24. März 2025

Unterhaltsberechnung: Aktuelle Rechtsprechung zur Überschussverteilung bei Kindern nicht verheirateter Eltern

LL.M. Isabel Skobierski, Rechtsanwältin

Sind die Eltern nicht verheiratet, so gilt es dem bei der Berechnung der Ansprüche auf Kinderunterhalt (Barunterhalt) Rechnung zu tragen. Grund dafür ist, dass der betreuende Elternteil selbst, der mit dem anderen nie verheiratet war, bereits grundsätzlich keinen Anspruch auf Teilhabe an dessen Lebensstellung hat. Eine Quersubventionierung des betreuenden Elternteils durch übersetzte Kinderunterhaltsbeiträge soll vermieden werden.

1. GRUNDLAGE

Grundlage für die Unterhaltsberechnung gemäss Art. 285 ZGB bildet seit dem Leitentscheid BGE 147 III 265 (in der Regel) die sogenannte «zweistufig-konkrete Methode mit Überschussverteilung». Demnach wird auf der ersten Stufe der familienrechtliche Bedarf jedes Familienmitglieds bestimmt und den je erzielten (oder erzielbaren) Einkünften gegenübergestellt, aus welchen dieser Bedarf zu decken ist. Allfällig verbleibende Überschüsse werden auf der zweiten Stufe auf die Eltern (grosser Kopf) und die Kinder (kleiner Kopf) verteilt. Bereits in seinem damaligen Leitentscheid betonte das Bundesgericht, dass bei Kindern unverheirateter Eltern in gehobenen Verhältnissen zu beachten ist, dass es nicht zu einer indirekten Finanzierung des anderen Elternteils qua überhöhten Kindesunterhalts kommen darf (BGE 147 III 265 E. 7.4). Diesem Gedanken folgend entschied das Bundesgericht später, dass bei Kindern nicht verheirateter Eltern einzig der Überschuss des Pflichtigen aufzuteilen und dieser bei der Berechnung nur zwischen dem unterhaltspflichtigen Elternteil (grosser Kopf) und den Kindern (kleine Köpfe) zu verteilen ist (BGE 149 III 441 E. 2.7).

2. AKTUELLE RECHTSPRECHUNG

Im Jahr 2024 ergingen drei weitere Bundesgerichtsentscheide, welche eine Überschussbegrenzung bei minderjährigen Kindern unverheirateter Eltern zum Gegenstand hatten.

Im Urteil 5A_468/2023 vom 29. Januar 2024 verfügte der Vater über eine nahezu unerschöpfliche Leistungsfähigkeit. Die Mutter verfügte über keine Ausbildung, war nie berufstätig gewesen, erzielte kein Einkommen und besass kein Vermögen.

Die erste Instanz sprach den Kindern ermessensweise einen pauschalen Überschussanteil von 1’000.00 CHF pro Kind zu und plafonierte dementsprechend die Kinderunterhaltsbeiträge. Die Mutter forderte beschwerdeweise pauschal Kindesunterhalt in Höhe von 15’000.00 CHF für das eine und je 25’000.00 CHF für die beiden anderen Kinder. Sie machte geltend, dass die vom Gericht erster Instanz zugesprochenen Beträge es den Kindern nicht ermöglichen würden, weiterhin Ferien auf einem Niveau zu geniessen, das dem entspricht, das sie vor der Trennung mit der Familie verbracht hatten. Die Vorinstanz hielt für problematisch, einen Urlaub – oder jede andere Dienstleistung, die zu einem solchen Lebensstil gehört – in dem Budget der Kinder zu berücksichtigen, da diese Beträge nicht ihrem Zweck entsprechend ausgegeben werden könnten. Es sei unvorstellbar, dass minderjährige Kinder, noch dazu im Kleinkindalter, allein in den Urlaub fahren würden. Ihre Mutter müsste sie notwendigerweise begleiten, so dass der Betrag, der ihnen für die Kosten ihres Urlaubs zugestanden würde, durch einen entsprechenden Betrag für sie ergänzt werden müsste. Eine solche Situation würde indes zwangsläufig zu einem Transfer der Ressourcen der Kinder auf die Verbesserung des Lebensstandards ihrer Mutter führen. Hinzu kam, dass der Überschussbetrag aus erzieherischen Gründen plafoniert werden sollte.

Das Bundesgericht hielt die grundsätzliche Pauschalierung des Überschussanteils für zulässig. Gleichzeitig stellte es fest, dass die Begrenzung des Unterhalts auf 1’000.00 CHF eine Ermessensüberschreitung darstellt, weil die Leistungsfähigkeit des Vaters als Bemessungskriterium gemäss Art. 285 ZGB völlig ausser Acht geblieben ist und ein solcher Betrag im vorliegenden Kontext eindeutig unangemessen (zu tief) ist, insbesondere in Anbetracht des sehr hohen Lebensstandards der Parteien vor der Trennung.

