VERTIKALE PREISABREDEN (ART. 5 ABS. 4 KG)

MLaw Simone Küng, Rechtsanwältin unter Mithilfe von MLaw Sarah Stirnemann

MLaw Simone Küng, Rechtsanwältin bei Geissmann Rechtsanwälte AG in Baden

Zu den unzulässigen Wettbewerbsabreden gehören u.a. vertikale und horizontale Preisabreden. Sie gelten als besonders wettbewerbsschädlich und werden von der Wettbewerbskommission der Schweiz (Weko) geahndet. Stein des Anstosses ist in der Regel eine vertragliche Vereinbarung zwischen Marktteilnehmern, in welcher sie sich zur Einhaltung von Mindestpreisen bzw. festen Wiederverkaufspreisen verpflichten. In solchen Fällen drohen den Unternehmen hohe Bussen, die bis zu 10 % des in den letzten drei (!) Geschäftsjahren in der Schweiz erzielten Umsatzes erreichen können (Art. 49a Abs. 1 des Kartellgesetzes [kurz: KG]).

I. VERTIKALE UND HORIZONTALE WETTBEWERBSABREDEN

Art. 5 Abs. 3 und 4 KG sieht als unzulässige Wettbewerbsbeschränkungen sowohl die vertikale als auch die horizontale Wettbewerbsabrede vor. Unter einer horizontalen Abrede versteht man eine Abrede zwischen Unternehmern gleicher Marktstufe und damit zwischen aktuellen oder potenziellen Konkurrenten. Eine vertikale Abrede kann hingegen nur zwischen Unternehmern unterschiedlicher Markstufen vorliegen, d.h. die Unternehmer stehen in einer Nachfrager-Anbieter-Beziehung. Beide Arten von Wettbewerbsabreden sind widerrechtlich und gehören zu den sog. «harten Kartellen». Sie werden aufgrund ihrer (erfahrungsgemäss) stark negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb als besonders schädlich erachtet und von der Weko entsprechend streng beurteilt.

II. FESTLEGUNG VON MINDEST- ODER FESTPREISEN

Die vertikale Preisabrede (oder auch Preisfestsetzung zweiter Hand genannt) setzt eine Absprache der Marktteilnehmer über die Wiederverkaufspreise voraus. Hierbei kann es sich um Mindest- oder Festpreise handeln. D.h., dem Marktteilnehmer muss die Möglichkeit genommen werden, seinen Verkaufspreis selbst festzulegen. Dies kann auch nur ein einzelnes Preiselement des Wiederverkaufspreises betreffen, sofern es schlussendlich zu einer preisharmonisierenden Wirkung auf dem Markt führt.

Was vielen Marktteilnehmern nicht bewusst sein dürfte, ist der Umstand, dass nicht nur direkte Preisabreden (wie bspw. eine Liste mit einzuhaltenden Mindest- oder Fixpreisen) als unzulässig erachtet werden, sondern auch indirekte Preisabreden, die u.a. Rabattgewährungen bei Einhaltung eines bestimmten Preisniveaus oder Abreden über Höchstrabatte, die die Wiederverkäufer zu beachten haben, beinhalten können. Auch einfache Preisempfehlungen, die sich durch Gewährung von Anreizen schlussendlich wie eine Abrede von Verkaufspreisen auswirken, können den Wettbewerb verzerren und sind verboten. Grundsätzlich unbedenklich sind unverbindliche Preisempfehlungen, die explizit als solche bezeichnet werden und nicht durch Druckausübung oder mit Gewährung von (finanziellen) Anreizen seitens des Herstellers durchgesetzt werden sollen.

Die Abredebeteiligten müssen zudem aus freien Stücken bewusst und gewollt zusammenwirken, wobei die Abrede eine Wettbewerbsbeschränkung bezwecken oder bewirken soll. Die Wettbewerbsabrede muss nicht zwingend in einem Vertriebsvertrag festgehalten werden. In Frage kommt jede Art von Vertrag oder auch eine Kommunikation per Email / Fax oder nur eine mündliche Mitteilung über einen Aussendienstmitarbeiter.

III. VERMUTUNG DER WETTBEWERBSBESEITIGUNG BEI VERTIKALEN PREISABREDEN

Im Kartellrecht wird i.d.R. einzelfallbezogen geprüft, ob die spezifischen Handlungen der Parteien einen relevanten Einfluss auf den Wettbewerb haben und diesen dadurch in unzulässiger Art und Weise beeinflussen (geprüft wird der relevante Markt sowie das Ausmass bzw. die Erheblichkeit der durch die Marktteilnehmer begangenen Wettbewerbsbeschränkung). Anders ist dies bei «harten Kartellen»: In diesen Fällen wird – vereinfacht gesagt – nur geprüft, ob ein hartes Kartell vorliegt oder nicht. Ist der Tatbestand eines harten Kartells erfüllt, so wird von Gesetzes wegen davon ausgegangen, dass der freie Wettbewerb durch die Beteiligten wirksam beseitigt werde. Die vertikale Preisabrede stellt ein solch hartes Kartell dar. Wurde zwischen den Unternehmern unterschiedlicher Marktstufen also eine Absprache über Mindest- oder Fixpreise getroffen, so geht das Gesetz davon aus, dass eine wirksame Wettbewerbsbeseitigung vorliegt. Diese Vermutung kann widerlegt werden, indem nachgewiesen wird, dass trotz der Wettbewerbsabrede noch genügend Wettbewerb besteht (vgl. nachstehend).

