsprechende Infrastrukturanlagen nicht in ausländische Hand kommen sollen, dann ist die Lex Koller allerdings das falsche Mittel, um dies umzusetzen. Die Beschränkung des Erwerbs von Grundstücken durch Personen im Ausland hat den Zweck, die Überfremdung des einheimischen Bodens zu verhindern (vergleiche Art. 1 BewG). Bei der vorliegend thematisierten Frage geht es um andere Zwecke, die etwa so umschrieben werden könnten, dass für unser Land zentrale Infrastrukturanlagen nicht in ausländische Hand fallen sollen, weil damit eine Gefahr für die Sicherheit unseres Landes und deren Bevölkerung verbunden sein könnte, weil entsprechende Anlagen zur politischen Einflussnahme oder gar als Erpressungsmittel eingesetzt werden könnten, was die Souveränität unseres Staates beeinträchtigen könnte. Dies hat mit Überfremdung des einheimischen Bodens nichts zu tun. Aus diesem Grund wäre die Lex Koller genau das falsche Mittel, um hier einzugreifen – im Gegenteil müsste die Politik darauf auf anderem (allenfalls gesetzlichem?) Weg eine Antwort finden, welche spezifisch auf diese Problematik reagieren würden. Es müsste ganz klar und eindeutig definiert werden, welche Infrastrukturen davon betroffen wären, und wie ein entsprechender Schutz auszusehen hätte.
29. Oktober 2019 / Hanspeter Geissmann