Im Urteil 5A_341/2023 vom 14. August 2024 hatte die erste Instanz dem Kind eine Pauschale in Höhe von 400.00 CHF bzw. 500.00 CHF als Überschussanteil zugesprochen. Die pauschalierte Begrenzung erfolgte sowohl aus erzieherischen Gründen als auch mit der Überlegung, es gelte zu verhindern, dass der Kindesunterhalt zu einem verdeckten Frauenunterhalt führe. Demgegenüber erkannte die Vorinstanz keinen Grund für eine Pauschalierung, weshalb sie den rechnerischen Überschuss nach einem grossen und einem kleinen Kopf auf den Vater und den Sohn verteilte. Daraus ergaben sich je nach Phase zwischen 604.00 CHF und 925.00 CHF liegende Überschussanteile des Sohnes. Der Vater machte geltend, dass die Mutter einen Überschuss von bloss 225.00 bis 280.00 CHF aufweise und deshalb aus dem Überschuss quersubventioniert werde. Das Bundesgericht schützte den zweitinstanzlichen Entscheid und erwog, dass keine Quersubventionierung der Mutter vorliegt, allein weil diese einen kleineren eigenen Überschuss aufweist, als er rechnerisch dem Kind zusteht. Vielmehr hätte der Vater aufzuzeigen, dass seinem Sohn mit den gesprochenen Unterhaltsbeiträgen bedeutend mehr finanzielle Ressourcen zur Verfügung stehen, als er für Ferien, Freizeitaktivitäten u.ä. benötigt. Dies hat er nicht getan.

Im Urteil 5A_920/2023 vom 28. November 2024 entschied das Bundesgericht, dass eine krasse Abweichung vom rechnerischen Ergebnis des Überschusses einer besonders «einleuchtenden» Begründung bedarf, welche nicht vorlag. Statt eines errechneten Überschussanteils pro Kind in Höhe von 2’378.75 CHF und 3’092.00 CHF je nach Phase hatte die Vorinstanz je nach Phase der Unterhaltsberechnung Überschussanteile von bloss 220.00 CHF, 250.00 CHF bzw. 300.00 CHF zugesprochen. Ob der vom Vater geltend gemachte besonders sparsame Lebensstil eine tatsächliche Grundlage für eine Abweichung vom Verteilungsgrundsatz nach grossen und kleinen Köpfen darstellen kann, blieb offen, da ein solcher nicht erwiesen war.

3. FAZIT UND EMPFEHLUNG

Zusammengefasst kann festgehalten werden, dass bei der Berechnung des Kindesunterhaltes von nicht verheirateten Paaren abermals bestätigt wurde, dass der betreuende Elternteil nicht aus dem Überschussanteil des Kindes quersubventioniert werden soll. Eine Pauschalierung der Überschussanteile ist nach der neuen Rechtsprechung grundsätzlich zulässig. Allerdings bleibt unklar, inwiefern eine Begrenzung der Überschussanteile der Höhe nach möglich und rechtssicher zu begründen ist. Somit verbleibt ein Grossteil der Bemessung des Überschusses und damit des Kinderunterhalts weiterhin dem Ermessen der kantonalen Gerichte überlassen. Wie diese den schmalen Grat zwischen einer Begrenzung des Überschusses aus erzieherischen Gründen und der Vermeidung einer indirekten Finanzierung des Betreuenden einerseits und der Berücksichtigung der tatsächlichen Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen bzw. des nach der zweistufig-konkreten Methode rein rechnerisch ermittelten Überschussanteils andererseits beschreiten werden, bleibt spannend.  

Lebte die Familie vor der Trennung in aussergewöhnlich günstigen finanziellen Verhältnissen (bspw. inkl. Privatschule, Nanny, Fernreisen, u.v.m.), könnte die Anwendung der einstufig-konkreten Methode zu höheren Kindesunterhaltsbeiträgen führen. Wendet das Gericht trotz der sehr guten finanziellen Verhältnisse dennoch die zweistufig-konkrete Methode mit Überschussverteilung an, ist dies jedoch zulässig. So erwog das Bundesgericht im Urteil 5A_468/2023 vom 29. Januar 2024, dass die zweistufig-konkrete Methode mit Überschussverteilung in der Schweiz einheitlich für die Festlegung des Unterhalts für anwendbar erklärt wurde, so dass dem erstinstanzlichen Richter nicht vorgeworfen werden konnte, diese Methode angewandt und dann den Überschuss entsprechend den besonderen Umständen des Einzelfalls gewichtet zu haben.

Wer sich auf eine Plafonierung des Kinderunterhalts und eine Begrenzung des rechnerisch ermittelten Überschussanteils berufen will, ist gut beraten, die konkreten Lebensverhältnisse (insbesondere der Kinder) und deren Bedarf vor und seit der Trennung möglichst umfassend darzulegen und unter Beweis zu stellen, um übersetzte Kinderunterhaltsbeiträge und damit eine Quersubventionierung des betreuenden Elternteils zu verhindern. Den erstinstanzlichen Gerichten ist so konkret wie möglich aufzuzeigen, was die Kinder tatsächlich benötigen bzw. weshalb das rechnerische Resultat eine Quersubventionierung zur Folge hat, um dessen Ermessensentscheidung zu beeinflussen.