IV. RESTWETTBEWERB – WIDERLEGUNG DER GESETZESVERMUTUNG

Liegt eine vertikale Preisabrede vor, so kann die Vermutungsfolge, wonach der Wettbewerb wirksam beseitigt worden ist, widerlegt werden. Nun ist es Sache der Abredebeteiligten nachzuweisen, dass trotz der vertikalen Preisabrede noch ausreichend Innen- oder Aussenwettbewerb besteht (genügend Restwettbewerb). Bei ausreichendem Innenwettbewerb halten sich bspw. genügend Abredebeteiligte nicht an die getroffene Vereinbarung oder die Abrede betrifft nur einen unwichtigen Wettbewerbsparameter. Aussenwettbewerb liegt vor, wenn genügend andere Unternehmen nicht an der Abrede beteiligt sind.

Nach der Praxis der Weko kann die in Art. 5 Abs. 4 KG enthaltene Vermutung auch beseitigt werden, wenn genügend Interbrand- und Intrabrand-Wettbewerb besteht. Intrabrand-Wettbewerb betrifft den Wettbewerb zwischen den Anbietern derselben Marke. Er muss sowohl qualitativen als auch quantitativen Erfordernissen genügen, um die Unzulässigkeitsvermutung zu widerlegen. Kumulativ wird vorausgesetzt, dass auch Interbrand-Wettbewerb be- steht. Darunter versteht man das Wettbewerbsverhältnis zu Konkurrenten mit substituierbaren Produkten (also unterschiedlicher Marken). Hierbei geht es insbesondere um die Anzahl und Bedeutung markenfremder Wiederverkäufer.

Ist die Widerlegung der Vermutung erfolgreich, so ist dennoch zu prüfen, ob die Wettbewerbsabrede allenfalls eine erhebliche Wettbewerbsbeschränkung i.S.v. Art. 5 Abs. 1 KG darstellt.

V. ERHEBLICHE WETTBEWERBSBESCHRÄNKUNG (ART. 5 ABS. 1 KG)

Auch wenn die gesetzliche Vermutung der Beseitigung des wirksamen Wettbewerbs durch eine vertikale Preisabrede mittels auseichendem Restwettbewerb widerlegt werden kann, ist es dennoch möglich, dass die Abrede gegen das Kartellgesetz verstösst, wenn sie von erheblichem Ausmass ist und damit Art. 5 Abs. 1 KG erfüllt. Die Frage, ob eine erhebliche Wettbewerbsbeschränkung vorliegt, wie dies von Art. 5 Abs. 1 KG vorausgesetzt wird, ist an sich obsolet, zumal das Bundesgericht davon ausgeht, dass Preisabreden i.S.v. Art. 5 Abs. 4 KG per se als erheblich gelten, womit der Tatbestand von Art. 5 Abs. 1 KG als erfüllt erachtet wird. Aber auch hier besteht die Möglichkeit, die Preisabrede zu rechtfertigen: Art. 5 Abs. 2 KG hält fest, dass erhebliche Wettbewerbsabreden aus Gründen der wirtschaftlichen Effizienz gerechtfertigt sein können.

Die Wettbewerbsabreden sind gerechtfertigt, wenn sie notwendig sind, um die Herstellungs- oder Vertriebskosten zu senken, Produkte oder Produktionsverfahren zu verbessern, die Forschung oder die Verbreitung von technischen oder beruflichem Wissen zu fördern oder um Ressourcen rationeller zu nutzen und hierdurch den beteiligten Unternehmen in keinem Fall Möglichkeiten eröffnen, wirksamen Wettbewerb zu beseitigen (Art. 5 Abs. 2 KG). In diesem Fall wird aus wirtschaftspolitischen Gründen ein ergebnisorientierter Ansatz verfolgt, und der Gesetzgeber verzichtet auf die konsequente Durchsetzung des Wettbewerbs.

VI. FAZIT

Einigen sich Händler und Abnehmer auf Wiederverkaufspreise, kann ein Verstoss gegen das Kartellgesetz vorliegen. Dies muss nicht immer in Form einer Liste mit Mindest- oder Fixpreisen geschehen, sondern kann auch indirekt, über vermeintlich unverbindliche Preisempfehlungen, erfolgen, deren Einhaltung aber mit (finanziellen) Anreizen gefördert wird. Weitere Angaben darüber, in welchen Fällen eine unrechtmässige vertikale Preisabrede vorliegt und welche Umstände die Weko dazu veranlassen kann, auch Preisempfehlungen aufzugreifen und zu überprüfen, finden sich in der von der Weko eigens herausgegebenen «Vertikalbekanntmachung» sowie deren Erläuterung. So genügt bereits die Tatsache, dass Preisempfehlungen nicht explizit als «unverbindlich» bezeichnet werden oder der Umstand, dass die Preisempfehlung von einem bedeutenden Teil der Wiederverkäufer befolgt werden. Selbst wenn anschliessend der Nachweis gelingt, dass genügend Restwettbewerb vorhanden ist und damit die Vermutung der Beseitigung von wirksamem Wettbewerb widerlegt werden kann, ist es dennoch möglich, dass in der Preisabrede eine erhebliche Wettbewerbsbeschränkung vorliegt. Die Herausgabe von Preislisten sollte entsprechend überdacht und vorsichtig formuliert werden, um nicht in das Visier der Wettbewerbskommission zu geraten.


9. Oktober 2019 / MLaw Simone Küng

1 Die Weko kann, wenn ein Bedürfnis nach mehr Rechtssicherheit besteht, Grundsätze der Rechtsanwendung in allgemeinen Bekanntmachungen veröffentlichen (analog zu Art. 6 KG). Nebst der Vertikalbekanntmachung (VertBek) hat die Weko auch weitere Bekanntmachungen, insbesondere für KMUs und die KFZ-Branche, für welche besondere Bestimmungen gelten, erlassen. Sie geben Leitlinien vor und dienen der allgemeinen Transparenz.